Mit Investitionen für eine Erneuerung Europas
Von Axel Troost
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, verteidigt die gescheiterte neoliberale Austeritätspolitik der letzten Jahre. Er hat allen Bestrebungen, mit einer flexibleren Handhabung des Fiskalpaktes eine Stärkung des Wirtschaftswachstums zu erreichen, eine klar Absage erteilt. Die fiskalischen Spielregeln würden schon jetzt großen Spielraum bieten. „Eine allzu großzügige Auslegung dieses Spielraums würde aber mit Sicherheit der Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspakts schaden.“ In der Debatte um eine flexiblere Auslegung des EU-Stabilitätspakts pochen vor allem Deutschland und die Niederlande auf Sparen und Stabilität. Italien verlangt dagegen, dass die Regeln „flexibel“ ausgelegt werden
Das Programm der italienischen EU-Ratspräsidentschaft zielt darauf, Wachstum und Investitionen ankurbeln. Rom führt turnusmäßig bis Ende des Jahres den EU-Ratsvorsitz. „Ich möchte einen sehr konkreten Dialog beginnen über Wachstum und Beschäftigung“, unterstreicht der italienische Finanzminister Padoan. Die EU brauche entschlossene Schritte, um das Wachstum zu fördern, Investitionen zu steigern, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen und Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit anzuregen. Dies erfordere es auch, „die in den geltenden Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts enthaltene Flexibilität in bester Weise zu nutzen.“
Hinter diesen Formeln verbirgt sich die Tatsache, dass die Wirtschaft in den 18 Ländern mit der Euro-Währung nur langsam wieder Fahrt aufnimmt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im ersten Quartal des laufenden Jahres um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu, so die Europäische Statistikbehörde Eurostat. Während Deutschland mit einem Anstieg zu Jahresbeginn um 0,8 Prozent herausragt, herrsche in Frankreich im ersten Quartal hingegen nur Stagnation. Die Wirtschaftsleistung von Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft des Euroraums, sei sogar um 0,1 Prozent zurückgegangen.
Eine Fortführung der Austeritätspolitik läuft unter diesen Bedingungen auf das Einrichten mit der hohen Arbeitslosigkeit und einer weiteren Zerstörung des Sozialstaates hinaus. Vor allem in den südeuropäischen Krisenländern würden notwendige Investitionen in Bildung und Ausbildung gekürzt und zusammengestrichen. Nach Eurostat waren im Mai 2014 in der EU 28 insgesamt 25,184 Millionen Männer und Frauen arbeitslos (11,6%), davon 18,552 Millionen im Euroraum (EU 18, 10,3%). Davon waren 5,187 Millionen Jugendliche im Alter unter 25 Jahren in der EU 28 ohne Arbeits- oder Ausbildungsplatz, nahezu ein Viertel aller Jugendlichen (23,3%). Am höchsten war die Quote in der Altersgruppe bis 24 Jahre in Griechenland (57,7%), Spanien (54%), Kroatien (48,7%) und Italien (43%). Dagegen stehen Deutschland mit 7,8% und Österreich mit 8,9% am besten dar.
Auch die IWF-Chefin, Christine Lagarde, fordert in den letzten Monaten einen Kurswechsel. Sie mahnt bei den Regierungen der Industriestaaten mehr Investitionen für eine Belebung der Wirtschaft an. Das Wachstum sei „weniger robust als erwartet“ und die Maßnahmen der Zentralbanken „stoßen an ihre Grenzen“. Die Politik müsse die „sehr günstigen“ Konditionen an den Finanzmärkten zur „Belebung öffentlicher Investitionen“ nutzen, gerade in den großen Volkswirtschaften. In der Eurozone sei die Erholung von der Schuldenkrise „noch lang nicht ausreichend, um Verschuldung und Arbeitslosigkeit zu senken“.
In der Europäischen Union wurden zwischen 1999 und 2007 – bezogen auf den Kapitalbestand – insgesamt gut sechs Billionen Euro weniger investiert als in den nichteuropäischen OECD Ländern, zu denen beispielsweise die USA, Kanada und Japan gehören. In der Eurozone waren es sogar 7,5 Billionen Euro weniger. Das Bruttoanlagevermögen, der sogenannte Kapitalstock, ist in fast allen EULändern weniger modern als im OECD Durchschnitt und wächst auch langsamer. Dies gilt auch für die Industrie, die bei der ökonomischen Wiedererstarkung Europas eine Schlüsselrolle übernehmen soll. Zur Erreichung eines höheren Wachstumspfades muss Europa die Investitionsschwäche daher auf breiter Front überwinden. Es genügt nicht in einzelnen Ländern, wie den südeuropäischen Krisenstaaten, Investitionsprogramme zu implementieren.
Im Euroraum besteht eine Investitionslücke von jährlich etwa zwei Prozent des BIP oder 180 Milliarden Euro. Viele Sektoren sowohl im Industrie- als auch im Dienstleistungsbereich zeigen eine deutliche Investitionsschwäche auf, vor allem auch der Energiesektor. Die DIW-Forscher machen im Euroraum eine Investitionslücke von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung aus, in absoluten Zahlen eine Größenordnung von rund 200 Milliarden Euro. Auch erfolgreiche Länder wie Deutschland investierten viel zu wenig. „Wir brauchen einen Impuls, um das Wachstum in den Krisenländern anzustoßen und eine neuerliche Rezession in der Eurozone zu vermeiden“, sagte DIW-Chef Fratzscher.
Eine europäische Investitionsoffensive
Nur mit einer Stärkung eines qualitativen Wirtschaftswachstums wird Europa aus seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise herauskommen. Fakt ist, dass die Investitionstätigkeit ausgesprochen schwach ist. Das gilt für den gesamten Euroraum und insbesondere für die südlichen Krisenländer. Die Alternative ist eindeutig: ausgelöst durch eine Offensive der öffentlichen Investition in die Infrastruktur und den Energiebereich könnte auch die privaten Investitionen belebt werden und dann könnte man ein höheres Wachstum in den Ländern erreichen.
Es ist absurd, wenn die EZB erneut ein Kreditprogramm für die europäischen Banken von 1 Billionen Euro auflegt und gleichzeitig die niedrigen Zinsen nicht für eine europäische Investitionsoffensive zur Verbesserung der Infrastruktur und den Auf- und Ausbau qualitativer Wirtschaftsstrukturen genutzt werden können.
Diese könnte realisiert werden durch die Einrichtung eines zeitlich befristeten neuen EU-Investitionsfonds. Es gibt bereits einen Europäischen Investitionsfonds (EIF) als Teil der Europäischen Investitionsbank (EIB), der jedoch lediglich als Risikokapitalgeber fungiert, indem er vor allem in Fonds und in Finanzinstitutionen investiert, die auf kleine und mittlere Unternehmen ausgerichtet sind. Diese Konstruktion könnte zügig geändert werden. Durch Aufstockung könnte dieser Investitionsfonds eine andere Größenordnung erhalten. Denkbar wäre, dass dieser Fonds eigene Anleihen begibt, die von den Mitgliedstaaten der EU mit Garantien verbürgt werden.
Für die LINKE steht damit als Herausforderung, sich in die Auseinandersetzung um die Austeritätspolitik einzumischen. Ich plädiere dafür, dem Austeritätsparadigma auf europäischer Ebene ein überzeugendes Alternativkonzept entgegenzusetzen. Ich werde meinen Beitrag dazu leisten, dass es gelingt unter Berücksichtigung der vorhandenen Unterschiedlichkeiten gemeinsame Arbeitsprozessen innerhalb der europäischen Linken anzustoßen.