Sparen macht Frauen und Familien arm

Von Annette Groth, Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

19.02.2012 / Lotta 01, linksfraktion.de, 14. Februar 2011

Zum Frauentag am 8. März erscheint das neue Frauenmagazin der Fraktion. »Lotta« will feministische Themen aufnehmen, in aktuelle frauen- und gleichstellungspolitische Debatten eingreifen, unangepasst sein, kritisch und hinterfragend. »Lotta« bedeutet auf italienisch aber auch Kampf: Kampf um Gleichberechtigung und Gleichstellung, für gleiche Löhne, eine gerechte Verteilung der Arbeit und für soziale Gerechtigkeit. In der ersten Ausgabe beleuchtet »Lotta«, wie die Krise das Leben von Frauen beeinflusst, welche Kraft sie für den Alltag aufbringen müssen, aber auch wie sie aufbegehren und sich wehren. In Deutschland, in Europa und anderswo. Lesen Sie vorab Beobachtungen von Annette Groth aus Griechenland.


Zweimal war ich letztes Jahr in Griechenland. Einmal als Delegationsleiterin der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe und dann als Referentin auf dem Globalen Widerstandsfestival. Ich war entsetzt, als ich während meines zweiten Aufenthalts fünf schwere Explosionen ganz in der Nähe meines Hotels hörte. Auf meine Frage, was das sei, antwortete mir ein Kellner des Hotel-Restaurants, das seien Faschisten, die MigrantInnen durch die Straßen hetzen. Von Motorrädern aus werfen sie Molotow-Cocktails oder ähnliche explosive Geschosse in die Straßen, in denen ausländische Prostituierte stehen, und auf die Häuser, in denen MigrantInnen leben.

Auf dem Widerstandsfestival schilderte ein Vertreter des Bündnisses zum Schutz von Flüchtlingen die Lebenssituation der MigrantInnen in Griechenland. Sie bekommen keinerlei Unterstützung vom Staat und sind völlig abhängig von Spenden, Nahrung und Kleidung. Viele leben von Müllresten, andere hungern. Es ist unvorstellbar. Durch die Krise und die zunehmende Verarmung der Einwohner, können selbst solidarische Griechen und Griechinnen immer weniger abgeben und helfen. Flüchtlinge haben in Griechenland fast jede Perspektive verloren. Ihre Möglichkeiten mit kleinen Nebenjobs Geld zu verdienen, ist faktisch völlig zusammengebrochen. Viele Frauen werden in die Prostitution und in eine zunehmende Gewaltspirale hineingezogen. Menschenhandel, Ausbeutung und Gewalt sind für sie an der Tagesordnung.

Griechenland ist durch die Spardiktate der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in einer extrem sozialen Schieflage. Und es sind vor allem auch Frauen, die von der Sparpolitik, den Lohnkürzungen und Entlassungen betroffen sind. Denn viele Frauen arbeiten in öffentlichen Verwaltungen, in Krankenhäusern, Kindertagesstätten, Schulen oder in Pflegeeinrichtungen, denen die Gelder gestrichen wurden. Die Krankenhäuser haben kein Geld, um Strom- und Wasserrechnungen zu bezahlen, sie leihen sich die notwendigen Finanzmittel von der Kirche, eine reiche Institution. Meine griechische Freundin Alexandra empfindet die soziale Situation als die schlimmste seit Ende des 2. Weltkrieges.

In Gesprächen erzählten mir Frauen immer und immer wieder, dass sie auf dem Arbeitsmarkt keine Arbeit mehr finden können. Die Zahl der freien Arbeitsplätze ist um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. Immer mehr Haushalte haben massive finanzielle Probleme und stürzen in die Armut. Die soziale Situation der Familien hat sich so zugespitzt, dass Kinder in Waisenhäusern oder karitative Einrichtungen gegeben werden. Einfach, weil die Eltern sie nicht mehr ernähren können. Es war erschreckend für mich, in Athen die vielen Obdachlosen zu sehen, sie alle suchten nach etwas Essbarem in Mülltonnen.

Nicht nur in Griechenland zeigt sich, was das Schlagwort „Wettbewerbsfähigkeit“, das seit Jahren zur Durchsetzung neoliberaler Umverteilungsstrategien benutzt wird, für die meisten Menschen bedeutet. Die Gräben werden zwischen arm und reich werden immer größer – in ganz Europa. Deshalb ist es die Aufgabe aller linken Kräfte, sich mit den Menschen in Griechenland und anderswo zu solidarisieren und sich für eine soziale Lösung der Wirtschaft- und Finanzkrise einzusetzen. Die Verursacher der Krise – die Hegdefonds, Banken und Spekulanten – müssen endlich zur Kasse gebeten werden.