Auch Frankreichs Regierung kämpft gegen Jugendarbeitslosigkeit in Rekordhöhe - Hollande setzt auf pragmatische Schritte
Von Ralf Klingsieck
Mit öffentlich geförderten Stellen und »Generationsverträgen« versucht Frankreich mehr junge Menschen in Arbeit zu bringen.
Unter den Sorgen der Franzosen nimmt die Jugendarbeitslosigkeit einen der Spitzenplätze ein. Fast jeder hat in seiner Verwandtschaft oder unter seinen Freunden einen jungen Menschen, der davon betroffen ist. Das ist nicht ganz neu, doch seit Ausbruch der Krise stieg der Anteil der Arbeitslosen unter 25 Jahren von 18,1 Prozent (2008) auf inzwischen 26,2 Prozent - ein absoluter Rekord in den bis 1975 zurückreichenden Aufzeichnungen des Statistikamts INSEE.
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Sicherung der Zukunft für die jungen Franzosen hatte François Hollande vor einem Jahr im Präsidentschaftswahlkampf an die Spitze der Ziele seiner Amtszeit gestellt. Einen entsprechend gewichtigen Platz nimmt das Thema in der Politik der Regierung ein. Sie versucht pragmatisch mit zwei Maßnahmen vorzugehen. Mit der Schaffung von mindestens 100 000 und möglichst 150 000 staatlich geförderten »Arbeitsverträgen für die Zukunft« sollen vor allem Schulabbrecher oder Jugendliche ohne Berufsabschluss eine Chance auf eine Ausbildung und einen dauerhaften Arbeitsplatz bekommen. Zwei Drittel der Stellen sollen im »nichtkommerziellen« Bereich - bei Städten und Gemeinden oder Sozial-, Kultur- und Sportvereinigungen - geschaffen werden sowie ein Drittel in der Privatwirtschaft. Der Staat erstattet drei Jahre lang 75 Prozent des an den Jugendlichen zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohns SMIC. Bedingung ist, dass eine Berufsausbildung vermittelt wird.
Die zweite, ebenfalls staatlich gestützte Maßnahme, betrifft die »Generationsverträge«, die sich an kleine und mittlere Unternehmen richten. Sie sehen das Einarbeiten eines jungen Berufsanfängers durch einen Senior vor, der dafür nicht in den vorzeitigen Vorruhestand geschickt wird.
Mehr Arbeitsplätze für junge Leute verspricht sich Paris auch von dem vor wenigen Wochen in Kraft getretenen Gesetz über die »Flexibilisierung« des Arbeitsmarktes, das dank einiger reformistischer Gewerkschaften verabschiedet werden konnte, obwohl sich viele Beschäftigte unter Führung der CGT gegen diese Aushebelung des Arbeitsrechts gewehrt hatten. Da jetzt die rechtliche Schwelle für die Entlassung von fest angestellten Mitarbeitern abgesenkt ist, so argumentiert die Regierung unisono mit den Unternehmerverbänden, steige auch die Bereitschaft, neue Arbeitskräfte einzustellen.
Während sich über die Wirkung dieses Gesetzes nach so kurzer Zeit noch nichts sagen lässt, konnten bisher erst 10 000 »Arbeitsverträge für die Zukunft« abgeschlossen werden. Ob bis Jahresende das Ziel von 100 000 erreicht werden kann, ist fraglich. Arbeitgeber zögern wegen der strengen Regeln beim Schließen solcher Verträge.
Doch Hollande verspricht, konsequent zu bleiben. Die Regierung hat Lehren aus den Erfahrungen der Linksregierung zwischen 1997 und 2002 unter Premier Lionel Jospin gezogen. Seinerzeit wurden 300 000 Jugendliche auf Staatskosten im »nichtkommerziellen« Bereich eingestellt, doch da man so gut wie nichts für ihre Aus- oder Weiterbildung getan hat, standen sie wieder auf der Straße, als die Verträge nach drei Jahren ausliefen.
Überhaupt ist das unzureichende System der Berufsausbildung in Frankreich ganz wesentlich mitverantwortlich für die Schwierigkeiten der Jugendlichen, einen Einstieg ins Berufsleben und dann dort eine dauerhafte Perspektive zu finden. Eine Lehrausbildung im Betrieb gibt es fast überhaupt nicht. Die Unternehmer verlassen sich darauf, dass die künftigen Arbeitnehmer vom Staat in berufsbildenden Gymnasien ausgebildet werden. Doch dorthin werden von den anderen Schulen vor allem Jugendliche mit schlechten Leistungen abgeschoben, die nur zu oft aus sozialen »Problemvierteln« kommen. Entsprechend gering ist meist deren Motivation und damit das Niveau, mit dem sie die Schule verlassen und sich auf dem Arbeitsmarkt um einen Job bewerben.
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