Gesundheit ist eine Ware

Von Nadja Rakowitz

03.07.2013 / luxemburg argumente Nr. 6, Juni 2013

Mythen und Probleme des kommerzialisierten Gesundheitswesens. Reihe «luxemburg argumente».

«In ein paar Jahren wird das Gesundheitswesen unbezahlbar sein» – so das Bedrohungsszenario, das hierzulande seit Jahrzehnten aufgebaut wird. Die «Kostenexplosion» sei auf den demografischen Wandel und den medizinisch-technischen Fortschritt zurückzuführen. Unter dem Stichwort «zu hohe Lohnnebenkosten» wird argumentiert, dass die Beiträge für das Gesundheitswesen die Unternehmen so sehr belasten, dass sie auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig seien. Nicht zuletzt versetze die «Freibiermentalität» der PatientInnen, die sich aufgrund der «kostenlosen» medizinischen Versorgung entwickelt habe, dem System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) den Todesstoß.

Mit diesen «Argumenten», die eine Situation der Sachzwänge suggerieren sollen, werden Privatisierungen im Gesundheitswesen als unumgänglich vorangetrieben. In einer der reichsten Gesellschaften der Welt werden Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen, Krankenhäuser werden privatisiert und die Versuche, auch die gesetzlichen Kassen zu privatisieren, nehmen an Fahrt auf. Gleichzeitig werden im Krankenhaus wie in den Arztpraxen mehr Leistungen erbracht, als medizinisch notwendig sind; die Pharmaindustrie verdient Unsummen, und von Jahr zu Jahr gibt es mehr ÄrztInnen bei gleichzeitigem Ärztemangel in armen Stadtteilen und in ländlichen Regionen. Wie hängt das zusammen?

Diese Broschüre soll zeigen: Beim Thema Gesundheit geht es um viel Geld – und ein großer Teil dieses Geldes ist noch nicht vollständig kapitalistischen Interessen unterworfen. Deshalb muss man sich sehr genau anschauen, wer was am Gesundheitswesen kritisiert und aufgrund welcher Diagnosen welche Lösungen vorschlägt. Nach einer kurzen Einleitung in das Gesundheitswesen in Deutschland werden im ersten Kapitel der Broschüre Mythen der gesundheitspolitischen Debatte geknackt. Im zweiten Kapitel werden dann verschiedene Problemdiagnosen und ihre vermeintlichen Lösungen geprüft und die Hintergründe analysiert. Im dritten Teil stellen wir Reformvorschläge und Alternativen zur Diskussion und zeigen, dass es – sogar innerhalb kapitalistischer Verhältnisse – auch anders und besser gehen könnte.

Inhalt

Einleitung: Das Gesundheitswesen in Deutschland

Mythen
1 «Kostenexplosion»
2 «Zu hohe Lohnnebenkosten»
3 «Demografische Zeitbombe»
4 «Freibiermentalität» oder «Vollkaskomentalität»

Diagnosen
5 Gesundheitliche Ungleichheit
6 Zweiklassenmedizin
7 Keine Papiere, keine Versicherung, kein Zugang
8 Knappe Kassen
9 Ärztemangel und Ärzteschwemme
10 Teure Krankenhäuser
11 Selbstbedienungsladen Pharmaindustrie

Alternativen
12 Ausweitung der Solidarität – Bürgerversicherung
13 Nicht-kommerzielle, sozialmedizinische Zentren statt Einzelpraxen
14 Bedarfsplanung
15 Entkommerzialisierung/Rekommunalisierung
16 Verhältnisprävention