Entwicklungen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales: weiteres Auseinanderdriften und wachsende Gefahr langfristiger Ausgrenzung
EU-Armutsbericht: Euro-Zone zerfällt in Nord und Süd
Nach fünf Jahren Wirtschaftskrise und einem erneuten Konjunktureinbruch im Jahr 2012 erreicht die Arbeitslosigkeit Werte, die es seit rund 20 Jahren nicht mehr gegeben hat, die Einkommen der Haushalte sind geschrumpft und Armuts- und Ausgrenzungsrisiko steigen, besonders in den Mitgliedstaaten im Süden und Osten Europas – dies ist die Bilanz der Ausgabe 2012 des Berichts „Employment and Social Developments in Europe Review“ (Überprüfung der Entwicklungen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales in Europa).
Die Auswirkungen der Krise auf die soziale Lage machen sich nun deutlicher bemerkbar, da sich die anfängliche Abfederungswirkung niedrigerer Steuereinnahmen und höherer Aufwendungen für Sozialleistungen (sogenannte „automatische Stabilisatoren“) abgeschwächt hat.
Es tut sich eine neue Schere auf zwischen Ländern, die in einer Abwärtsspirale aus sinkender Produktivität, rasant steigender Arbeitslosigkeit und schrumpfendem verfügbarem Einkommen der Haushalte gefangen zu sein scheinen, und Ländern, die der Krise bisher gut standgehalten oder wenigstens eine gewisse Widerstandsfähigkeit gezeigt haben. Letztere weisen in der Regel effizientere Arbeitsmärkte und stabilere Sozialfürsorgesysteme auf.
Im Euroraum geht die Schere weiter auseinander
Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in der EU liegt nun bei rund 11 %. Der Bericht zeigt eine neue Form des Auseinanderdriftens auf – am eklatantesten sind die Unterschiede zwischen den nördlichen und den südlichen Ländern des Euroraums. Im Jahr 2000 lag die Differenz bei der Arbeitslosenquote zwischen beiden Gebieten bei 3,5 Punkten, 2007 sank sie auf Null, danach wuchs sie jedoch rasch an und erreichte 7,5 Punkte im Jahr 2011. Ein weiteres Ergebnis der Analyse im Bericht ist, dass sich Arbeitslosen in denjenigen Mitgliedstaaten, die tiefgreifende Reformen zur Dynamisierung ihres Arbeitsmarktes durchgesetzt haben, nach wie vor viel bessere Chancen bieten, eine neue Stelle zu finden, und zwar auch in der Krise.
Schrumpfende Haushaltseinkommen, Gefahr langfristiger Ausgrenzung
Mangels einer spürbaren wirtschaftlichen Erholung wurden die Einkommen der Haushalte in den meisten Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen, und eine langfristige Ausgrenzung droht schneller. Um zu verhindern, dass sich die Zunahme von Armut und dauerhafter Ausgrenzung verfestigt, müssen die Maßnahmen speziell auf die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sowie auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen abgestimmt werden.
Ausgestaltung von Sozialfürsorge- und Steuersystem entscheidend
Die Analyse hat ergeben, dass es vom Standpunkt einer integrierten Beschäftigungs- und Sozialpolitik aus keine optimale Umverteilung der Steuerlast gibt, dass aber eine zweckdienliche Ausgestaltung des Sozialwesens bestimmte Verlagerungen der steuerlichen Belastung wünschenswerter erscheinen lässt.
Die Ergebnisse der Analyse der Mindestlöhne zeigen, dass Geringqualifizierte in Ländern mit höheren Mindestlöhnen ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht eingebüßt haben, sondern dass ihre Beschäftigungsquote in diesen Ländern sogar tendenziell höher ist. Mindestlöhne können auch dazu führen, dass das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern geringer ausfällt.
Kompetenzen
Gemäß dem Bericht besteht in einigen Ländern, insbesondere im südlichen Teil Europas, ein Missverhältnis zwischen Kompetenzen und Stellenanforderungen bzw. dieses Verhältnis hat sich verschlechtert. Um das Missverhältnis bei den Kompetenzen abzumildern, müssen die Länder ihre Investitionen in die berufliche und schulische Bildung sowie ihre Aufwendungen für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen optimieren und die Schaffung hochqualifizierter Stellen in Wachstumsbranchen wie der Umweltindustrie und -technologie, den Informations- und Kommunikationstechnologien und dem Gesundheitssektor fördern.
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