Schwerpunkt Finanztransaktionssteuer

Von Rainald Ötsch

21.11.2013 / 21.11.2013

Nach einer längeren Phase von Erfolgen stockt die Kampagne für eine Finanztrans­aktionssteuer (FTS). Unter anderem macht die französischen Regierung Probleme, da­zu stehen strittige Rechtsfragen im Raum. Die Bundesregierung agierte bislang ver­gleichsweise progressiv und dürfte dies auch unter Schwarz-Rot weiter tun. Der neuen Koalition wird bis auf weiteres vor allem die fehlende Mittelverwendung für weltweite Aufgaben (Entwicklung und Umweltschutz) vorzuwerfen sein.

Für DIE LINKE stellen sich folgende Aufgaben:

  • über unsere Partner in Frankreich das Doppelspiel der französische Regierung zu entlarven und sie so unter Druck zu setzen;
  • über unsere europäischen Partner in denjenigen Staaten die FTS im Europa­wahlkampf besonders zu betonen, deren Regierungen sich nicht klar genug für eine allgemeine FTS aussprechen (insbesondere Spanien und Italien);
  • die gute Zusammenarbeit mit der Kampagne „Steuer gegen Armut“ fortzusetzen, Verwässerungsversuche der Bundesregierung im Detail zu kritisieren und gerade die SPD (wie DIE LINKE Mitglied der deutschen FTS-Kampagne „Steuer gegen Armut“) an die Mittelverwendung für Entwicklung und weltweiten Umwelt- und Klimaschutz zu erinnern.

Hintergrund:

A) Situation in Europa:

Elf europäische Staaten[1] haben vergangenes Jahr vereinbart, die Steuer auch ohne die anderen EU-Staaten einzuführen. Seit Februar 2013 liegt dafür eine konkrete Verhand­lungsgrundlage vor. Obwohl nur elf Staaten bei der sogenannten „Verstärkten Zusam­menarbeit“ mitmachen, nehmen an den Verhandlungen alle EU-Staaten teil. Die FTS-Gegner (insbesondere Großbritannien, Luxemburg, Schweden, Tschechien) können daher ständig stören. Dazu kommt medialer Gegenwind, der durch etliche Auftragsgut­achten der Finanzlobby befeuert wird („schreckliche Auswirkungen auf Kleinsparer, Re­alwirtschaft, Altersvorsorge“ etc.).

Die treibende Kraft für die FTS war bislang der deutsch-französische Motor. Dieser ist inzwischen ins Stocken geraten. Offiziell steht die französische Regierung zwar noch zu den Finanztransaktionssteuerplänen. Doch darauf lässt sich nichts geben (Frankreichs Finanzminister Moscovici bezeichnete den aktuellen Entwurf der Kommission als zu „exzessiv“). In der Verhandlungsgruppe spielt sich eine regelrechte Sabotage durch französische Fachbeamte ab. Deren Einwände richten sich gegen zentrale Elemente des Entwurfs, etwa das Ansässigkeitsprinzip[2] oder die Besteuerung jeder einzelnen Transaktion[3].

Neben Frankreich haben Italien, Portugal und Spanien bereits löchrige Steuern auf den Handel mit bestimmten Wertpapieren (hauptsächlich Aktien) eingeführt oder planen dies in Kürze. Diese Steuern sind aber nur ein schaler Abklatsch der universellen Fi­nanztransaktionssteuer. Die nationalen Alleingänge dürften die Arbeiten an einer ge­meinsamen Steuer weiter schwächen. Frankreich sieht in seiner nationalen Steuer be­reits die Blaupause für die europäische Steuer.

B) Situation in Deutschland:

Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen sehr früh zu einer FTS be­kannt. Das überrascht nicht, denn die FTS war bereits vorher akzeptiert. Der Wortlaut entspricht im Wesentlichen der Vereinbarung zum Fiskalpakt[4]: Die Steuer solle „mög­lichst alle Finanzinstrumente umfassen, insbesondere Aktien, Anleihen, Investmentan­teile, Devisentransaktionen sowie Derivatekontrakte“. Spielraum für Verwässerungen schafft ein Passus, womit negative Folgen für Instrumente zur Altersvorsorge, für Klein­anleger und die Realwirtschaft vermieden werden sollen. Bisher hatte das BMF aber noch keine Ausnahmen gefordert und ist Nachfragen dazu auch immer ausgewichen. Die (alte und neue) Bundesregierung kann sich bis auf weiteres als treibende Kraft in Europa inszenieren (die sie zweifellos auch ist) und bietet derzeit wenig Angriffsfläche.

C) Rechtliche Komplikationen:

Großbritannien hat wegen vermeintlich exterritorialer Wirkung der Steuer vor dem Eu­ropäischen Gerichtshof geklagt. Allerdings erfolgte die Klage wohl verfrüht.[5] Dies be­deutet aber nur, dass die Klage zu einem späteren Zeitpunkt erneuert würde (d.h. nach Verabschiedung der Richtlinie).

Wesentlich brisanter ist ein Rechtgutachten des Juristischen Dienst des Europäischen Rates. Es dreht sich um eine Regelung, wonach ein Finanzinstitut schon dann als im Gebiet eines Mitgliedstaates ansässig gilt, wenn die andere Transaktionspartei dort an­sässig ist.[6] Dieses sogenannte Gegenparteiprinzip sei laut Gutachten unvereinbar so­wohl mit Völkerrecht als auch EU-Recht.

Der Rechtsdienst der Kommission ist anderer Meinung (im Umsatzsteuerrecht gäbe es etwa vergleichbare Regeln). Die Einwände sind aber wohl nicht völlig aus der Luft ge­griffen. Sie schwächen das Ansässigkeitsprinzip und könnten schlimmstenfalls dazu führen, dass es fallen gelassen würde. Dann wäre der Weg zu einer bloßen Kopie der französischen Mini-FTS oder der britischen Stamp Duty nicht mehr weit.

Die europäische FTS-Kampagne wird in Kürze ein Gegengutachten vorlegen.

D) Mittelverwendung:

DIE LINKE tritt dafür ein, die Hälfte der eingenommenen Gelder aus der FTS für eine nachhaltige Entwicklung in den Ländern des Südens und für globalen Klimaschutz zu nutzen. Dies folgt einer langen Tradition in der entwicklungs- und globalisierungskriti­schen Szene und entspricht auch dem Anliegen der deutschen Finanztransaktionssteu­er-Kampagne „Steuer gegen Armut“.

Wie LINKE und Grüne ist auch die SPD Mitglied dieser Kampagne. Die Mittelverwen­dung ist aber in der SPD umstritten. Die Union ist gegen eine Zweckbindung der Ein­nahmen aus der FTS. Im Koalitionsvertrag war ursprünglich ein Passus vorgesehen, der zusätzliche Einnahmen für Entwicklungshilfe aus neuen Finanzinstrumenten in Aus­sicht stellt. Dieser Passus ist ebenso wie höhere Ausgaben für weltweiten Klimaschutz und Aufstockungen beim Schutz der Biodiversität schließlich entfallen.

[1] Dies sind Frankreich, Belgien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien, die Slowakei und Deutschland.

[2] Nach dem Ansässigkeitsprinzip (bzw. Herkunftsland- oder Sitzlandprinzip) werden alle Trans­aktionen besteuert, bei denen ein im Geltungsbereich ansässiges Finanzinstitut beteiligt ist. Ansässigkeit ist dabei sehr breit definiert. Dies beugt Steuervermeidung vor.

[3] Die französische Regierung fordert, dass an einem Handelstag getätigte Käufe und Verkäufe gegeneinander aufgerechnet werden können und die Besteuerung nur auf die am Tagesende getätigten Nettotransaktionen anfällt (Netting). Wer daher innerhalb eines Tages ein Wertpa­pier fünfzigmal kauft und einundfünfzig Mal verkauft, muss nur für eine einzige Transaktion Steuern zahlen.

[4] „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“, gemeinsames Papier der Bundesregie­rung und der Fraktionen CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, 12. Juni 2012

[5] So die Stellungnahmen von Bundesregierung und Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags zur Klage.

[6] Ansässigkeitsfiktion laut Art. 4(1) Buchst. f) des aktuellen Richtlinienentwurfs.