Austeritätskurs für die Ukraine
Von Axel Troost
Auch von Seiten der sozialdemokratischen Linken kommen deutliche Stimmen der Distanzierung zur Bewertung der Krise um die Ukraine durch PolitikerInnen der LINKEN. Selbst von Verfechtern einer Annäherung der beiden linken Parteien ist deutliche Skepsis zu hören. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, die ein rot-rot-grünes Dreierbündnis im Bund für eine Option im Jahr 2017 hält, erklärte, mit ihren Äußerun-gen zur Ukraine habe sich die Linkspartei gerade ins Abseits katapultiert. Einige Aussagen, die im Zusammenhang mit der Ukraine von Teilen der LINKEN kamen, könne man nicht nachvollziehen. SPD-Fraktionschef Oppermann sieht unter Verweis auf einen angeblich pro-russischen Kurs der LINKEN in der Krim-Krise eine Koalition mit Grünen und LINKEN 2017 in weite Ferne rücken. "Ich halte die außenpolitische Positionierung der Linkspartei für unverantwortlich, sie stellt die Westbindung infrage", so Oppermann.
Es ist absurd, die LINKE als Russland- oder Putin-Versteher anzugreifen, wenn selbst der Außenminister Steinmeier (SPD) einräumt, dass die EU die Ukraine indirekt in die Arme Russlands getrieben habe. Auch SPD-Politiker wie Ex-Kanzler Schmidt und Schröder kritisierten die Verhandlungsführung der EU beim letztlich geplatzten Kooperationsabkommen mit der Ukraine.
Fakt ist, dass die EU und der IWF seit Jahren in einem Integrationswettbewerb der Ukraine - entweder Assoziierung mit der EU oder Eurasische Zollunion - eine aktive Rolle gespielt haben. Eine kritische Betrachtung dieser Aktivität führte zum Feindbild der "Russland-Versteher" mit entsprechend hysterischen Kommentaren vor allem von Seiten der GRÜNEN.
In der Ukraine hat es seit Jahren heftige, teils gewaltsame Auseinandersetzungen um tiefgreifende gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen gegeben. In diesen Konflikt eingebettet war die Auseinandersetzung um die außenwirtschaftliche Verflechtung. Sowohl der Internationale Währungsfonds als auch die EU waren an einer Verstärkung der wirtschaftlichen Kooperation interessiert, allerdings nur dann, wenn die Ukraine sich zu harten Strukturreformen durchringen könne. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in den letzten Jahren scharfe Kritik an der Wirtschaftspolitik in der Ukraine geübt. Die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch habe die im Beihilfeabkommen 2010 vereinbarten Wirtschaftsreformen nicht weiter verfolgt. Die Strukturreformen zielten auf eine Neujustierung der sozialen Umverteilung, eine Preiserhöhung für Energie für die privaten Haushalte und eine breite Privatisierungspolitik. Zugleich warnt der Fonds davor, der Ukraine leichtfertig Kredite zu geben. Die Erfahrungen sprächen dafür, dass der Zugang des Landes zu Finanzhilfen beschränkt werden müsse. Die politische Administration suchte parallel um eine ökonomisch-finanzielle Unterstützung seitens Russlands nach. Es entwickelte sich eine Art 'Integrationskonkurrenz' in der auch der IMF und die EU eine Entweder-Oder-Entscheidung aufgebaut haben. Die Gesichtspunkte der Sicherheitspartnerschaft und der blockübergreifenden Kooperation blieben auf der Strecke.
Zurecht konstatierte Ursula Koch-Laugwitz in den Blättern für Deutsche und Internationale Politik: "Fest steht: Eine Fortsetzung der Politik der Integrationskonkurrenz, ein reines Tauziehen zwischen Ost und West um die Ukraine, wird am Ende keinen Gewinner hervorbringen. Denn letztlich kommt es in erster Linie darauf an, dass die ukrainischen Akteure einen Ausweg aus der schweren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise finden. Es wird allzu häufig übersehen, dass die meisten Menschen demonstrieren, weil sie Angst um ihre Zukunft haben - ganz gleich, ob sie die EU-Integration oder die Eurasische Union befürworten. Jede neue Regierung wird sich daher daran messen lassen müssen, ob sie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in der Ukraine verbessern kann."
Neben dieser Ausrichtung der Außen- und Wirtschaftspolitik erleben wir jetzt in der Ukraine die Neuauflage einer neoliberalen Rosskur. Die Ukraine steht vor dem ökonomischen Kollaps und soll sich gesund sparen.
Die EU organisiert über den IWF ein finanzielles Hilfspaket in Höhe von 14 bis 18 Mil-liarden US-Dollar, das mit weiteren "Gebern" auf ca. 27. Mrd. Dollar anwachsen soll. Die Gegenleistung ist - wie schon an den südeuropäischen Krisenländern erprobt - ein hartes Sanierungsprogramm, das vor allem die privaten Haushalte trifft. Angesichts des drohenden Bankrotts akzeptierten das Übergangsparlament und die amtierende Regierung alle IWF-Bedingungen, um eine Finanzhilfe zu erhalten. Die Vereinbarung mit dem IWF ist Voraussetzung dafür, dass auch aus anderen Quellen Geld ins Land fließt, um den Staatshaushalt zu stabilisieren. Die Europäische Union hat Hilfe im Volumen von rund 11 Mrd. Euro an eine Vereinbarung der Übergangsregierung mit dem IWF geknüpft.
Mit Massenentlassungen und harten sozialen Einschnitten will ein Teil der politisch-wirtschaftlichen Elite der Ukraine die Voraussetzungen für dringend benötigte internationale Milliardenhilfen schaffen. Dabei wird nur ein Bruchteil der Finanzmittel in den Erhalt und die Erneuerung der Ökonomie gesteckt werden. Die ukrainische Bevölkerung wird die negativen Auswirkungen umgehend zu spüren bekommen.
Wirtschaftlich und politisch ohnehin schon in einer desolaten Lage hat die Ukraine im kurzfristigen Horizont vor allem Negatives zu erwarten. Erstens durch höhere Energiepreise, denn der Preisabschlag bei Erdgas, den Gazprom im Dezember dem damaligen Präsidenten Janukowitsch gewährt hatte, um dessen Regime näher an Russland zu binden, dürfte wieder gestrichen werden. Und leider ist auch zu erwarten, dass sich der Zugang der ukrainischen Exporteure zum Markt des östlichen Nachbarn erschwert. Vor diesem Hintergrund ist die Politik der EU und des IWF eher mit dem Versuch zu vergleichen, ein erschöpftes Pferd durch erhöhten Galopp ins Ziel zu treiben und dabei seinen vorzeitigen Zusammenbruch zu provozieren.
Eine der Hauptbedingungen des Währungsfonds für den neuen Kredit ist der sofortige Stopp der staatlichen Gassubventionen. Außerdem fordert der IWF, dass die ukrainische Zentralbank aufhört, die nationale Währung zu stützen. Schließlich soll die Regierung die Sozialleistungen beschneiden und gegen Korruption und Bürokratie vorgehen. Dies sei die "Grundlage für stabiles und nachhaltiges Wachstum".
Noch vor der Zuspitzung der Krise in der Ukraine hat das Europaparlament heftige Kritik an der Methodik der "Strukturreformen" seitens der Troika und des IWF geübt. In einem Bericht der Abgeordneten heißt es, die Gruppe aus Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission habe einseitig auf Sparmaßnamen gesetzt und Wachstumsimpulse vernachlässigt. Zwar habe die Troika geholfen, eine Pleite Griechenlands mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Eurozone zu verhindern, es gebe jedoch "keine Gewähr dafür, dass dies langfristig vermieden werden kann." Auch sei zu wenig darauf geachtet worden, negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Sparprogramme in den betroffenen Krisenländern Griechenland, Irland, Portugal und Zypern abzumildern. In der Ukraine erleben wir jetzt eine Neuauflage dieser Politik. Die Gefahr der weiteren Destabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse ist mit den Händen zu greifen. Die Kritik der LINKEN an der Politik von EU und IWF ist keineswegs unverantwortlich.
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