Keine Geschenke für Monsanto, BASF & Co.
Das geplante Freihandels-Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA dient den Interessen der Konzerne und nicht uns Bürger/innen
Worum geht es bei TTIP?
Das Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership-Abkommen, TTIP, ist kein klassisches Freihandelsabkommen. Es geht nicht um die Abschaffung von Zöllen und Handelsschranken, weil es die zwischen Europa und den USA kaum noch gibt. Ziel ist vielmehr der Abbau von so genannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“. Als Handelshemmnis können die Vertragspartner alles definieren: Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte.
Sofern das Recht dem Handel hinderlich ist (oder auch nur dem Interesse wichtiger Großkonzerne einer Seite widerspricht) soll es „harmonisiert“ werden. Das heißt praktisch meist, dass Standards gesenkt werden. Und zwar durch einen Vertrag zwischen Staaten oder Staatenbünden wie der EU. Die Vertragsverhandlungen finden ohne Transparenz, ohne Debatte und Beteiligung der demokratisch gewählten Parlamente statt. Die Parlamente können am Schluss nur noch Ja oder Nein zu dem ganzen Vertrag sagen.
Was bedeutet der Vertrag für uns?
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU birgt viele Gefahren:
- US-Produkte müssten nicht mehr europäische Verbraucherschutz- und Tierschutzstandards einhalten, um in der EU verkauft zu werden. Damit EU-Unternehmen dann nicht benachteiligt sind, müssten die Standards hierzulande gesenkt werden.
- Der durch das Abkommen ausgelöste Preiskampf bei Lebensmitteln würde auf beiden Seiten des Atlantiks naturschonend wirtschaftende Bauernhöfe massenweise zur Aufgabe zwingen.
- Die durch die EU-Chemikalienverordnung REACH vorgeschriebene Gefahrenprüfung vor der Markteinführung von Substanzen wird umgehbar: Ein Konzern müsste nur ein Produkt in den USA anbieten – und schon könnte er es auch in Europa verkaufen.
- TTIP wird die Einfuhr gentechnisch veränderter Lebensmittel, von Hormonfleisch und Chlorhühnern erleichtern – und die Kennzeichnungspflicht aufweichen.
- Wenn öffentliche Dienstleistungen als Märkte interpretiert werden, wie es die Pläne bisher vorsehen, wird eine Welle an Privatisierungen folgen.
- Im Bereich des so genannten „geistigen Eigentums“ drohen Verschärfungen: weniger Rechte für Internetnutzer und ein lascher Datenschutz.
- Investoren sollen die Möglichkeit bekommen, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten durch demokratische Beschlüsse verletzt sehen. Auf eine solche Investitionsschutzklausel in einem anderen Abkommen beruft sich heute schon Vattenfall – und verklagt derzeit Deutschland auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg.
Wer verhandelt?
Die Verhandlungen finden statt zwischen der EU-Kommission, vertreten durch den Handelskommissar, und dem US-Handelsministerium. In der EU haben weder die Mitgliedsstaaten noch die anderen EU-Kommissare, noch gar die Abgeordneten von Europaparlament und nationalen Parlamenten Einblick in die Verhandlungsdokumente.
Auf der anderen Seite haben einige hundert Industrielobbyisten exklusiven Zugang und die Möglichkeit, ihre Interessen direkt in den Vertrag zu diktieren. Ziel der Verhandlungs-Elite ist es, die Verhandlungen geheim abzuschließen und den demokratisch gewählten Vertretungen der Bürger/innen dann nur noch die Wahl zwischen Zustimmung und Ablehnung zu lassen.
Warum wissen wir so wenig über die Inhalte?
Die EU-Kommission hält die Verhandlungsdokumente geheim. Sie war noch nicht einmal bereit, das Verhandlungsmandat – also das, worüber sie verhandelt – offen zu legen. Dieses Mandat ist jedoch von der US-Regierung veröffentlicht und auf diesem Weg bekannt geworden.
Wie viele Arbeitsplätze und wie viel Wachstum bringt der Vertrag?
Die Europäische Kommission rechnet gestützt auf eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR 2013) für das Jahr 2027 mit einem Wachstum des realen Einkommens der EU von bis zu 0,48 Prozent. Die Kommission schließt Anpassungseffekte zwar nicht aus, gesamtwirtschaftlich sollen jedoch Beschäftigungsgewinne und Lohnzuwächse überwiegen. Schon diese positiv gefärbte Schätzung geht also von einem äußerst geringen wirtschaftlichen Nutzen in sehr ferner Zukunft aus.
Nicht berücksichtigt sind dabei mögliche negative Effekte. Neben Arbeitsplatzverlusten in ländlichen Gebieten droht eine Ausweitung niedrig entlohnter Beschäftigung, zunehmende Einkommensungleichheit, verschärfte Sparpolitik der öffentlichen Haushalte und eine geringere Tarifbindung. Privatisierungen, Ausgliederungen und Deregulierung vor allem im Dienstleistungsbereich können einfach genutzt werden, um Niedriglohn-Jobs zu schaffen. Weil sie anständig bezahlte Jobs mehr und mehr verdrängen, wirkt sich das auf das allgemeine Lohnniveau und damit auf die „Normalarbeitsverhältnisse“ aus.
Hat die EU-Kommission nicht transparente Verhandlungen unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft versprochen?
Dieses Versprechen ist leider eine leere Hülse. Die EU-Kommission veranstaltet einige so genannte Stakeholder Briefings, bei denen sie Vertreter/innen der Zivilgesellschaft mit Allgemeinplätzen, ausweichenden Antworten und bewusstem Verschweigen hinhält. Dem gegenüber stehen hunderte Gespräche mit Industrielobbyisten, bei denen diese unmittelbar Einfluss auf die Verhandlungstexte nehmen können.
DDie EU-Kommission will ein Komitee einrichten (siehe hier. S. 3), das die Verhandlungen begleiten soll. In ihm sitzen neben sieben Industrievertretern zwei handverlesene Vertreter von Umweltschutzverbänden, zwei von Gewerkschaften, einer von Transparenz-Organisationen sitzen. Aber auch diesem Komitee werden keine Vertragstexte zugänglich gemacht. Genauso wenig wie dem Europaparlament.
Wie ist der Zeitplan?
Die Verhandlungen wurden im Juni offiziell aufgenommen. Ziel der Verhandlungspartner ist ein schneller Abschluss, bis 2015. Der genaue Zeitplan hängt vom Fortschritt der Verhandlungen ab. Klar ist bisher nur, dass es nach der Verhandlungsrunde im Dezember 2013 eine weitere Verhandlung in Brüssel im März 2014 geben soll.
In den USA gibt es zunehmend Widerstand gegen den geplanten „Fast Track“ Prozess, der der Obama-Administration eine Verhandlung ohne Beteiligung des Kongresses erlauben würde. Der Ausgang des Konflikts ist derzeit offen.
Was passiert nach den Verhandlungen?
Das Europaparlament und die Europäischen Regierungen müssen dem Vertrag wohl auf jeden Fall zustimmen. Außerdem muss der Vertrag in jedem einzelnen Mitgliedsstaat „ratifiziert“ werden. Meistens bedeutet dass, dass das Parlament abstimmt. Möglich sind aber auch Volksentscheide in einzelnen Mitgliedsländern. Wird der Vertrag von nur einem EU-Staat nicht ratifiziert, ist er gescheitert.
In Deutschland hängt es vom Inhalt des endgültigen Vertrages ab, ob nur der Bundestag oder Bundestag und Bundesrat entscheiden.
Wie funktionieren die Konzernklagen?
In vielen Handelsverträgen gibt es mittlerweile so genannte Investitionsschutzklauseln. Sie erlauben ausländischen Konzernen, vor einem „Schiedsgericht“ zu klagen, wenn es seine Gewinnerwartung durch politische Entscheidungen eines Staates verletzt sieht. Das „Schiedsgericht“ ist kein Gericht in herkömmlichen Sinne. Es besteht ausschließlich aus Anwälten, die in einem Prozess die Rolle des Kläger-Anwalts, im nächsten Verfahren die Rolle des Anwalts der Beklagten, und ein anderes Mal die Rolle des Richters übernehmen. Eine exklusive Minderheit von hoch spezialisierten Rechtsexperten entscheidet also über Entschädigungen in Milliardenhöhe – die Steuerzahler/innen dann bezahlen müssen. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich, eine Revision gibt es nicht.
Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Klagen vor solchen Schiedsgerichten ständig an, die Summen der zugebilligten Entschädigungen wachsen ständig. Am klagefreudigsten sind US-Investoren mit bisher 123 Klagen. Danach folgen die Niederlande mit 50, Großbritannien mit 30 und Deutschland mit 27 Klagen.
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