Mehr Weitsicht gefordert

Rede von Axel Troost zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes

28.01.2011

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bei dem Gesetzesentwurf von Bündnis 90 / Die Grünen geht es um die Verjährungsfrist bei Falschberatung. Dies ist ein berechtigtes Anliegen bei der Verbesserung des Anlegerschutzes. Denn in der Tat steht die Bundesregierung hier nach wie vor in der Bringschuld. Das was sie bislang in Sachen Anlegerschutz auf den Weg gebracht hat, ist völlig unzureichend. Lehren aus Falschberatungen etwa bei Lehman-Zertifikaten wurden nicht gezogen, dem milliardenschweren Verlust vieler privater Kleinanlegerinnen und Kleinanleger zum Trotze. Hier setzt die Initiative von Bündnis 90 / Die Grünen an: Sie schafft auf kurze Sicht mehr Rechtssicherheit für die hiervon betroffenen Anleger entgegen der bisherigen (Übergangs-)Regelung, welche die Anlagebanken begünstigt. Dieser Schritt geht zweifelsohne in die richtige Richtung. Doch reicht er auch aus, um Anlegern bei Produkten mit längeren Laufzeiten angemessene Sicherheit zu bieten?

Zunächst einmal muss man sich Folgendes zur gegenwärtigen Rechtslage vor Augen führen: Nach der letzten einschlägigen Gesetzesänderung verjähren Schadensersatzansprüche nicht mehr drei Jahre nach Erwerb eines Wertpapiers, sondern drei Jahre nachdem der bzw. die Geschädigte von der Schädigung Kenntnis erlangt hat. Spätestens aber endet die Frist nach zehn Jahren ab dem schadensbegründenden Ereignis (Falschberatung bzw. der anschließende Erwerb). Diese zweifellos bessere Rechtslage kommt aber nur für solche Fälle zur Anwendung, in denen die Falschberatung nach dem 4.8.2009 stattgefunden hat. Für all diejenigen Anleger, bei denen die Falschberatung bis zu diesem Datum geschah, gilt aber weiter die alte Rechtslage.

Von Seiten der Regierungskoalition war in der Debatte über den Gesetzentwurf mit der rechtlichen Unvereinbarkeit einer Rückwirkung argumentiert worden, gemäß dem Motto, wir würden ja, wenn wir könnten. Doch dass Sie tatsächlich wollen, nehmen wir Ihnen nicht ab, das geäußerte Verständnis mit der Gruppe der Lehman-Geschädigten in allen Ehren. Denn rechtlich gesehen dürften sich überhaupt keine Bedenken stellen: Es soll nämlich nicht die Rechtslage für gegenwärtig bereits abgeschlossene Sachverhalte verändert werden – also nach der bisherigen Rechtslage endgültig verjährte Ansprüche. Nein, die Regelung soll nur für solche Ansprüche gelten, bei denen die Verjährungsfrist noch läuft, wegen noch nicht eingetretenem Schadensereignis oder aus Unkenntnis der Betroffenen von ihrer eigenen Schädigung, die aber demnächst verjähren könnte.

Ein solches Herumreden um den „heißen Brei“ benachteiligt eine ganze Reihe von Kleinanlegern, die Sie um die Möglichkeit bringen, einen Anspruch wegen Falschberatung geltend zu machen. Doch darf aus unserer Sicht gerade beim Anlegerschutz nicht in zu kurzen Fristen gedacht werden. Bedenken Sie, dass im Zuge der privaten Altersvorsorge viele Menschen dazu übergehen, auch Papiere mit einer viel längeren Laufzeit als zehn Jahre zu erwerben. Die Stiftung Warentest hat 2010 errechnet, dass Bundesbürgern jährlich Schäden von insgesamt 700 Millionen Euro durch Riester-Verträge mit zu hohen Dispozinsen und Abgabegebühren entstehen. Stellen Sie sich vor, Sie bemerken eine derartig hohe Schädigung erst nach Ablauf dieser Zeitspanne von zehn Jahren. Der Gesetzentwurf nützt Ihnen dann gar nichts. Aus diesem Grund haben wir in unserem Antrag vom März 2010 gefordert, dass die Verjährungsfrist bei Falschberatung und fehlerhafter Information auf 30 Jahre ab Kaufdatum des Finanzprodukts zu erhöhen ist.

Verbraucherinnen und Verbrauchern muss ein fairer Umgang garantiert werden, auf den sie gegenwärtig als Anlegerinnen und Anleger nachweislich nicht vertrauen können. Hierzu gehören lange Fristen, um Falschberatung und Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen zu können. Auch sind längere Fristen aus Verbrauchersicht noch am ehesten dazu geeignet, das Dilemma einer angemessen Anlegerberatung zu lösen. Dieses Dilemma besteht einerseits darin, dass für den Kleinanleger zu viele Informationen nicht mehr zu bewältigen sind. Und andererseits verweisen übersichtliche Informationen dann vielleicht doch nicht auf die entscheidenden Risiken.

Danke schön.