IWF-Tagung: Scharfe Kritik an deutscher Sparpolitik
Von Richard Pitterle
Vom 09. bis 13. Oktober nahm der steuerpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Richard Pitterle, an einer gemeinsamen Delegationsreise von Mitgliedern des Finanzausschusses, des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestages sowie von Vertretern des Bundesrates nach Washington DC teil. Anlässlich der dort stattfindenden Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe wurden innerhalb eines sehr straffen Zeitplans Gespräche nicht nur mit Vertretern von IWF und Weltbank, sondern auch mit verschiedenen Regierungsvertretern der USA, amerikanischen Think Tanks, deutschen Banken- und Wirtschaftsverbänden und Vertretern der Bundesregierung geführt. Hierbei wurde eine Vielzahl von Themen diskutiert, wie etwa die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik und der USA, die Eurorettung über die Ukrainekrise bis zur Ebola-Epidemie in West-Afrika und dem Klimawandel.
Schwarze Null: "tea party thinking"
So wurden auch Themen, die auf der politischen Agenda der Fraktion DIE LINKE eine Hauptrolle spielen, problematisiert. Insbesondere die derzeitige Finanzpolitik der Bundesregierung stand direkt und indirekt gleich mehrfach auf dem Prüfstand. Zum Beispiel mahnte direkt zu Beginn der Delegationsreise die IWF-Direktorin Christine Lagarde in ihrer Rede vor der Vollversammlung mehr Investitionen an. Weiter bezeichnete sie die immense Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa und die entsprechende Perspektivlosigkeit fast einer ganzen Generation als eine große Gefahr für die Zukunft innerhalb der Europäischen Union. Zudem forderte sie eine frauen- und familienfreundlichere Arbeitsmarktpolitik und eine bessere Regulierung des Finanzmarktes.
Was die gegenwärtige Situation der Bundesrepublik betrifft, wurde seitens der verschiedenen Gesprächspartner weithin die Ansicht geteilt, dass es an Investitionen in die Infrastruktur mangele und dass die schleppende Binnennachfrage bremsend wirke. Der gegenwärtige sogenannte Sparkurs der Bundesrepublik wurde eher als hinderlich, das Festhalten an der schwarzen Null gar als "tea party thinking" bezeichnet. Anderer Ansicht waren hier lediglich die Vertreter der Bundesregierung, unter anderen Bundesfinanzminister Schäuble, die vor allem das Argument, keine neuen Schulden machen zu wollen, in die Waagschale warfen. Die Gegenseite vertrat wiederum die Ansicht, dass Deutschland sich eine gewisse Neuverschuldung durchaus leisten könne, die "schwarze Null" könne derzeit weder in deutschem, noch in europäischem Interesse sein.
Weder europafreundlich noch nachhaltig
Ähnlich wurde dies auch mit Blick auf die Euro-Krise bewertet. Die gegenwärtige diesbezügliche Politik der Bundesregierung wurde als weder europafreundlich noch nachhaltig bezeichnet. Die Bundesregierung sei mit ihrem Standpunkt hier weitgehend isoliert. Es wurde zudem darauf hingewiesen, dass strukturelle Reformen allein keine Verbesserung bewirken könnten, diese müssten von entsprechenden Investitionen begleitet werden.
Bezüglich des Ukraine-Konfliktes wurden seitens der Vertreter der Think Tanks und Wirtschaftsverbände die Sanktionen gegen Russland als aus deutscher Sicht wirtschaftlich nachteilig empfunden.
Als große Bedrohung wurde die Ebola-Epidemie wahrgenommen. Auch hier seien vermehrte Anstrengungen und Investitionen notwendig, um vor allem durch eine Verbesserung der Infrastruktur in Westafrika der Epidemie Herr zu werden.
USA droht politischer Stillstand
Zur Situation in den USA wurde allseits die Einschätzung geteilt, dass nach den Senatswahlen Anfang November beide Kammern des Kongresses mehrheitlich durch Republikaner besetzt sein dürften. Für die letzten beiden Jahre der Amtszeit Präsident Obamas würde dies aller Wahrscheinlichkeit nach einen politischen Stillstand bedeuten. In wirtschaftlicher Hinsicht wurde eine fast vollständige Unabhängigkeit der USA von Ölimporten, u.a. auch aufgrund des Frackings in Aussicht gestellt. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf verwiesen, dass aufgrund der republikanischen Mehrheit eine Auseinandersetzung mit dem Klimawandel verhindert würde. Was überraschte, war, dass nicht nur von unabhängigen Vertretern, sondern auch von Vertretern der amerikanischen Bundesregierung die Ungleichverteilung des Reichtums in den vereinigten Staaten als drängendes Problem wahrgenommen wurde.
Parallel zur Jahrestagung von IWF und Weltbankgruppe fand seitens diverser NGOs wie Urgewald ein Informationsprogramm vor Ort mit vielfältigen Workshops und einer Demonstration vor dem Weltbankgebäude statt. Hierbei wurde vor allem die Einhaltung verbindlicher ökologischer und sozialer Standards bei der Weltbank, der weltweit einflussreichsten Entwicklungsfinanzierungsinstitution gefordert.
Was die gegenwärtigen Aussichten anbelangt, wurde seitens des IWF eher Skepsis verbreitet und auf die stets allgegenwärtige Unsicherheit an den Märkten verwiesen. Eine wichtige Maßnahme auf deutscher Seite sei in jedem Fall eine Erhöhung der Ausgaben und eine Abkehr vom bisherigen rigiden Sparkurs.
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