"Der Protest gegen das Spardiktat der Troika wurde bewusst kriminalisiert"
REDE VON CHRISTINE BUCHHOLZ
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Der schwarz-grüne Magistrat der Stadt Frankfurt und das Land Hessen haben Frankfurt zur verbotenen Stadt gemacht.
(Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist jetzt schon falsch!)
Sie haben die europaweiten Aktionstage des Bündnisses „Blockupy Frankfurt“ über vier Tage untersagt. Doch die Demonstranten haben sich das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht nehmen lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Frankfurt hat einen bunten und friedlichen Protest gegen Kapitalismus und Bankenmacht erlebt. Von den Demonstranten ging keine Gefahr aus.
5 000 Polizisten, teilweise in martialischem Aufzug, haben die Innenstadt abgeriegelt und somit effektiv das Bankenviertel blockiert. Ich selbst war die ganze Zeit anwesend, also auch am 17. Mai auf dem historischen Paulsplatz.
(Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich doch eben schon mal gehört!)
Dort hatte das Komitee für Grundrechte und Demokratie aus Protest gegen das Demonstrationsverbot eine Kundgebung für Versammlungsfreiheit angemeldet, die ebenfalls verboten wurde.
Mein Dank gilt den Demonstrantinnen und Demonstranten auf dem Paulsplatz, die trotzdem gekommen sind und Versammlungsfreiheit über mehrere Stunden im Kessel der Polizei verteidigt haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Ihr Einsatz war entscheidend dafür, dass die Tage so erfolgreich und friedlich verlaufen sind.
Die Polizei hat insgesamt 1 430 Menschen in Gewahrsam genommen nur weil sie sich versammelt haben.
(Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht! Ist gelogen!)
Mehreren Hundert Menschen hat die Polizei die Einreise nach Frankfurt versagt. Diese Platzverweise hat die Polizei auch dann noch ausgesprochen, als sie vom Gericht als unrechtmäßig eingestuft wurden. In einem Polizeibericht steht als Grund der Festnahme: „Antikapitalismus“.
(Heiterkeit bei der LINKEN)
Wo bleibt hier die Meinungsfreiheit?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist die bittere Ironie der Geschichte, dass Boris Rhein, der heutige hessische Innenminister, mit dem hohen Stellenwert des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit 2007 den polizeilichen Großeinsatz zum Schutz einer Nazidemonstration mit 1 500 gewalttätigen Neonazis gerechtfertigt hat. Das ist Versammlungsfreiheit, wie sie die hessische CDU versteht.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hä? - Zuruf von der CDU/CSU: Da klatscht ja niemand!)
Folgenden Bericht einer 60-jährigen Stuttgarterin habe ich erhalten:
„Wir nahmen trotz Verbot das Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch. … Unsere Gruppe wurde umgehend von Polizeitrupps flankiert, besprungen,
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das glaube ich nicht!)
gestoppt, gekesselt, abtransportiert ins Polizeipräsidium, dort erst mal im Käfig gehalten, dann wiederholte zähe, schwerfällige Personalienkontrolle, danach der Höhepunkt der Demütigung: Nacktkontrolle mit der Drohung: „Wenn Sie sich nicht selbst ausziehen, tun wir das für Sie“. Von der Käfighaltung bis zur Entlassung vergingen circa 4,5 Stunden.“
Auch ich habe selbst mehrfach Provokationen von Polizisten erlebt. Es ist ein Hohn, wenn die Oberbürgermeisterin Roth den Polizeieinsatz im Nachhinein als „besonnen“ rechtfertigt. Die Einzigen, die an diesen Tagen wirklich besonnen waren, waren die Demonstranten, die auf diese Provokationen nicht reagiert haben.
(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Demonstrationsverbot war rein politisch motiviert. Der Protest gegen das Spardiktat der Troika wurde bewusst diffamiert und kriminalisiert. Ich frage Sie: Warum haben Sie so viel Angst vor den Protesten im Frankfurter Bankenviertel? Weil die Kritik der Demonstranten ins Schwarze trifft. Weil Sie eine Politik für das reichste Prozent der Bevölkerung machen. Weil Sie die Profite der Banken und Konzerne sichern und mit dem Fiskalpakt einen europaweiten Sozialkahlschlag erzwingen wollen. Ihre Sparauflagen sind Verarmungsprogramme für die arbeitende Bevölkerung in Europa. Sie haben Angst, dass diese sich gegen Ihre Politik wehrt.
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie das wirklich glauben, tun Sie mir leid!)
Um das zu verhindern, hebeln Sie demokratische Rechte aus. Das ist ein Skandal.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Wen meinen Sie denn mit „Sie“ genau?)
Sie zum Beispiel. Die Regierung.
(Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sie können „Sensburg“ sagen!)
Da machen wir nicht mit. Die Unterstützung, die wir von der Bevölkerung in Frankfurt erfahren haben zeigt, dass wir damit nicht alleine stehen.
Wir fordern die rückhaltlose Aufklärung über die Polizeiübergriffe in Frankfurt, und wir unterstützen das Bündnis „Blockupy Frankfurt“ in seiner Klage gegen das Versammlungsverbot.
(Marco Buschmann (FDP): Weil Sie selber Organisatoren sind! Sie unterstützen sich selber! Das ist ja originell!)
Wir versprechen Ihnen: Wir kommen wieder.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke ist die einzige im Bundestag vertretene Partei, die an den Protesten von Anfang an beteiligt war. Ich sage: Ich hätte mir gewünscht, dass sich Grüne und SPD stärker in diesen Prozess eingebracht hätten.
(Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Die sind doch noch demokratisch! - Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Sie leben im Rechtsbruch, nicht? - Gegenrufe von der LINKEN)
Wir stehen mit unserem Protest an der Seite der Griechinnen und Griechen, die den Angriff auf ihre Lebensgrundlagen ablehnen. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war gerade in Griechenland
(Marco Buschmann (FDP): Da haben Sie sich Anregungen geholt?)
und habe die Angst und die Wut der Menschen gespürt, die wissen, dass dann, wenn nicht eine linke Antwort kommt, eine Regierung an die Macht kommt, die bereits im Juni 12 Milliarden Euro bei den Renten und im Gesundheitsbereich kürzen wird und das, obwohl schon jetzt nicht genug Spritzen und Handschuhe da sind, um alle lebensnotwendigen Operationen durchführen zu können.
Ihre Freiheit ist nicht die Demonstrationsfreiheit, sondern die Freiheit der Banken.
(Lachen des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das Leben ist so einfach!)
Wir stehen für ein Europa von unten gegen ein Europa der Banken und Konzerne! Und das können Sie uns nicht verbieten.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Peinlich!)
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