Alle für einen - einer für alle
Axel Troost plädiert für einen Politikwechsel in Europa - auch, um in der internationalen Politik mitreden zu können
Mit der neuen Politik des US-Präsidenten Donald Trump, dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union und den Aufwärtstendenzen bei vielen rechtspopulistischen Parteien in der EU wird die überlieferte Politik herausgefordert. Die bisherige Nachkriegsordnung verliert ihre Konturen. Auch Europa kann nicht so weitermachen wie in den vergangenen Jahren. Es kann in der Welt des 21. Jahrhunderts nur als geeinter Kontinent mitreden und mitbestimmen.
Eine solche Erneuerung fordert auch der neue Außenminister Sigmar Gabriel (SPD): »Wir sind zurzeit nicht stark genug. Die historische Herausforderung ist, ein neues, ein stärkeres Europa zu schaffen. Sonst werden wir weder von Herrn Trump und Herrn Putin ernst genommen noch von China. Und auch Frau Le Pens Propaganda lebt von der Schwäche Europas.« Was aber heißt diese Erneuerung Europas? Und mit wem will die Sozialdemokratie diesen Politikwechsel durchsetzen?
Gabriel fordert ein »neues, besseres und stärkeres Europa«. Er deutet eine politische Veränderung an, die sich vor allem an den bisherigen Koalitionspartner CDU/CSU richtet: »Wir müssen einander in Europa wieder besser zuhören und solidarischer miteinander umgehen.« Und an die Adresse Wolfgang Schäubles (CDU) stellt er fest: »Nicht ganz wenige empfinden Deutschland als Lehrmeister, der selbst bei Kleinigkeiten nicht nachgibt, aber selbst Solidarität einfordert, wenn es um eigene Interessen geht.« Gabriel kritisiert die Position der EU-Institutionen gegenüber Athen: »Zu verlangen, dass Griechenland über einen Zeitraum von zehn Jahren einen jährlichen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent generieren müsse, ist Voodoo-Ökonomie.«
Aber trotz dieser Ankündigungen rückt der Vizekanzler eine reformierte Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Eurozone doch auf die hinteren Plätze der SPD-Agenda. Vorrangig soll es um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gehen. Gabriels These: »Wir haben zu lange geglaubt, dass unsere Art zu leben am besten von den Amerikanern verteidigt wird und man ansonsten mit den zweifelhaften Händeln in dieser Welt nichts zu tun haben will.« Aber mit einer massiven Aufrüstung im Rahmen eines wiederbelebten Militärbündnis NATO wird man die aktuelle Weltunordnung nicht überwinden können. Und für einen Kurs der Militarisierung in Europa wird es auch keine Partner bei Grünen und Linkspartei geben.
Die SPD will mit einem Wahlkampf für soziale Gerechtigkeit und klarer Kante gegen Rechtspopulisten das Kanzleramt erobern. Im Rahmen dieser Zielsetzung kann es auch für Europa kein »Weiter so« geben. Die SPD-Bundestagsfraktion stellt fest: »Das soziale Europa ist unsere Antwort auf wachsende Ungleichheit und immer stärker werdenden Nationalismus in der EU. (…) Kurzum: Erforderlich ist ein sozialpolitischer Kurswechsel, um das Vertrauen der Menschen in die europäische Idee zurückzugewinnen.« Aus meiner Sicht sind dies Ansätze für ein Umdenken es bedarf aber weiterer Konkretisierungen. Ich folge daher Gesine Schwan (SPD): »Auf der Basis einer selbstkritischen Bewertung ihrer Vergangenheit muss die SPD glaubwürdig für eine Politikwende in Europa eintreten und einen Neuanfang gegen Schäubles und Merkels rigide Sparpolitik, die Europa entzweit und entsolidarisiert hat, ausbuchstabieren - in Bezug vor allem auf die Umsetzung öffentlicher Investitionen in Bildung, öffentliche Verwaltung und Infrastruktur.«
Um EU und Euro zu reformieren, bedarf es eines Politikwechsels vor allem in Deutschland. Durch die Einführung von Reformen, wie der alternativen Wirtschaftspolitik, der Ausgleichsunion, der gemeinsamen Schulden(aufnahme)politik, der Schritte auf dem Wege zu einer europäischen Sozialunion sowie einer demokratisch gewählten und kontrollierten Europäischen Wirtschaftsregierung lassen sich die EU und der Euro wirkungsvoll in Richtung eines solidarischen Europas transformieren. Die Alternative zur Konsolidierung läuft darauf hinaus, über eine Erhöhung der Steuern für höhere Einkommen, Vermögenserträge und angesammelte große Vermögen öffentliche Güter und Dienste, die vom privatkapitalistischen Sektor nicht ausreichend bereitgestellt werden - Dinge wie die Verbesserung der sozialen Sicherheit, Bildung, Gesundheitsvorsorge und öffentlichen Infrastrukturen - zu finanzieren. Es gibt eine Alternative zu der neoliberalen Europapolitik. Ein Politikwechsel in diese Richtung wird nur möglich, wenn dafür auch ein politisches Bündnis entwickelt wird.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen als Gastbeitrag in Neues Deutschland vom 01.03.2017
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