Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Bundestagsrede von Axel Troost am 12.05.2016

13.05.2016 / 12.05.2016

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Seit Jahren wissen wir von massiven Defiziten im Steuervollzug. In der Finanzverwaltung fehlen laut den Bedarfsberechnungen der Länder bis zu 16 000 Beschäftigte. Durch Personalmangel und schlechte Ausstattung wird vielerorts nur schlecht oder zeitweise gar nicht geprüft. Vor allem Gutverdiener und gewinnstarke kleinere und mittlere Unternehmen haben dadurch gute Chancen, bei ihren Steuererklärungen zu tricksen und durch schlechte Kontrollen zu wenig Steuern zu zahlen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wahnsinn!)

Anscheinend nehmen gerade die reichen Bundesländer dies gerne in Kauf, um im Steuerwettbewerb mit anderen Bundesländern besonders attraktiv für Reiche und Unternehmen dazustehen.

(Margaret Horb (CDU/CSU): Eine Unterstellung!)

Das ist nicht nur unfair gegenüber denjenigen, die ehrlich ihre Steuern zahlen, sondern auch schlecht für das Gemeinwesen, weil Geld fehlt und die Steuermoral untergraben wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich weiß natürlich, dass in erster Linie die Länder für den Steuervollzug zuständig sind und nicht der Bund. Deswegen lassen sich die genannten Probleme auch nicht alleine durch ein Bundesgesetz beheben.

(Margaret Horb (CDU/CSU): Richtig!)

Wir müssen sie aber trotzdem zu einem zentralen Aspekt der Verhandlungen bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen machen.
Eine gute Lösung dabei bleiben wir wäre eine Bundessteuerverwaltung; ein guter erster Schritt wären aber schon einheitliche Standards bei der Personalausstattung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Bundesregierung in den Verhandlungen statt auf einen einheitlichen und gerechten Steuervollzug aber lieber auf mehr Kompetenzen beim Bau von Autobahnen setzt, dann zeigt das, was ihr wichtig und was ihr nicht so wichtig ist.

(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Das ist auch gut!)

Die Bundesregierung verfolgt mit diesem Gesetz das Ziel, die unzureichende Personalausstattung durch den verstärkten Einsatz von Computerprogrammen zu kompensieren.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Haben Sie noch nie etwas von der Modernisierung der Welt gehört? Mannomann!)

- Wir kommen schon noch dazu.

(Zuruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

- Hören die doch einmal zu! Sie verstehen doch gar nichts davon.

(Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Sie sind ein Rüpel!)

Das bisher geltende Prinzip der „Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ wird nun ergänzt um die Prinzipien der „Wirtschaftlichkeit“ und „Zweckmäßigkeit“.

(Margaret Horb (CDU/CSU): Das ist auch gut so!)

Dadurch wird der Vollzug der Steuergesetze noch stärker abhängig vom vorhandenen Personalbestand: Habe ich zu wenig Personal, kann ich nicht mehr eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung durchsetzen. Unter Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsaspekten nehme ich jetzt mehr Computer, habe aber keinerlei Gelegenheit mehr, das mit Personal entsprechend zu begleiten.

(Margaret Horb (CDU/CSU): Das ist falsch!)

Die Linke hält den Grundansatz des Gesetzentwurfes für verfehlt. Ein gleichmäßiger und gesetzmäßiger Steuervollzug ist nur durch den verstärkten Einsatz von Computertechnologie UND durch mehr Personal zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben heute also keinen guten, sondern einen schlechten Tag, weil mit diesem Gesetz nur der verstärkte Computereinsatz und die Unterausstattung des Personals in der Steuerverwaltung zementiert werden sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu kurz kommt auch die Kontrolle. Die Risikoparameter, die hier eingeführt werden, sind nicht einsehbar, sind sozusagen geheim. Wir als Gesetzgeber und die Öffentlichkeit können nicht beurteilen, wie gut und wie schnell Steuerfälle wirklich bearbeitet werden. Selbst bei der Festlegung von Mindeststandards bleibt der Bundestag außen vor. Deswegen glauben wir, dass ein Großteil des automatisch vollzogenen Steuervollzugs zu einer Blackbox wird, und das ist ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus unserer Sicht ein weiterer Grund, den Gesetzentwurf abzulehnen: Zukünftig soll bei verspätet abgegebenen Steuererklärungen ein verpflichtender Zuschlag erhoben werden; Herr Michelbach hat das angesprochen. Zum Glück hat es eine Absenkung um die Hälfte gegeben. Aber mit 25 Euro pro Monat ist der Säumniszuschlag immer noch viel zu hoch, da er vor allen Dingen Steuerpflichtige mit niedrigen und mittleren Einkommen treffen wird.

Aus diesen Gründen werden wir den Gesetzentwurf - wir haben uns das lange überlegt - komplett ablehnen. Es gibt sicherlich auch positive Aspekte, beispielsweise, dass sich der Bund stärker in die Modellierung der Steuererhebung einbringen kann. Aber letztlich ist der zunehmende Computereinsatz OHNE Personaleinsatz nicht zielführend und wird dazu führen, dass es um die Steuergerechtigkeit in unserem Land noch schlechter steht und der Steuervollzug nicht verbessert wird. Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Rede können Sie auch auf www.bundestag.de nachsehen