weed: Newsletter "EU-Finanzreform"
Ausgabe 18, u.a. EU Krise - kein Licht am Ende des Tunnels, von Peter Wahl
Newsletter Inhaltsübersicht
1 – EU Krise – kein Licht am Ende des Tunnels
2 – Wird die EU (ihre) Steueroasen austrocknen?
4 – Grundsätzliche Bankreform endlich beschlossen – aber starke Reformen unterbleiben
5 – Großbritannien klagt gegen die FTS
5 – Reform zu Finanzinstrumenten steckt fest
6 – Kalender
EU Krise – kein Licht am Ende des Tunnels
Von Peter Wahl,
Die ökonomische und soziale Situation in der EU und insbesondere in der Eurozone verschlechtert sich von Tag zu Tag. Die Arbeitslosigkeit in den Krisenländern ist unerträglich. Der jüngste World Economic Outlook des IWF sagt der Eurozone für 2013 eine Schrumpfung der Wirtschaft von 0,3% voraus. Unter den größeren Volkswirtschaften wird lediglich Deutschland 2013 um magere 0,3%
wachsen.
Aber das ist noch nicht alles: nachdem Zypern vor zwei Monaten vor dem Zusammenbruch gerettet
worden war, scheint mit Slowenien jetzt der nächste Dominostein an der Reihe zu sein. Die Banken des Landes stecken in großen Schwierigkeiten. Und natürlich hören wir von der politischen Führung wie üblich, dass Hilfe von außen nicht nötig sei.
Noch beunruhigender jedoch ist die politische Instabilität in Italien, wo die prekäre Koalition aus Berlusconi-Lager und der Demokratischen Linken versucht, das Land über Wasser zu halten. Aber diese Regierung verfügt nicht über den Rückhalt für substantielle Reformen und beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Wahlrecht für bald fällige Neuwahlen vorzubreiten. Auch in Spanien ist die Bankenkrise nach wie vor nicht unter Kontrolle. Und in Frankreich wartet jeder darauf, dass Hollande sich endlich entscheidet, wo er hin will: sich dem Kurs von Merkel unterwerfen, oder einer Alternative zum Durchbruch zu verhelfen. Die grundlegende Kontroverse zwischen Austerität und Ankurbeln des Wachstums bleibt ungelöst. Obwohl der jüngste Länderbericht des IWF für Griechenland immerhin zugibt, dass die Rezepte der Troika schwere Mängel aufweisen, hat die EU-Kommission dem sofort widersprochen. Also: Business as usual, das Durchwursteln geht weiter.
Dies wird auch in den Monaten des Bundestagswahlkampfes so bleiben. Die französische und andere Regierungen warten ab, ob es einen Wechsel gibt, und Merkel ist mit ihrer Wiederwahl beschäftigt. Über das Wahlergebnis können gegenwärtig keine seriösen Voraussagen gemacht werden. Zu viele Unwägbarkeiten sind im Spiel. Zum Beispiel der Anteil an Stimmen, die die Alternative für Deutschland dem Regierungslager abnehmen kann, oder die Schwäche der FDP, die in Umfragen seit Monaten unter fünf Prozent liegt und aus dem Bundestag fliegen könnte. Zwei oder drei Prozent können am Ende zu völlig unterschiedlichen Koalitionen führen. Aber selbst wenn sich die Wünsche von Paris und Rom erfüllen würden und eine Rot-Grüne Koalition käme in Berlin an die Regierung, ist es eine Illusion auf eine substantielle Wende zu hoffen. SPD und Grüne haben in der Vergangenheit den europapolitischen Kurs Merkels mitgetragen, einschließlich des Fiskalpakts und der Austeritätsprogramme der Troika. Daran würde sich auch nach den Wahlen nichts ändern. Allenfalls ein paar Hundert Millionen Euro für das eine oder andere Förderprogramm würden locker gemacht. Die Substanz bliebe, denn die besteht in der Verteidigung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und seines Modells exportabhängiger Akkumulation. Dafür gibt es eine FastAllparteien-Koalition mit einer gesellschaftlichen breiten Basis, die bis weit in die IG-Metall reicht. Eines der prominentesten Opfer des deutschen Kurses könnte die Bankenunion werden. Zwar ist eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Eurozone unter der Ägide der Europäischen Zentralbank beschlossene Sache und soll Mitte 2014 in Kraft treten, aber selbst wenn der Zeitplan eingehalten würde, bleibt das Projekt ein Torso, wenn nicht weitere Komponenten hinzu kommen: ein Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren, ein Abwicklungsfonds für marode Banken und eine Einlagengarantie – alles gemeinsam für die Eurozone. Bei Abwicklungsfonds und Einlagengarantie stellt sich natürlich sofort die Frage: wer zahlt für wen? Der deutsche Finanzminister hat bereits erklärt, dass ein solcher Schritt in Richtung Transfer-Union eine Änderung der Verträge erfordern würde. Dahinter steckt die Weigerung, neue Schleusen für potentielle Zahlungen an Krisenländer zu öffnen. Die Bankenunion dürfte deshalb als unvollendetes Werk enden.
Die Bankenunion ist Teil umfassenderer Pläne für eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (EMU), wie sie im November 2012 von der EUKommission vorgeschlagen wurden. Zu Fiskalpakt, Six Pack und Two Pack soll letzt noch ein Wettbewerbspakt kommen. Damit soll das, was von einer Fast-Allparteienkoalition in Deutschland für erfolgreich gehalten wird, nämlich Agenda 2010 und Hartz IV, auf die Eurozone ausgedehnt werden.
Auf den ersten Blick sehen diese Maßnahmen wie ein Zuwachs an Supranationalität aus. Tatsächlich haben wir es mit einem völlig neuen Phänomen zu tun: die quasi automatisierte Durchstrukturierung der gesamten Euro-Zone nach neoliberalem Muster und dem strukturellen Ausschluss von Alternativen in der Wirtschafts-, Fiskal- und Sozialpolitik. Selbst Sanktionen sollen automatisch erfolgen. Vollstrecker der Vorgaben wird die EU-Kommission. Das erweckt den Anschein von Mehr Europa. Aber Mehr Europa würde bedeuten allen Mitgliedsländern Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. Tatsächlich sind die neuen „Instrumente für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“ Mehr Deutschland für alle.
Und wie schon beim bisherigen Krisenmanagement werden die Maßnahmen von oben durchgedrückt. Die Eurozone wird vollends zu einem autoritären Wirtschafts- und Sozialregime – unter deutscher Führung. Aber es ist zu bezweifeln, ob die neoliberale Gleichschaltung der Eurozone am Ende funktioniert. Nicht nur die deutsche Politik wird von tief sitzenden strukturellen Determinanten bestimmt, die nur in langwierigen und nicht ganz schmerzfreien Anpassungsprozessen zu verändern sind. Das gilt auch für die anderen Länder jeweils auf ihre Weise. Und dazu gehören nicht nur ökonomische Faktoren.
Es scheint ein durchgängiges Muster in großen historischen Krisen zu sein, dass wenn der notwendige Wandel nicht rechtzeitig eingeleitet wird, die Katastrophe ab einem bestimmten Punkt nicht mehr aufzuhalten ist, dem Point of no Return. Oder wie ein sehr berufener und viel zitierter Experte in Sachen Untergang einmal sagte: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
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