Kommunen nicht hängen lassen: Flüchtlingsintegration (und regionale Strukturschwächen) bundesweit und solidarisch angehen!
Von Axel Troost
Bleibekultur kostet Geld. Bereits heute sind viele Kommunen kaum noch in der Lage die kommunale Daseinsfürsorge aufrecht zu erhalten, durch die Flüchtlinge zeigt sich diese Problematik nun deutlicher und dringlicher. Die Kommunen dürfen deshalb nicht im Regen stehen gelassen werden – weder mit länger vorhandenen Strukturschwächen noch mit zusätzlichem Bedarf für Flüchtlinge.
Je Bundesland wird die Übernahme von bzw. Unterstützungen bei den Kosten unterschiedlich gehandhabt. Bereits jetzt zwingen unzureichende Kostenpauschalen einiger Bundesländer die Kommunen in die Verschuldung. Jedoch ist selbst bei vollständiger Kostenübernahme auch der finanzielle Spielraum der Länder stark eingeengt durch das von ihnen selbst kaum beeinflussbare Steueraufkommen sowie die nahende Schuldenbremse. Vor allem ärmere Kommunen in strukturschwachen Bundesländern werden damit perspektivisch die kommunale Daseinsvorsorge nicht in gewohntem Umfang aufrechterhalten können. Schon um ärmere Bevölkerungsschichten nicht gegen Neuankömmlinge auszuspielen, muss deshalb eine solidarische Gesamt-Finanzierung durch den Bund sichergestellt werden.
Belastbare Zahlen für die Kosten der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen liegen nicht vor.[1] Insgesamt schätzt der Sachverständigenrat die Kosten für 2015 auf 5,9 bis 8,3 Mrd. Euro und für 2016 auf 9,0 bis 14,3 Mrd. Euro.[2] Eine deutlich höher liegende Prognose des Ifo-Institut über ganze 21 Mrd. Euro für 2015 bezieht sich nicht auf die im Kalenderjahr entstehenden Kosten, sondern auf die Kosten, die bei 1,1 Millionen Flüchtlinge über ein volles Jahr Anwesenheit in Deutschland entstehen (also bei den 2015 ankommenden Flüchtlingen teilweise auch im Jahr 2016 anfallenden Kosten).[3]
Für das Jahr 2015 einigte sich der Bund mit den Ländern im September auf eine Übernahme von Kosten in Höhe von 2 Mrd. Euro. Seit 24. Oktober 2015 überweist der Bund eine Kosten-Pauschale an die Länder von monatliche 670 Euro pro Flüchtling für den Zeitraum zwischen Erstregistrierung und Asylverfahrensabschluss. Kalkuliert wird mit einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit der Anträge von 5 Monaten[4] sowie 800.000 Asylanträgen bis Ende des Jahres.
Bereits jetzt fordern die Länder eine halbe Mrd. Euro mehr, da die Zahl der Flüchtlinge bis Ende des Jahres über eine Million übersteigen wird.[5] Von Seiten des Bundes wird jedoch seit September dieses Jahres keine neue Schätzung der Flüchtlingszahlen für 2015 veröffentlicht und auch für 2016 hält man sich bedeckt.
Für 2016 hat der Bund für die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen aktuell rund 8 Milliarden Euro veranschlagt. Diese untergliedern sich in 3,3 Mrd. Euro für zusätzliche Bundesausgaben wie Hartz-IV und 4,3 Mrd. Euro mit denen Länder und Kommunen unterstützt werden sollen. Zusätzlich hat der Bund ein jährliches Plus von 500 Mio. Euro für den sozialen Wohnungsbau in Aussicht gestellt.
Der Bund deckt die voraussichtlich entstehenden Flüchtlings-Kosten damit nur anteilig, die Hauptlast bleibt weiterhin an den Ländern bzw. den Kommunen hängen. Die Flüchtlingsfrage ist aber eine gesamtdeutsche Aufgabe, welche nicht von der Lage des Landes- und Kommunalhaushalts abhängen darf, sondern für welche der Bund in der Pflicht steht.
DIE LINKE fordert für 2016 ein Sofortprogramm des Bundes in Höhe von 25 Mrd. Euro um die Handlungsfähigkeit des Staates in seinen originären Aufgabenbereichen wieder herzustellen sowie soziale Dienstleistungen und öffentliche Infrastruktur auszubauen. Konkret geht es um:
- eine Soforthilfe an die Kommunen/Länder zur Erstversorgung der Flüchtlinge (10 Mrd. Euro),
- ein Bundessonderprogramm zu sozialem Wohnungsbau mit 500.000 Wohnungen in Mischnutzung für Menschen mit geringen Einkommen und Flüchtlinge (8 Mrd. Euro) und
- einen Ausbau arbeitsmarktpolitischer Qualifizierungs- und Integrationsproramme sowie ein Programm „Gute öffentlich geförderte Beschäftigung“ im Umfang von 200.000 Stellen; eine Gesundheitskarte für alle Asylsuchenden sowie Zugang zu sämtlichen Leistungen, die auch gesetzlich Krankenversicherten zustehen; kostenfreie und qualitativ hochwertige freiwillige Sprachkurse; Bundeszuschuss für Bildung (Schulen, Kitas); Ausbau sozialer Beratungsstellen und zusätzliches Personal und Fachleute in den öffentlichen Verwaltungen (7 Mrd. Euro).
Zur Finanzierung dieses Bundes-Sofortprogrammsist neben Verausgabung der Rücklagen kurzfristig auch eine – dank Nullzinsphase quasi kostenfreie – Kreditaufnahme der öffentlichen Hand nötig. Die Rückzahlung soll durch entsprechende Besteuerung hoher Unternehmensgewinne, Vermögen und Einkommen geschehen. Für 2016 soll folglich:
- der voraussichtliche Etatüberschuss von 6,1 Milliarden Euro verausgabt werden (statt ihn als Rücklage stillzulegen),
- der mögliche Verschuldungsspielraum von 10,2 Mrd. Euro ausgereizt und
- der Solidaritätszuschlag weitergeführt und seinen Einnahmen (2016 voraussichtlich 16 Mrd. Euro) für die aktuellen Herausforderungen umgewidmet werden.
[1] Friedemann Bieber (Zeit Online, 13. August 2015): Flüchtlinge – Was kostet es, wenn er kommt? pdf.zeit.de
[2] Sachverständigenrat: Jahresgutachten 2015/16 (S.16f) www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de
[3] CES Info (Pressemitteilung 11.11.2015): Präzisierung Flüchtlinge www.cesifo-group.de
[4] Bundesregierung (26.10.2015): Gesetzespaket in Kraft getreten – Effektivere Verfahren, frühere Integration www.bundesregierung.de
[5] RBB (9.12.2015): Mehr als eine Million Flüchtlinge – Finanzminister Görke fordert zusätz-liche Finanzhilfen www.rbb-online.de
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