Wer trägt die langfristigen Kosten der Covid-19-Wirtschaftskrise
Solidarischer Lastenausgleichsfonds mit einer Vermögensabgabe
Die aktuelle Finanzpolitik hat sich zumindest am Anfang der Corona-Krise als handlungsfähig erwiesen. Unter dem gigantischen Druck der unmittelbaren Folgen der Covid-19-Wirtschaftskrise sind Maßnahmen jenseits des elenden Streits über die Frage mehr Markt/weniger Staat und Relevanz der Schuldenbremse durch den Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Bereitgestellt wird gegen den Absturz der infizierten Wirtschaft ein Nachtragshaushalt mit über 156 Mrd. Euro für das laufende Jahr. Absehbare Steuerverluste werden nicht durch Ausgabenkürzungen ausgeglichen, sondern durch den Nachtragshaushalt über die Aufnahme öffentlicher Kredite finanziert. Hinzukommen zusätzliche Ausgaben für Krisenkosten, die den ursprünglichen Sollwert 2020 im Bundeshaushalt um ein Drittel auf den Spitzenwert von 484,5 Mrd. Euro anheben. Staatsschuldenphobie war gestern. Dieser Nachtragshaushalt wird ausschließlich über öffentliche Kredite finanziert. Dabei bleibt es jedoch nicht. Milliardenschwere Schutzschilder werden zu recht durch den Bund und auch die Länder mit den folgenden Schwerpunkten eingerichtet: Verbesserung der Gesundheitsversorgung, Familienunterstützung, Hilfe für kleine Unternehmen, Selbständige und Freiberufler, Schutz für größere Unternehmen der Realwirtschaft mit 600 Mrd. Euro im „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“, steuerliche Hilfen für Unternehmen, generelles Kurzarbeitergeld sowie Miethilfen. Sollte es erforderlich sein, sattelt der Bundesfinanzminister noch ein eigenes Konjunkturprogramm drauf. Die Bundesregierung schätzt derzeit das Finanzvolumen für die beschlossenen Hilfsaktivitäten und Konjunkturprogramme auf 1 200 Mrd. Euro. Das wird bei weitem nicht reichen.
Staatliche Kreditfinanzierung in der aktuellen Wirtschaftskrise alternativlos
Die Frage, wer am Ende die Rechnung bezahlt, birgt neue Sprengkraft. Die Sorge, dass die Superreichen an der Spitze der Vermögenspyramide mal wieder geschont werden, ist groß. Dem muss ein Corona-Sozialvertrag entgegengesetzt werden. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Absicherung der sozial und ökonomisch besonders Betroffenen. Allerdings sind Mitnahmeeffekte etwa großer, kapitalstarker Unternehmen auszuschließen. Einzelhandelsketten wie Adidas, H&M sowie Media/Saturn stehen ausgesetzte Mietzahlungen wegen ihrer Kapitalstärke nicht zu.
Wer aber bezahlt nach der Rückkehr zur Normalität die Rechnung für die massiv angestiegenen Staatsschulden? Zur Abschätzung des Gesamtvolumens sowie zur Verteilung der Finanzlasten wird eine schrittweise Vorgehensweise vorgeschlagen:
In der derzeitigen Phase der tiefen Rezession ist die staatliche Kreditaufnahme zur Finanzierung des aktuellen Nachtragshaushalts und eines dringend erforderlichen Konjunkturprogramms mit ökologischen Investitionsschwerpunkten alternativlos. Dafür sprechen auch die Niedrigzinsen und der ausbleibende Inflationsschub. Allerdings wird nur ein Teil der durch die aufgelaufenen Staatsschulden im nachfolgenden Aufschwung wieder getilgt werden können. Noch ist der Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung über die Krise hinweg nicht erkennbar. Alles hängt von der Länge der Infektionsphase und dem davon abhängigen Verlauf des Bruttoinlandsproduktes ab. Kommt es zum starken Abschwung und zum nachfolgenden Boom des Bruttoinlandsprodukts (V-Verlauf) oder halten die massiven Produktionsverluste mehrere Monate an (U-Verlauf)? Am Ende ist zwar innerhalb einer Bandbreite mit hohen konjunkturunabhängigen, strukturellen Defiziten zu rechnen. Die Finanzierung dieser Langfristlasten muss wegen des bereits ausgebrochenen Streites über die sozial angemessene Lastverteilung schnell geklärt werden. Die Gefahr ist groß, dass dieser Überhang an strukturellen Staatsschulden wie in früheren Jahren unter dem Druck der „schwarzen Null“ durch eine Austeritätspolitik mit Kürzungen in den Sozialhaushalten bzw. der Erhöhung von Massensteuern abgebaut werden wird. Die von der aktuellen Krise sozial Belasteten wären dadurch auch noch über Jahrzehnte belastet. Diese in der Schuldenbremse angelegte Option muss ausgeschlossen werden. Denn nur eine glaubhafte Garantie sozialer Gerechtigkeit stärkt das politische Vertrauen in diesen schwierigen Zeiten und damit auch die Akzeptanz temporärer Einschränkungen des Lebens sowie die unterschiedlich verteilten Einkommensverluste. Auch dürfen angesichts der Klimakatastrophe die Investitionen in den ökologischen Umbau nicht geopfert werden. Dabei hat die Bundesregierung mit ihrem Nachtragshaushalt über 156 Mrd. € für dieses Jahr bereits in punkto Tilgung die Weichen falsch gestellt. 100 Mrd. €, die als nicht schuldenregelkonform erklärt wurden, sollen ab 2023 binnen 20 Jahren abgebaut werden. Zumindest sollte zur Vermeidung einer erneuten Einsparrunde die Tilgungsfrist auf 50 Jahre ausgeweitet werden.
Wer finanziert die längerfristigen staatlichen Kosten der Corona-Katastrophe?
Der Druck, eine akzeptable Lösung zur Finanzierung der Gelder für die Schutzschirme zu finden, ist groß. Im Mittelpunkt stehen die am Ende auf weit über eine Billion € aufgelaufenen Schulden des Bundes, der Länder und der Kommunen. Erinnerungen an frühere Notlagen werden wach. Der Historiker Heinrich August Winkler sowie Andreas Bovenschulte, Regierungschef im Stadtstaat Bremen, haben unlängst die aktuelle Wucht der Herausforderung mit der Bewältigung der Lasten am Ende des zweiten Weltkriegs verglichen. Im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes von 1952 wurde ein auf dreißig Jahre angelegter Ausgleichsfonds eingerichtet: Einnahmen aus einer einmaligen Abgabe auf das Vermögen zugunsten der Finanzierung der Ausgaben für Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten sowie für den Wiederaufbau der zerstörten Wirtschaft wurden umverteilt. Die wichtigste Finanzierungsquelle war eine einmalige Vermögensabgabe, die allerdings durch die Verteilung über 30 Jahre pro Jahr bei 1,67% lag und angemessen aufgebracht werden konnte. Wenn auch die Dimension gegenüber dem Lastenausgleichsfonds von 1952 geringer ausfällt, lohnt sich auch die Erinnerung an den „Fonds Deutsche Einheit“. Für die Jahre 1990 bis 1994 wurden die erforderlichen Kredite zur Finanzierung der Wiedervereinigung in diesem Fonds mit einem Planvolumen von 115 Mrd. DM zusammengefasst. Der durch den Bund, die Länder und die Kommunen mitfinanzierte Fonds konnte nach der Übernahme eines Restbetrags durch den Bund bereits 2019 geschlossen werden. Die zuerst wechselhafte Phase des Solidaritätszuschlags, der erst ab 1995 verstetigt wurde, hat durchaus dem Staat die Finanzierung dieser Fondsmittel erleichtert.
Einmalige Vermögensabgabe für den „Solidarischen Corona-Fonds“
Ein Lastenausgleichsfonds, wie ihn der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte mit Blick auf das Nachkriegs-Lastenausgleichsgesetz von 1952 vorschlägt, weist finanzstrategisch und verteilungspolitisch in die richtige Richtung. Es geht darum, die durch die infizierte Wirtschaft aufgelaufenen Kredite des Bundes, der Länder und der Kommunen in einem bundesweit gemanagten Sondervermögen zusammenzufassen. Hinter den gebündelten Krediten steht die dringend notwendige Finanzierung der medizinischen, sozialen und ökonomischen Schutzschilder. Der künftige Nutzen liegt in den staatlich aufgefangenen Schadensfolgen. Darüber hinaus wird die Basis für die spätere Normalisierung der Wirtschaft stabilisiert. Vergleichbar mit dem Lastenausgleichsgesetz von 1952 sollte der Corona-Solidarfonds auf mindestens 30 Jahre angelegt werden. Zur Finanzierung des aufzubringenden Kapitaldienstes werden derzeit zwei Abgaben diskutiert: eine einmalige Vermögensabgabe und ein neu aufgelegter Solidaritätszuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld. Auch wegen der strittigen Erfahrungen mit dem bisherigen Soli wird eine einmalige Vermögensabgabe allerdings mit einer zeitlich gestreckten Aufbringung präferiert. Beim Lastenausgleichsgesetz von 1952 lag die Abgabe auf das erfasste Vermögen bei 50%. Im Sinne der Gleichbehandlung wird die Vermögensabgabe ohne Unterschiede auf das Realvermögen (also auch auf Immobilien) und das Geldvermögen erhoben. Wichtigste Zielgruppe dieser Abgabe sind die privaten Haushalte in der Spitzengruppe der Reichen. Grobschlächtig vergleichbare Vorschläge haben Saskia Esken (SPD) und Bernd Riexinger (DIE LINKE) unterbreitet. Dabei wird die Bezahlung der ermittelten Vermögensabgabe wie beim Lastenausgleichsgesetz von 1952 über mehrere Jahre verteilt. Diese einmalige, auf mehrere Jahre verteilte Vermögensabgabe unterscheidet sich von der regelmäßig jährlich zu erhebenden Vermögensteuer. Die Einnahmen aus der der Not geschuldeten Vermögensabgabe fließt dem Bund zu, der jedoch den Corona-Solidarfonds für alle, durch die Corona-Krise ausgelösten Zusatzkredite auch bei den Ländern und Kommunen öffnet. Die einmalige Vermögensabgabe dient allerdings nur Finanzierung der außerordentlichen Kreditbedarfe infolge der Corona-Pandemie. Die Abschottung des Fonds gegenüber der normalen Finanzpolitik ist gewollt- Damit bleiben die dringlichen finanzpolitischen Themen vor der Corona-Wirtschaftskrise auf der Tagesordnung: Die Finanzierung der öffentlichen Investitionen erfolgt nach der „goldenen Regel“ über die Kreditaufnahme, die sozial gerechte Umverteilung der Steuerlast wird forciert und ökologische Umbauinstrumente wie die CO2-Abgabe werden eingesetzt
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