Glückwünsche an Horst Schmitthenner!

05.07.2021 / Axel Troost

Am 4. Juli 2021 ist Horst 80 Jahre alt geworden. Hierzu hat er eine persönlich gehaltene Festschrift mit über 125 Kurzbeiträgen erhalten. Anbei mein kurzer Text zur Staatsverschuldung, der Schuldenbremse und dem Europäischen Fiskalpakt.

_______________________

Ich habe im Jahr 1981 die Geschäftsführung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik übernommen und hatte in dieser Funktion die Verantwortung für die MEMORANDEN der Jahre 1982 bis heute. Seit diesem Jahr waren „die Schmitthenners“ eine feste Bank auf der UnterstützerInnen-Liste. Auch nach dem plötzlichen Tod von Christa bist Du es weiterhin. Wir danken dir als Memorandumgruppe und ich ganz persönlich für deine unermüdliche Unterstützung. Und da aus unserer Sicht der künftig anstehende Umgang mit der Staatsverschuldung, der Schuldenbremse und dem Europäischen Fiskalpakt, eine ganz zentrale Rolle spielen wird, kommt hier noch ein kurzer inhaltlicher Text.

Kein Grund zur Schuldenpanik

Der Bund hat im Jahr 2020 etwa 220 Mrd. Euro neue Schulden aufzunehmen. Durch die Corona-Krise sind die Staatsausgaben sprunghaft angestiegen und die Einnahmen eingebrochen. Müssen bald drastische Einschnitte her, um eine Schuldenkrise abzuwenden?

Nüchtern betrachtet ist der deutsche Staat von einer Schuldenkrise weit entfernt. Seit Jahren kann er sich zu Niedrigst- oder sogar negativen Zinsen verschulden. Noch im Jahr 2008 wandte er 68 Mrd. Euro für Zinsen auf. Im Jahr 2019 waren es gerade einmal 29 Mrd. Euro, Tendenz weiter fallend. Ein Ende der Niedrigzinsphase ist nicht in Sicht und selbst dann würde die Zinslast nur sehr langsam wieder steigen. Nach Berechnungen der Bundesbank haben die Niedrigzinsen dem deutschen Staat seit dem Jahr 2007 eine kumulierte Zinsersparnis von über 400 Mrd. Euro gebracht. Zusammen mit der relativ guten Konjunktur ist so der Schuldenstand in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. 220 Mrd. Euro einmalige Neuverschuldung erscheinen vor diesem Hintergrund verkraftbar. Sicherlich hätte ohne Krise mit diesem Geld viel anderes finanziert werden können. Es besteht aber kein Grund, nun alle möglichen staatlichen Leistungen zusammenzustreichen.

Aus ökonomischer Sicht besteht auch keine Notwendigkeit, die Coronabedingten Schulden möglichst schnell wieder zu tilgen. Es reicht, die Schuldtitel am Ende ihrer Fälligkeit durch neue Titel abzulösen. Schulden müssen immer in Relation zur Wirtschaftskraft gesehen werden. 42 Deswegen ist auch die absolute Schuldenhöhe weniger interessant als die Schuldenquote, d.h. der Schuldenbestand in Bezug zur jährlichen Wertschöpfung (BIP). Liegt die „nominale“ Wachstumsrate (d.h. einschl. Inflation) auf lange Sicht über dem Zins – was angesichts niedriger Zinsen bei nicht besonders hohen Wachstumsraten erfüllt ist – kann der Staat nach der Krise ohne Tilgung aus den Schulden herauswachsen. Unter moderaten Annahmen kann sich der deutsche Staat durch den Wachstumseffekt sogar eine regelmäßige jährliche Neuverschuldung von über 50 Mrd. Euro leisten, ohne dass die Schuldenquote steigt – weit mehr, als die deutsche Schuldenbremse vorsieht.

Laut Beschlüssen der Großen Koalition sollen auf der Bundesebene in den nächsten 20 Jahren die Corona-bedingte Schulden getilgt werden. Die Pflicht zur Tilgung hat sie sich mitsamt der Schuldenbremse vor einigen Jahren ins Grundgesetz geschrieben – gegen den Rat auch konservativer Ökonomen. Sinnvoller wäre es, den Betrag über einen viel längeren Zeitraum von 50 Jahren zu strecken (so beschlossen im Bundesland NRW), wenn es denn unbedingt eine Tilgung geben muss. Dann sollten die Mittel dazu auch nicht durch Ausgabenkürzungen herausgespart werden, sondern durch das Heranziehen hoher Vermögen erfolgen.

Im internationalen Vergleich ist die deutsche Schuldenquote nicht außergewöhnlich hoch, auch wenn sie jetzt auf bis zu 80 Prozent des BIP steigen könnte. In Japan beträgt sie derzeit etwa 240 Prozent des BIP, also etwa das Dreifache. Trotzdem ist das Land weit von einer Schuldenkrise entfernt. Denn die japanische Zentralbank kauft die japanischen Staatsschulden einfach auf. Selbst wenn der japanische Staat darauf nennenswerte Zinsen zahlen müsste (auch in Japan sind die Zinsen aktuell extrem niedrig), kämen diese als Zentralbankgewinne wieder an den japanischen Staat zurück. Seit der Finanzkrise sind die wichtigsten Zentralbanken der Welt mit Anleihenkäufen diesem Beispiel gefolgt. Auch die Europäische Zentralbank hat diverse Ankaufprogramme aufgelegt. Zur vielbeschworenen Inflation ist es nicht gekommen – im Gegenteil. Seit Jahren liegt die Inflationsrate unter dem Ziel von 2 Prozent. Inflation kann nur entstehen, wenn es zu viel Nachfrage auf den allgemeinen Güter- und Dienstleistungsmärkten gibt. Das Geld der EZBAufkaufprogramme landet aber in keinem Euro-Land im privaten Konsum oder in hohen Unternehmensinvestitionen. Es fließt teilweise in kreditfinanzierte Immobilienkäufe und auf den Aktienmärkten. ÖkonomInnen nennen dies „Vermögenspreisinflation“. Mit „Inflation“, d.h. der Preissteigerungsrate für die privaten Haushalte, in deren monatliche Ermittlung natürlich auch steigende Mietkosten einbezogen werden, hat dies aber auch künftig wenig zu tun.