Volksabstimmung über die Austeritätspolitik der Troika
Von Axel Troost
Der griechische Regierungschef will eine Referendum ansetzen, sollten die Kreditgeber weiterhin auf den beinharten Sparmaßnahmen bestehen. Sollte es – was er allerdings nicht erwarte – am Ende ein Abkommen mit den Kreditgebern geben, das die Grenzen des Mandats der Regierung überschreite, sagte Tsipras, dann werde das griechische Volk das letzte Wort haben. „Wenn ich letztlich mit einer Vereinbarung da stehe, die die Grenzen (meines Mandats) überschreitet, habe ich keine andere Wahl, die Menschen werden entscheiden“, sagte Premier Tsipras.
Wie sieht die politische Stimmung nach den wochenlangen Verhandlungen zwischen der Linksregierung und den internationalen Gläubiger-Institutionen (Troika) aus? Die griechische Wochenzeitung To Vima berichtet über eine Umfrage, in der sich 72 Prozent der Griechen für den Verbleib im Euroraum aussprechen. Tsipras' Syriza-Partei würde bei vorgezogenen Wahlen mit 36,9 Prozent Stimmenanteil klar gewinnen, die Konservativen nur 21 Prozent erreichen. Trotz wochenlangem Druck ist kein Vertrauensverlust für die Politik der Linkskoalition abzusehen.
Was ist der Kern des politischen Konfliktes? Die Troika-Institutionen (EU,EZB und IMF) hatten das so genannte Hilfsprogramm für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland im Februar 2015 nochmals um vier Monate bis Ende Juni verlängert. Zur Voraussetzung für die Auszahlung der noch offenen Finanztranchen für Griechenland machten sie eine Liste mit belastbaren Reformen. Die Linksregierung hat seither verschiedene Versionen vorgelegt, die allerdings von den Troika-Gläubigern nicht akzeptiert wurden. Ursprünglicher Einigungstermin war eigentlich Ende April.
Ministerpräsident Tsipras wirft der Troika vor, das politische Programm der Linksregierung unterlaufen oder blockieren zu wollen. Außerdem hätten die Gläubiger den Finanzdruck erhöht. Tsipras spricht mit Blick auf den niederländischen Finanzminister Dijsselbloem (zugleich Chef der Ecofin-Gruppe) und den EZB-Chef Draghi von Wortbruch. Griechenland sei getäuscht worden. Ihm selbst und Finanzminister Varoufakis sei nach der ersten Einigung in der Eurogruppe am 20. Februar zugesichert worden, dass die EZB ihre Entscheidung rückgängig macht und wieder griechische Staatsanleihen als Sicherheiten anerkenne. Die griechischen Banken, die diese Anleihen kaufen, konnten sich auf diese Weise bisher mit billigem Geld bei der EZB refinanzieren. Das ist mittlerweile vorbei. Die Liquidität der Athener Banken wird nur noch durch teure Notfallkredite der EZB gesichert, deren Höhe im Gouverneursrat in Frankfurt regelmäßig neu festgelegt wird. Wegen dieser Unsicherheiten halte der Abfluss von Geldeinlagen aus den Banken Griechenlands an.
Umstritten zwischen Linksregierung und der Troika sind die so genannten Strukturreformen. Nicht akzeptieren will die griechische Koalition die Forderung der Kreditgeber nach einer weiteren Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die griechische Regierung will außerdem an dem Ziel der Wiederherstellung der Flächentarifverhandlungen und einer (Wieder-)Erhöhung des Mindestlohns festhalten. Weitere Einschnitte bei den Pensionen und volle Mehrwertsteuersätze auf den griechischen Inseln, die ein höheres Preisniveau wegen ihrer geografischen Lage haben, sind für die Regierung im Prinzip nicht annehmbar. Aufgeschoben hat Regierungschef Tsipras das Wahlversprechen vom Ende der unpopulären Einheitsgrundsteuer, die 2014 eingeführt wurde. Erst wenn Griechenland einen Haushaltsüberschuss von 1,2 Prozent erwirtschafte und Aussicht auf eine Steigerung habe, könne die Steuer auf Land und Immobilien neu untersucht werden, sagte der Premier. Griechenland hatte 2014 nur 0,3 Prozent Plus erreicht, dieses Jahr könnte es allenfalls zu 0,5 Prozent reichen. All diese Regelungen sollen in Kürze vom Kabinett als Gesetzespaket beschlossen und in das Parlament eingebracht werden.
Im Schuldenstreit mit Griechenland hat Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem Athen vor diesen „überzogenen Forderungen“ gewarnt, ähnlich wie der bundesdeutsche Finanzminister Schäuble. Die Gläubiger hätten kein Verständnis dafür, dass die Verhandlungen so lange dauerten. „Wenn sie kein Geld haben, um alle ihre Wünsche zu finanzieren, müssen die Griechen ihre Wünsche der Realität anpassen“, sagte Dijsselbloem. „Die Wirklichkeit ist, dass es wenig Geld gibt und dass Griechenland derzeit ohne Hilfe da nicht raus kommt.“
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sieht die Verhandlungen zwischen Athen und den internationalen Geldgebern „sehr nahe“ an einer ersten Einigung und erwartet im Schuldenstreit mit seinen internationalen Geldgebern eine Lösung. Er schließe einen Zusammenbruch des hochverschuldeten Eurolandes aus. Vorrang habe jedoch die Auszahlung von Löhnen und Pensionen. Er rechne mit einer vorläufigen Einigung bei den Reformen.
In der Eurogruppe wird dagegen die These von einer Annäherung der Verhandlungspartner nicht geteilt. Ein solcher Kompromiss wäre die Voraussetzung für einen Beschluss zur Freigabe von Krediten auf dem Treffen der Eurogruppe am 11. Mai. Davon sei man aber noch sehr weit entfernt, sagte ein Troika-Sprecher. Von konkreten Reformvorschlägen der griechischen Regierung, welche die Voraussetzung für eine Kreditfreigabe wären, sei in Brüssel weiterhin nichts bekannt. „Es geht jetzt auch nicht um neue griechische Listen, sondern um ein konkretes Gesetz, das ein Reformpaket enthält und auf den parlamentarischen Weg gebracht wird“. Soweit erkennbar, will die Regierung bisher nur einige Pläne wie die Erhöhung des Mindestlohns abschwächen, die aus der Sicht der Gläubiger ohnehin in die falsche Richtung gegangen wären. Zentrale Punkte wie eine Rentenreform und die Reform der Mehrwertsteuererhebung bleiben unangetastet.
Wenn also die Troika-Gläubiger auf ihren „Strukturreformen“ bestehen, will die Linksregierung ein Referendum durchführen. Die Verfassung sieht die Möglichkeit eines Referendums in „entscheidenden nationalen Angelegenheiten“ vor oder auch über ein einzelnes Gesetz, das allerdings keine steuerpolitische Änderung zum Gegenstand haben darf. Zuvor müsste noch das Parlament mehrheitlich einem Referendum zustimmen.
In Griechenland sind Volksabstimmungen die Ausnahme. Das letzte Referendum liegt 37 Jahre zurück. 1974 stimmten die Griechen nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur für die Abschaffung der Monarchie. Bevor das Volk zur Urne gehen kann, bedarf es der Zustimmung des Parlaments; danach verkündet der Staatspräsident offiziell, dass eine Volksabstimmung stattfinden kann. In der Verfassung ist ein enger Rahmen für Volksabstimmungen abgesteckt.
Ein solches Referendum sei nicht im Interesse Griechenlands, sagte Ecofin-Chef Dijsselbloem. „Das wird Geld kosten, schafft große politische Unsicherheit und ich glaube, dass weder wir noch die Griechen die Zeit dafür haben.“ Damit sind wir bei einem weiteren Essential: die Gläubiger wollen ihre neoliberale Austeritätspolitik durchdrücken und zeigen offene Verachtung für die demokratische Mitgestaltung der griechischen Bevölkerung.
Diese Haltung stand auch schon am Anfang des „Hilfsprozesses“: Der damalige griechische Ministerpräsident Papandreou hatte im Mai 2010 die Mythologie des Landes beschworen, um seinen Landsleuten den Ernst der Lage zu erklären. Griechenland, so Papandreou, stehe am Beginn einer neuen „Odyssee“, die es aber bestehen werde: „Wir kennen den Weg nach Ithaka.“ Dieser Vergleich mit der Irrfahrt des Odysseus deutete schon damals auf nichts Gutes. Und in der griechischen Bevölkerung gab es reichlich Zweifel, ob der von der sozialdemokratischen Regierung eingeschlagene Kurs zielstrebig nach Ithaka führt und ob die bis dahin zu leistenden Anstrengungen und Opfer sozial gerecht verteilt waren.
Anfang September 2011 verkündet der Premier Papandreou dann die Phase des Titanenkampfes. Denn der griechische Premier wollte die Bevölkerung über die anstehende Austeritätspolitik der Troika abstimmen lassen. In einer Volksabstimmung sollte über den „EU-Rettungsplan“ und eine „Vertrauensabstimmung“ im Parlament befunden werden. „Wir vertrauen den Bürgern. Wir glauben an ihr Urteilsvermögen. Wir glauben an ihre Entscheidung“, erklärte Papandreou damals vor Abgeordneten seiner Partei.
In den Hauptstädten Europas wurde diese Entscheidung der griechischen Regierung mit Fassungslosigkeit quittiert. Mit einem Referendum werde das weithin gefeierte Rettungspaket wieder in Frage gestellt. Gedroht wurde damit, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) bereits die nächsten Kredite blockieren könnte. In der politischen Elite Europas und auf den Finanzmärkten macht das Wort von der „ungeordneten Insolvenz“ Griechenlands erneut die Runde. Demokratie hin oder her – das „Vertrauen“ der Finanzmärkte dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden, hieß es von Seiten der Gläubiger. Bekanntlich hat es keine Volksabstimmung geben, der Rücktritt der Regierung und die Wahlen führten zu einer Legitimation einer willfährigen Regierung.
Diese Austeritätspolitik ist im Januar 2015 abgewählt worden. Der Titanenkampf und die Odyssee nach Ithaka ist also noch nicht beendet. Zu hoffen bleibt, dass die Linksregierung dem wachsenden Druck des Verzichtes auf eine Volksabstimmung standhält. Dann wird sich zeigen, ob die Eliten der Eurozone den bekundeten Willen der griechischen Bevölkerung respektieren und den harten Konfrontationskurs verlassen, oder aber beim Festhalten des bisherigen Kurses noch gar nicht absehbare Zuspitzungen der Krise in Kauf nehmen. Hier ist die demokratische Öffentlichkeit europaweit gefragt Merkel und Co. von Letzterem abzuhalten.
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