Gesunde Umwelt braucht mehr als Teilumbau
Von Dorothée Menzner, Sprecherin für Energie- und Atompolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Die Umlage für Erneuerbare Energien erreicht Rekordniveau. Die Strompreise explodieren. Die Netzentgelte steigen. Der Netzausbau geht viel zu langsam voran. Es drohen Stromausfälle. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist in Gefahr, Arbeitsplätze und Wohlstand gehen verloren. Allein beim Nennen des Wortes Energiewende sollen wir inzwischen vor Angst zusammenzucken.
Die Hiobsbotschaften in Sachen Energiewende, die in jüngster Zeit immer häufiger und mit steigender Intensität durch die Medien gejagt werden, haben System. Mit jeder Solaranlage, mit jedem Windrad und mit jeder Biogasanlage, die ans Netz angeschlossen werden, verlieren die vier großen Konzerne ein kleines Stückchen von einem der profitträchtigsten Wirtschaftsbereiche Deutschlands an kleine Unternehmen, an kommunale Stadtwerke, an Bürgerwindparks, an Genossenschaften.
Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie wird von der Gesellschaft beschlossen und umgesetzt. Das funktioniert aber selbstverständlich nur dann, wenn die Gesellschaft auch Zugriff auf das hat, was sie umbauen möchte – sprich – die Energiewirtschaft. Das bisherige Wirtschaften hat uns vor massive Probleme gestellt: Klimawandel, Ressourcenverknappung und Jahrmillionen strahlende Atommüllberge. Diese Probleme werden allein in Deutschland noch volkswirtschaftliche Kosten nicht abschätzbaren Ausmaßes nach sich ziehen, die letztendlich von allen Steuerzahlern und unseren nachfolgenden Generationen aufgebracht werden müssen. Dagegen wirken die anstehenden Kosten für die Energiewende selbst eher gering. Dass es in anderen Teilen der Welt aufgrund derselben, von den Industrienationen verursachten Probleme zu humanitären Katastrophen und Kriegen kommt und weiter kommen wird, ist mit Kosten gar nicht zu beschreiben.
Hierzulande wird von profitorientierten Energiekonzernen und Netzbetreibern die Preisspirale nach oben getrieben, sozial ausgegrenzten Menschen sogar die Energie abgestellt. Dass dabei der größte Teil der Energiepreiserhöhungen mit dem Umbau auf Erneuerbare Energien nachweisbar nichts zu tun hat, wird eifrig verschwiegen. Das System der Energiewirtschaft in Deutschland, seien es die Energienetze oder die Kraftwerke, ist direkt auf zentrale Großproduzenten – die Energiekonzerne – hin ausgelegt. Schaut man sich die Ausbauvorhaben der Übertragungsnetzbetreiber und die gegenwärtigen Investitionen in Erneuerbare Großprojekte wie riesige Offshore-Windparks und aber auch in neue Kohlekraftwerke an, wird klar, dass dieses System beibehalten werden soll und dass es in Deutschland gegenwärtig nicht um eine soziale Energiewende geht. Es geht vielmehr um einen für die Energiewirtschaft profitablen und für den Verbraucher stärker belastenden Teilumbau, der dem wachsenden Markt der kleinen und mittelständigen Unternehmen bei den Erneuerbaren Energien einen Riegel vorschieben soll. Marktwirtschaftlich wird sich das in naher Zukunft verwirklichen, wenn der Bestand der unflexiblen Atom- und Kohlekraftwerke permanent die Netze verstopfen wird und Erneuerbare Energieerzeuger einfach abgeschaltet werden. Ein Zustand, der immer häufiger eintritt, zunehmend zu absurden Preiseskapaden an der Strombörse führt, die Verbraucher mehrbelastet und letztendlich das Handelssystem der Strombörse selbst zum Kollabieren bringen wird. Dann wird man erst recht sagen, dass die Erneuerbare Energiewende schuld sei. Dabei ist all das seit langem absehbar und wäre sinnvoll regelbar, wenn man es nur wollte.
Ohne einen sozialen und demokratischen Umbau der Energiewirtschaft kann eine Energiewende nicht gelingen. Ökologie geht nur sozial gerecht – und andersherum: Soziale Gerechtigkeit geht nur mit einer gesunden Umwelt. DIE LINKE spricht deswegen vom sozial-ökologischen Umbau.
Ansätze dafür gibt es viele. Die Energienetze müssen vergesellschaftet werden. Andernfalls ist ein zielgerichteter Ausbau der Netze für die konkreten Anforderungen an den Ausbau Erneuerbarer Energien nicht möglich. Kommunale Stadtwerke müssen gestärkt werden, damit die Menschen selbst entscheiden können, welchen Strommix sie haben wollen, und damit die von den Verbrauchern gezahlten Strompreise durch gewählte Kommunalräte kontrolliert werden können, in regionalen Wirtschaftskreisläufen bleiben und nicht wie derzeit in den Taschen von Aufsichtsräten oder in Renditen ausländischer Investmentfonds verschwinden. Aber solange jede Überlegung über mehr demokratische Teilhabe an der Energiewirtschaft mit einem billigen Planwirtschafts-Klischee und dem Verweis auf das Scheitern des DDR-Wirtschaftssystems abgewatscht wird, wie es erst vergangene Woche Bundespräsident Gauck wieder eindrucksvoll zelebriert hat, ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt. Dabei gibt es Staatskonzerne anderswo. Der größte Übertragungsnetzbetreiber Deutschlands ist der niederländische Staatskonzern Tennet. Der im Osten des Landes vorherrschende Energiekonzern ist Vattenfall. Der gehört Schweden. Die EnBW gehört zum größten Teil Baden-Württemberg, und Horst Seehofer hat angekündigt, bei weiterer Untätigkeit der Bundesregierung die Bayernwerke wieder gründen zu wollen. Es ist kaum vorstellbar, dass Joachim Gauck oder die Hardliner der FDP in einem dieser Fälle kommunistische Planwirtschaft wittern würden.
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