Thomas Händel: Nächster Wahlbetrug in Vorbereitung
Das neue SPD-Regierungsprogramm lässt aufhorchen. Man glaubt kaum, was einem auf den ersten Blick ins Auge fällt: Gesetzlicher Mindestlohn, höhere Steuern für Reiche, Begrenzung von Managergehältern, mehr Mitbestimmung, gute Arbeit, staatliche Hilfen für Not leidende Unternehmen, eine Börsenumsatzsteuer usw. – das will die SPD in der nächsten Legislatur durchsetzen. Schön! Ist dieses Programm etwa ein Signal für die Resozialdemokratisierung der SPD, gar ein Programm für eine künftige rot-rot-grüne Regierung? Mitnichten, denn die SPD will erklärtermaßen eine Koalition mit den Grünen und der FDP.
Die FDP lehnt höhere Steuern für Reiche ab, sie will die Managergehälter nicht begrenzen, die Mitbestimmung ist ihr ein Dorn im Auge und den Mindestlohn hält sie für Teufelszeug. Keine der Forderungen der SPD wird sie mit der FDP umsetzen können. Das gilt auch für den Fall, dass die Große Koalition fortgeführt wird. CDU und CSU haben sich bisher gegen den gesetzlichen Mindestlohn und höhere Steuern für Reiche gesperrt. Warum sollte sich das nach der Bundestagswahl ändern? Dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Der Kabarettist Volker Pispers sagte kürzlich: »Die SPD will eins ums Verrecken nicht: ihr eigenes Programm umsetzen müssen. Denn dies ginge nur mit den LINKEN.«
Müntefering und Co. bereiten also offensichtlich den nächsten Wahlbetrug vor, wenn sie vorgeben, linke Forderungen mit marktradikalen Steuersenkern umsetzen zu können oder an eine Fortsetzung der Großen Koalition mit anderem Inhalt glauben. Kann man also von der SPD tatsächlich eine sozialere Politik erwarten? Hier sind starke Zweifel nicht nur erlaubt, sondern dringend von Nöten. Noch in jüngster Vergangenheit hat sie Initiativen der LINKEN für den gesetzlichen Mindestlohn, für gerechte Steuern, für ein höheres Arbeitslosengeld II, für einen Schutzschirm für die Menschen, für mehr Mitbestimmung der Beschäftigten und anderes mehr im Deutschen Bundestag abgelehnt. Ihren sozialen Worten lässt die SPD seit Schröder regelmäßig unsoziale Taten folgen. Schönschreibende Wohlklänge bestimmen das Programm mit plagiatorischen Bekundungen von »Guter Arbeit« und Vollbeschäftigung.
Auf den zweiten Blick wird die Fortsetzung der unsozialen Politik überdeutlich. Die Hartz-Gesetze sind die ureigenste SPD-Kreation. Hartz IV war nicht nur die möglichst kostengünstige Alimentierung des ökonomisch nicht mehr benötigten Teils der Bevölkerung, sondern auch der bewusste Angriff auf die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften. Die Angst vor dem sozialen Absturz nach Arbeitsplatzverlust ist in den Betrieben extrem gestiegen. Seit den Hartz-Gesetzen werden Arbeitslose gegängelt, bespitzelt und zur Annahme menschenunwürdiger Arbeit gezwungen. Kein Wort der Abkehr davon in ihrem Regierungsprogramm. Mit der Agenda 2010 wurde schlechter Arbeit der Weg geebnet. Sie wird nicht in Frage gestellt. Leiharbeit, befristete Beschäftigungen, Teilzeitjobs, Scheinselbstständigkeit und Minijobs wurden seitdem für Millionen Menschen zur traurigen Wirklichkeit. Das will die SPD nun mit Kombilöhnen zu Lasten der Allgemeinheit kaschieren.
Kein Wort zu einer dringend notwendigen produktivitätsorientierten Lohnpolitik oder gar zur überfälligen Stärkung der Binnenkonjunktur. Mit dem rapiden Anwachsen prekärer Arbeit nahm die Zahl der sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätze stark ab – mit katastrophalen Folgen für die sozialen Sicherungssysteme. Aber an der Rente ab 67 Jahren hält die SPD fest und damit an Rentenkürzungen für Millionen Menschen.
Den Gewerkschaften hat die SPD wenig bis nichts zu bieten. Zur dringenden Verpflichtung von Aufsichtsräten und Vorständen auf Beschäftigungs- und Standortsicherung, der Verwirklichung und Ausweitung einer echten paritätischen Mitbestimmung und besserer Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte z. B bei Verlagerung als mindeste Reaktion auf die Erfahrungen der letzten Jahre findet sich nichts im Programm. Stattdessen müssen sich die Gewerkschaften nach diesem Programm wohl mit einem neuen »Arbeitsgesetzbuch« herumschlagen, das im Auftrag der Bundesregierung von der Bertelsmann-Stifung (sic!) geschrieben wird. Die ersten Ergebnisse lassen die umfassende Demontage des Arbeitsrechts erwarten. Aber das ficht die SPD nicht an.
Unter Führung der SPD wurden Steuern von Großunternehmen und Großverdienern stark gesenkt. Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen und kleinere Unternehmen wurden kaum entlastet. Steuern für Reiche ein bisschen zu erhöhen, ist nur der kleinste Teil dessen, was für ein gerechteres Steuersystem notwendig wäre. Die Deregulierung der Finanzmärkte, die Zulassung von Hedgefonds, die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen, Derivatehandel im Immobiliengeschäft und vieles andere stammen aus der Zeit von Rosa-Grün. Dazu fällt den Autoren des Programms gerade mal das unverbindlichste aller Versprechen ein: »Neue Regeln durchsetzen«. Geradezu vorsätzliche Wählerveralberung ist es aber zu behaupten, hier seien »... nach vielen Jahren Anstrengung – Fortschritte im internationalen Rahmen« gemacht worden. Die SPD kämpft gleichzeitig heftig für den Lissabon-Vertrag. Danach sollen künftig »... alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten« sein – angesichts der Finanzkrise ein purer Anachronismus.
Auch der aktuellste ökonomische grobe Unfug fehlt nicht: die Schuldenbremse soll ins Grundgesetz! Diese Schuldenbremse – analog auf private Haushalte mit z. B. einem Jahreseinkommen von 50 000 Euro angewandt – würde künftig jedes Jahr nur noch einen Kredit in Höhe von 175 Euro zulassen. Wie der Staat besonders in der jetzigen schweren Wirtschaftskrise handlungsfähig bleiben soll – darauf hat die SPD keinerlei Antwort.
Fazit: Eine Umkehr, der tatsächliche Wille zu einer anderen Politik ist rundherum nicht erkennbar. Aber DIE LINKE wird so »unfair« (Müntefering) sein und sie nach der Wahl an ihre Wahlversprecher erinnern.
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