Bundesregierung verfehlt ihre eigenen Zielvorgaben
Bundestagsrede von Axel Troost am 06.09.2016
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Brinkhaus, lieber Ralph, ich möchte vom Rednerpult aus noch einmal sagen, dass ich deine doch sehr unqualifizierten Äußerungen zu Gesine Lötzsch wirklich zurückweisen muss. Das ist unter deinem Niveau. Das sollten wir uns hier im Bundestag wirklich nicht leisten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Bundesfinanzminister hat in seiner Einbringungsrede auch einiges zur Frage der innerdeutschen Bund-Länder-Finanzbeziehungen gesagt. Ich möchte darauf intensiver eingehen. Zur Erinnerung: Die gegenwärtigen Regelungen des Länderfinanzausgleichs laufen 2019 aus. Deswegen hat die Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, bis zur Mitte der Legislatur eine Neuregelung vorzuschlagen. Jetzt sind drei Viertel der Legislatur herum; aber es ist überhaupt noch nichts in Sicht, alles dümpelt so vor sich hin.
Im Dezember letzten Jahres haben sich alle 16 Bundesländer auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt. Ostländer und Westländer, finanzstarke und finanzschwache, hochverschuldete und weniger verschuldete Länder, Stadtstaaten und Flächenländer haben sich auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt, zu dem sie heute noch stehen. Der Bund hat es geschafft, die Verhandlungen nach einem Dreivierteljahr entweder ganz zu stoppen oder eben mit unqualifizierten – dazu sage ich gleich etwas – und zusätzlichen Bedingungen zu erschweren oder unmöglich zu machen. Vier Punkte sind dabei zentral:
Erstens. In der Tat ist es so, dass die Länder nach dem Ländervorschlag zusätzlich zu den vom Bund vorgesehenen 8,5 Milliarden Euro 1,4 Milliarden Euro mehr bekommen sollen. Das hört sich jetzt viel an, ist es aber nicht, wenn man berücksichtigt, was im Wahlkampf bereits wieder an Steuersenkungen versprochen wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt wird es aber interessant. Minister Schäuble hat am Schluss in Bezug auf den Länderfinanzausgleich von der Ordnungspolitik geredet. Ich nenne jetzt drei Punkte, die in die Ordnungspolitik fallen: Erstens. Dem Bund schwebt vor, den Stabilitätsrat so weiterzuentwickeln, dass er quasi eine Troika für Bundesländer wird, sodass man letztlich Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen und bestimmte Maßnahmen erzwingen kann.
(Zuruf von der LINKEN: Zentralisieren!)
Zweitens. Da das vielleicht immer noch nicht reicht, will man den Ländern die Kompetenz geben, bei Leistungsgesetzen für Behinderte, Kinder und Jugendliche eigenständig Leistungsabsenkungen zu beschließen,
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist eine Sauerei!)
so nach dem Motto: Wenn nicht genug Geld da ist, dann beschließt doch bitte in Bremen oder einem ostdeutschen Land geringere Sozialausgaben.
Drittens. Völlig unabhängig vom Länderfinanzausgleich will man durchsetzen, dass es eine Bundesfernstraßen AG beim Bund gibt. Man will die Länder dazu zwingen, eine Grundgesetzänderung durchzuführen und alles auf den Bund zu verlagern,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nicht alles!)
damit man anschließend Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen über Ausschreibungen privatisieren kann.
(Zuruf von der LINKEN: Unmöglich!)
Das alles ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann nur hoffen, dass die Bundesländer da nicht einknicken, sondern bei ihrer Position bleiben. Diese Art von Ordnungspolitik hat mit Finanzausgleich überhaupt nichts zu tun.
Bisher gibt es auch noch gar keinen Termin. Man wartet erst einmal die Wahlen in Berlin ab. Die gebildete Arbeitsgruppe wird dann einen Termin vorschlagen. Der Bundesfinanzminister war überzeugt, man werde schnell eine Lösung finden. Aber die Lösung kann nur heißen: Entweder er gibt nach, oder die Bundesländer lassen sich über den Tisch ziehen.
Während auf der einen Seite gesagt wird, 1,6 Milliarden Euro zusätzlich im Rahmen des Länderfinanzausgleichs seien nicht drin – das haben wir hier mehrfach gehört –, redet man auf der anderen Seite schon wieder von Steuersenkungen, die vorgenommen werden sollen. Erst einmal ist wichtig: Wir reden von einer Senkung der Einkommensteuer.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist für Sie eine Provokation, oder?)
Das ist nun einmal logischerweise eine Gemeinschaftssteuer. Über 50 Prozent des gesamten Aufkommens fließen gar nicht dem Bund zu, sondern den Ländern und Kommunen. Beim Bund mögen die Steuereinnahmen ja so sprudeln; für eine große Zahl der Länder und insbesondere der Kommunen sieht das aber ganz anders aus. Insofern ist unsere klare Position: Wir sind ebenfalls für Steuersenkungen im unteren und mittleren Einkommensbereich. Das Ganze muss aber aufkommensneutral, das heißt so gestaltet sein, dass wir am Schluss genauso viele Mittel haben. Das, was wir im unteren Einkommensbereich an Steuersenkungen hinbekommen, zum Beispiel durch eine deutliche Ausweitung des Grundfreibetrages, muss im oberen Einkommensbereich über Steuererhöhungen wieder hereinkommen. Dann ist das eine vernünftige Reform.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich kann nur sagen: Sehen Sie sich unser Einkommensteuerkonzept an. Danach würden alle, die unter 6 000 Euro im Monat verdienen, davon profitieren, und alle, die deutlich mehr verdienen, entsprechend mehr bezahlen, und das Ganze eben aufkommensneutral. Ich glaube, das ist, insgesamt gesehen, wichtig.
Hier ist gesagt worden, was alles den Kommunen bzw. den Ländern in den letzten 3 Jahren zur Verfügung gestellt wurde. Es ist aber nicht erwähnt worden, welche zusätzlichen Finanzanforderungen in diesen Gebietskörperschaften entstanden sind. Da gibt es keine Überschüsse. Auch sogenannte reiche Länder wie BadenWürttemberg wissen gar nicht, wie sie die Einlaufkurve bezüglich der Schuldenbremse im Jahr 2019 hinbekommen sollen. Insofern brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Steuereinnahmen – nicht nur bei der Einkommensteuer, sondern eben auch bei der Erbschaftsteuer, der Vermögensteuer und der Finanztransaktionsteuer. Dafür müssen wir uns einsetzen; wir dürfen nicht alles nur gesundreden.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
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