Brudertreffen zur Zukunft Europas - Linke deutsche und französische Parlamentarier trafen sich in Paris
Von Ralf Klingsieck
Während die deutschen Sozialdemokraten am Donnerstag den 150. Geburtstag ihrer Partei feierten, besuchten deutsche Abgeordnete der Linkspartei ihre Kollegen im Nachbarland, um über Perspektiven für ein geeintes Europa zu diskutieren.
Da die französischen Sozialisten und die deutschen Sozialdemokraten nicht die Interessen der arbeitenden Menschen in beiden Ländern verteidigen, sondern sich dem Diktat der Finanzwirtschaft beugen, müssen die konsequent linken Kräfte an ihre Stelle treten. Sie sollen die gegenwärtige unsoziale Politik in Europa bekämpfen und den Menschen Alternativen aufzeigen. Dies war Tenor eines deutsch-französischen Symposiums von Abgeordneten der deutschen Partei die LINKE und der französischen Linksunion aus Kommunisten (FKP) und Partei der Linken, das gestern in der Nationalversammlung in Paris stattfand.
Wie der Nationalsekretär der FKP und gegenwärtige Vorsitzende der Europäischen Linken, Pierre Laurent, betonte, war dieses Treffen der Auftakt der Realisierung eines Ende vergangenen Jahres vereinbarten Arbeitsprogramms beider Seiten für die Jahre 2013 und 2014. Im Sommer kommenden Jahres soll der 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges auch Anlass sein, an das Versagen der damaligen deutschen und französischen Sozialdemokraten und Sozialisten zu erinnern.
Bei den jetzigen Gesprächen in Paris analysierten die Abgeordneten aus den beiden nationalen Volksvertretungen sowie dem Europäischen Parlament das unlängst auf Druck der französischen Linksregierung und mit Unterstützung reformistischer Gewerkschaften beschlossene Gesetz zur »Flexibilisierung« des Arbeitsmarktes. Damit sei man vor allem dem Wunsch des Unternehmerverbandes nach einer »Wettbewerbsverbesserung« entgegengekommen. Dieser neuerliche Abbau der in Jahrzehnten erkämpften und durchgesetzten Arbeitsgesetzgebung liege auf einer Linie mit einem europaweiten Prozess. Der habe mit der ultraliberalen Politik von Margaret Thatcher in Großbritannien begonnen, in Deutschland seinen Ausdruck in den Hartz-Gesetzen und in der Agenda 2010 gefunden. Heute setze er sich fort mit dem Diktat der »Troika« über die Bevölkerung Spaniens, Portugals, Griechenlands und Zyperns.
»Jetzt sind Frankreich und Italien an der Reihe und die französischen Sozialisten stehen vor der Frage, ob sie sich verhalten sollen wie die deutschen Sozialdemokraten«, sagte der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord. »Darum tauschen wir uns darüber aus, welche Folgen es hat, wenn sie dem Beispiel der SPD folgen, und wie wir gemeinsam darauf reagieren können.« Wie der Ökonom und ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Heiner Flassbeck, in der Diskussion betonte, konnte Deutschland seinen Exportüberschuss in den vergangenen Jahren nur deshalb so stark steigern, weil es »Arbeitslosigkeit in andere Länder Europas exportiert« hat. Das wirtschaftliche Erstarken der EU und des Euro wurde demnach finanziert mit dem Lohn- und Wohlstandsabbau der arbeitenden Menschen.
»Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, führt sie in die Sackgasse und in die Katastrophe«, warnte Pierre Laurent. Darum müssten die linken Kräfte vor allem gegen die Austeritätspolitik und für Lohnerhöhungen in Europa kämpfen. Ein echter Wandel sei undenkbar ohne eine völlige Neugestaltung der »Dogmen« der Europäischen Union und der Rolle der Europäischen Zentralbank.
Wie Thomas Nord informierte, wurde bei dem bilateralen Treffen auch über die Situation und die Zukunft des Euro gesprochen. »Wir haben darüber offen und durchaus auch kontrovers diskutiert«, erklärte er. »Aber wir sind uns einig, dass wir kein Zurück zu einem Europa der Nationalstaaten wollen.« Das würde angesichts internationaler Märkte, Finanzakteure und Konzerne nicht helfen. »Je kleiner die Staaten, umso eher würden sie deren Spielball werden. Daher brauchen wir europäische Lösungen«, sagte Nord.
Die Debatte sollte also nicht um die Frage geführt werden, ob aus dem Euro ausgestiegen werden sollte, sondern darüber, »was passiert, wenn der jetzigen Politik kein Stoppschild gesetzt wird«, meinte Nord. Ein Zusammenbruch des Euro ist nicht ausgeschlossen und darum werde auch darüber geredet. »Doch vor allem brauchen wir eine strategisch abgestimmte Politik der Linken, um Europa und den Euro auf ein neues, alternatives Fundament zu stellen.«
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