Empörung über Koch
"(...) niederwertige Arbeit für Hartz-IV-Empfänger."
Der Vorstoß des hessischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Roland Koch für die Einführung einer »Arbeitspflicht« für Hartz-IV-Empfänger hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Auch seine Parteifreundin, Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, ging auf Distanz. Die Probleme der Langzeiterwerbslosen »lösen wir nicht, indem wir sie beschimpfen, sondern gezielt helfen«, betonte die Politikerin am Sonntag in Berlin.
Es gebe zwar einige »schwarze Schafe«, aber die große Mehrheit der Betroffenen wolle raus aus »Hartz IV«, könne aber nicht arbeiten, »weil sie keine Kinderbetreuung finden, keine Schulbildung haben oder keinen Beruf«. DGB-Chef Michael Sommer sagte der Welt am Sonntag, es sei »unanständig, mit diesem Vorstoß zu suggerieren, daß die Arbeitslosen arbeitsscheu wären«. Ähnlich äußerte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel auf einer Klausurtagung der hessischen SPD in Friedewald: Koch habe ein »repressives Bild vom Menschen«. Er kritisierte ferner den Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) zur Ausweitung der Zuverdienstmöglichkeiten von Hartz-IV-Empfängern. Offenbar wolle »Rüttgers den Staat zur dauerhaften Lohnsubvention von Armutslöhnen mißbrauchen«.
Der Sprecher des Erwerbslosenforums, Martin Behrsing, erklärte am Sonntag, Koch sei für »brutalstmögliche« Vorschläge und Hetze gegen bestimmte Gruppen bekannt. Er sei ein »höchst gefährlicher Brandstifter von sozialen Unruhen«.
In einem vorab veröffentlichten Interview mit der am heutigen Montag erscheinenden Wirtschaftswoche wird Koch mit den Worten zitiert: »In Deutschland gibt es Leistungen für jeden, notfalls lebenslang. Deshalb müssen wir Instrumente einsetzen, damit niemand das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht.« Man müsse daher »jedem Hartz-IV-Empfänger abverlangen, daß er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertiger Arbeit«. Es könne kein »funktionierendes Arbeitslosenhilfe-System geben, das nicht auch ein Element von Abschreckung enthält«, so Koch weiter.
Derweil mahnte IG-Metall-Chef Berthold Huber in einem Interview mit der Nachrichtenagentur DAPD eine umfassende Reform der Hartz-Arbeitsmarktgesetze an. Dringend nötig sei eine verlängerte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für diejenigen, die jahrzehntelang in die Sozialkasse einbezahlt und ohne eigenes Verschulden ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Zugleich müsse das Schonvermögen erhöht werden, das Langzeitarbeitslose behalten dürfen, um etwa fürs Alter vorzusorgen. Dagegen sprach sich im Spiegel der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, aus. Die Grundsicherung sei eine staatliche Fürsorgeleistung, die auch Geringverdienende mit ihren Steuern finanzierten. Es sei kein »Ausweis besonderer Gerechtigkeit, wenn künftig die Friseurin den wohlhabenden Eigentümer mehrerer Immobilien mitfinanzieren würde«, so Weise.
Laut BA-Daten werden aber im Durchschnitt nur 0,2 Prozent der Anträge auf Grundsicherung wegen »zu hoher« Vermögenswerte abgelehnt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, sprach daher in der Thüringer Allgemeinen (Montagausgabe) von einer »reinen Placebo-Diskussion, die von den eigentlichen Problemen bei Hartz IV ablenkt«. Nötig sei vielmehr eine »Totalreform«.
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