Rente erst ab 67 ist ganz brutale Rentenkürzung
Rede von Klaus Ernst
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mit unserer Großen Anfrage wollen wir uns erneut mit der Rente erst ab 67 beschäftigen. Die Antwort, die wir von der Bundesregierung auf über 380 Seiten bekommen haben, ist ein sehr umfangreiches Werk, das beweist, dass wir von der Rente ab 67, die ab 1. Januar des nächsten Jahres eingeführt werden soll, dringend Abstand nehmen müssen.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wo sind denn die Beweise?)
Die Beweise werde ich Ihnen jetzt vortragen.
Ich nenne drei Argumente:
Erstens. Auch Ihnen wird einleuchten, dass, wenn man bis 67 arbeiten soll, eine Voraussetzung erfüllt werden müsste, nämlich die, dass man im Alter von 64 noch eine Arbeit hat. Hat man im Alter von 64 keine Arbeit mehr, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit 65 oder 66 wieder eingestellt wird, äußerst gering. Ich glaube, selbst die FDP wird dem zustimmen. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: In diesem Land bekommt man mit 65 eher das Bundesverdienstkreuz als einen Job.
(Beifall bei der LINKEN)
Da das so ist, müssen wir uns die Frage stellen darauf ist in der Antwort auf die Große Anfrage eingegangen worden , wie viele Menschen im Alter von 64 Jahren eigentlich noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Die Antwort lautet: 8,7 Prozent der Menschen im Alter von 64 haben noch eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. Bei den Frauen, Frau von der Leyen, sind es übrigens nur 5 Prozent.
Wenn das wirklich so ist, wie Sie es hier vorlegen, dann bedeutet das im Ergebnis, dass Sie mit der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre 90 Prozent der Menschen nichts anderes als eine ganz brutale Rentenkürzung verordnen.
(Beifall bei der LINKEN Karl Schiewerling (CDU/CSU): Bisher war noch nichts Neues!)
Das hat Ihre Antwort auf unsere Anfrage eindeutig ergeben.
Es wird immer gesagt, die Rente mit 67 komme erst später. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann erkennen wir, dass diese Rentenkürzung bereits ab dem 1. Januar 2012 wirken wird; das heißt, bereits im ersten Quartal wäre eine Rentenkürzung von fast 1 Prozent für die Menschen möglich, die nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden können. 90 Prozent! Das ist Ihre Rentenpolitik!
Nun ein paar Worte zur SPD. Sie machen den Vorschlag ich habe das in Ihrem Parteiprogramm gelesen , die Rente mit 67 erst dann einzuführen, wenn die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen zu 50 Prozent beschäftigt ist.
(Elke Ferner (SPD): Sozialversicherungspflichtig!)
Sozialversicherungspflichtig. Wenn also 50 Prozent der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen
sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, dann wollen Sie sie einführen. Das bedeutet aber doch im Umkehrschluss, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, dass ihr die Rente mit 67 einführen wollt, wenn 50 Prozent dieser Altersgruppe noch keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Das bedeutet, Sie wollen die Rente mit 67 einführen, obwohl Sie wissen, dass das bei 50 Prozent der Betroffenen zu einer reinen Rentenkürzung führt. Das ist absoluter Unfug, um es einmal ganz deutlich zu sagen.
(Beifall bei der LINKEN - Elke Ferner (SPD): Sie müssen das mal zu Ende lesen!)
Selbstverständlich ist das so; wir können doch rechnen.
Im Übrigen ist es die falsche Altersgruppe; denn es ist völlig unerheblich, ob die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen einen Job hat. Ausschlaggebend ist nur die Gruppe der 64-Jährigen, denn viele in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen werden sicher vor dem Erreichen des 64. Lebensjahres aus dem Beruf ausscheiden. Das müsstet ihr von der SPD doch auch gemerkt haben. Also bitte, kehrt auf den Pfad der Tugend und zu einer vernünftigen Rentenpolitik zurück!
(Beifall bei der LINKEN)
Das zweite Argument ist nun wirklich hochinteressant. Ein wesentlicher Grund dafür, dass die Rente mit 67 eingeführt wurde, war aus Ihrer Sicht, dass die Lebenserwartung der Menschen steigt, dass die Menschen länger leben. Jetzt hat die Große Anfrage ergeben, dass ausgerechnet bei der Gruppe der Geringverdiener dieser Fakt überhaupt nicht zutrifft, dass deren Lebenserwartung gar nicht steigt. Im Gegenteil: Die Studie hat ergeben, dass die Geringverdiener zunehmend früher sterben.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Quatsch! - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wer hat die Studie erstellt?)
Während sie im Jahre 2001 durchschnittlich mit 77,5 Jahren verstorben sind, verstarben sie im Jahr 2010 im Durchschnitt mit 76 Jahren. Das ist ein Fakt, den die Studie ergeben hat.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Ja, gern.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Ernst, weil Sie den Eindruck erwecken, dass hier wissenschaftliche Ergebnisse zitiert würden, möchte ich Sie fragen: Würden Sie mir, wenn Sie von einer Studie sprechen, recht geben, wenn ich sage, dass es eine Studie Ihres Kollegen Birkwald ist, die Sie hier zitieren, und dass das sozusagen ein linker Zirkelschluss ist?
(Heiterkeit bei der FDP)
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Dr. Kolb, das ist eine sehr interessante Bemerkung. Das, was ich eben vorgetragen habe, ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung.
(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)
Aber selbstverständlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage.
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): So ist es! Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil! - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dann sagen Sie, wo das steht!)
Ich bin gerne bereit, Herr Dr. Kolb, Ihnen hinterher noch die Tabelle vorzutragen, damit Sie das noch einmal nachvollziehen können. Ich gebe zu, die Antwort ist ein bisschen dick geworden; sie ist sehr umfangreich. Aber die Rentenpolitik der Bundesregierung ist ja auch sehr schwierig. Fakt ist jedoch, Herr Dr. Kolb auf diesen Fakt müssen wir uns doch verständigen : Wenn es so ist, dass Geringverdiener inzwischen früher sterben,
(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das stimmt nicht! Das steht hier nicht drin!)
dass man aber ausgerechnet den Geringverdienern zumuten will, länger zu arbeiten, dann bedeutet das, dass eine Grundlage für die Rentenpolitik der Bundesregierung überhaupt nicht vorhanden ist. Deshalb muss die Rente mit 67 zurückgenommen werden. Das ist die Konsequenz.
(Beifall bei der LINKEN - Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Frei erfunden!)
Im Übrigen lassen Sie mich auch das noch sagen, Herr Dr. Kolb ist es so, dass wir offensichtlich ausgerechnet gegen die in diesem Land vorgehen, die wenig verdienen. Sie weigern sich konsequent, den Mindestlohn einzuführen. Die Menschen mit geringeren Einkommen haben geringere Renten. Jetzt stellen wir fest, sie sterben auch noch früher. Das ist nicht hinzunehmen. Über diesen Vorgang sollten Sie sich einmal Gedanken machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, ein drittes Argument möchte ich noch anführen. Es heißt immer, wir müssten die Rente mit 67 einführen; wir könnten uns die Rente mit 65 nicht mehr leisten. Alle Antworten der Bundesregierung ergeben aber, dass der Beitragssatz nur um 0,5 Beitragssatzpunkte höher wäre, wenn wir bei der Rente mit 65 blieben. Frau von der Leyen, das sind bei einer paritätischen Finanzierung der Rente 0,25 Beitragssatzpunkte. Das sind bei einem Durchschnittsverdiener um die 6,30 Euro monatlich.
(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Auch das ist wieder falsch!)
Ich habe noch niemanden in diesem Lande erlebt, der wegen eines um 6,30 Euro höheren Beitrags im Monat zwei Jahre länger arbeiten möchte. Aber Sie muten das den Leuten zu, und das ist inakzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir haben ja nun Weihnachten. Vor Weihnachten gibt es den Nikolaus, und der Nikolaus hat eine Rute. Ich sage Ihnen: Wenn Sie dem Nikolaus begegnet wären, hätte er Ihnen wegen Ihrer Rentenpolitik so lange den Hintern versohlt, dass Sie bis Weihnachten nicht mehr sitzen könnten.
(Beifall bei der LINKEN)
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