Kein Zurück ins 19. Jahrhundert!
Von Cornelia Möhring
Gleichstellung und Emanzipation von Frauen sind Klassiker in Sonntagsreden. Ansonsten legt sich die herrschende Politik da am liebsten schlafen oder präsentiert Trostpflästerchen. Der Gender-Pay-Gap von 23 Prozent, also die grundlos miese Bezahlung von Frauen und von "frauentypischen" Berufszweigen wurde im Regierungsprogramm nicht einmal erwähnt. Die Miniquote für nicht einmal 120 Aufsichtsräte, kleine Reparaturen beim Teilzeitrecht, eine Mütterrente, die natürlich auch für Väter gilt: Das sind alles Nebelkerzen des Stillstands.
Weder die Garantie der ökonomische Selbständigkeit von Frauen ist gesichert noch ist es selbstverständlich, dass Frauen über ihren Körper frei entscheiden. Im Gegenteil. Sexuelle und reproduktive Rechte von Frauen wird massiv angegriffen, weltweit. Europa macht hier leider keine Ausnahme. Ein Rollback gegen die Selbstbestimmung von Frauen vereint Sexisten, "Lebenschützer" und Lobbyverbände der Gesundheitsindustrie. In fragwürdigen Moraldebatten soll die Herrschaft über die Entscheidungsmacht von Frauen und der Schutz von Einkommen gesichert und zurückerobert werden. Frauengesundheit – egal, das ist kein Thema, nur deren ach so leichtfertiger Umgang mit Verhütung und Entscheidungsmöglichkeiten über ihren Körper.
Garantie der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen
Ein Ende dieser Feldzüge gegen Aufklärung und Emanzipation ist nicht absehbar. Obwohl nach der Gesetzeslage in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen möglich ist, gibt es zugleich diverse diskriminierende Einschränkungen. Sie entstehen häufig in einem gesellschaftliches Klima, in dem die Garantie einer selbstbestimmten Entscheidung über die Austragung einer Schwangerschaft, die Frauen niemals leichtfertig treffen, auch unterhalb der Gesetzeslage nicht gewährleistet ist. In der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Polen, Irland und Italien summieren sich Fälle, die belegen, dass fast 70 Prozent aller Gynäkologinnen und Gynäkologen und 40 Prozent aller Anästhesiefachkräfte einen Schwangerschaftsabbruch aus Gewissensgründen ablehnen. Die erst 2010 in Spanien eingeführte Fristenlösung soll wieder gekippt werden. Zukünftig soll dort eine Abtreibung nur bei einer Vergewaltigung und bei gravierenden Missbildungen des Fötus möglich sein, sofern das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet sind. Das entsprechende Gesetz wurde von der Katholischen Kirche und erzkonservativen Politikerinnen und Politikern auf den Weg gebracht. In der Schweiz sollten die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Krankenversicherung gestrichen werden. Proteste und Gegendemonstrationen, Pro und Contra bezogen auf die reproduktiven Rechte von Frauen, bestimmen längst auch Medienbilder.
Statt einer öffentlichen Sachdebatte um die Garantie der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen befinden wir uns mittlerweile in einer erhitzten Auseinandersetzung, in der zuerst Frauen das Bürgerinnenrecht abgesprochen wird, selbstständig und vernünftig über Lösung in schwierigen Lebenslagen zu entscheiden.
Auch hierzulande erleben wir Ausläufer dieser heftigen Auseisandersetzungen in der Diskussion um die Rezeptfreiheit der "Pille danach". Die Rezeptfreiheit hat sich in fast allen europäischen Ländern und auch weltweit bewährt. DIE LINKE unterstützt den unkomplizierten Zugang zur "Pille danach". DIE LINKE wird Frauen bei der Stärkung der reproduktiven und sexuellen Selbstbestimmung weiterhin aktiv unterstützen.
Koalitionsvertrag bleibt unverbindlich
Doch noch immer müssen wir einen Schritt weiter gehen. Neben den Forderungen nach ökonomischer Selbständigkeit und Gleichstellung von Frauen in Politik, Wirtschaft und allen Bereichen der Gesellschaft, die wesentliche Voraussetzung sind, um sich aus alltäglichen Herrschaftsstrukturen zu befreien und freie Entscheidungen über das eigene Leben zu treffen, sind zugleich noch immer gesetzliche Garantien zum Schutz gegen physische und sexualisierte Gewalt an Frauen nötig. Es ist bitter und Fakt, dass der Koalitionsvertrag hier mehr als unverbindlich bleibt und einzig das Hilfetelefon als Lösungsinstrument benennt. Flächendeckende Hilfestrukturen, die Finanzierung von Frauenhäusern – in Kooperation mit den Ländern – und der rechtsverbindliche Anspruch vor Gewalt geschützt zu werden – alles Fehlanzeige. Das ist ein unhaltbarer Zustand und darauf müssen wir auch über den 8. März hinaus aufmerksam machen und aufzeigen, wie es anders gehen kann und muss. Eine gerade veröffentlichte EU-Studie wartet mit einem erschütternden Ergebnis auf: Jede dritte Frau ist Opfer von Gewalt und die Bundesrepublik bildet hierbei keine Ausnahme.
Der 8. März 2014 – der Internationale Frauentag – wurde in diesem Jahr in einem breite BÜNDNIS aufgegriffen, um mit ihm ein Zeichen zu setzen. Denn es wird Zeit, dass diesem Tag sein politischer Gebrauchswert zurückgegeben wird. Er hat an Aktualität nichts verloren.