Aufbruch und neuer Sound - DIE LINKE muss Opposition und Veränderungsfaktor zugleich sein

Von Joachim Bischoff und Björn Radke

09.05.2014 / sozialismus.de, 07.05.2014

Die schwere Parteikrise der »LINKEN« war gestern. Die Parteivorsitzende Katja Kipping resümiert vor dem kommenden Parteitag: Man habe nach schweren Jahren, in denen es um das »politische Überleben« gegangen sei, die Partei in ruhigeres Fahrwasser gesteuert und »endlich wieder eine leicht positive Mitgliederentwicklung«. Nun sei »Raum für die nächste Stufe«.

Katja Kipping will einen »neuen Sound für die Linke, eine Debatte darüber, was der neue strategische Anker für uns sein kann« (im Gespräch mit dem SPIEGEL, Nr. 17 vom 19.4.2014). Die Linkspartei sei als »Anti-Agenda-2010-Partei groß geworden«, jetzt könne und müsse sich die Partei als gesellschaftsverändernde Kraft breiter aufstellen.

Schon seit ihrer Gründung rekrutiere sich das Wählerpotenzial »zu fast gleichen Teilen« aus den Bereichen BürgerInnen in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen, organisierte Lohnarbeit und engagierten BürgerInnen aus allen Bildungssektoren. Es sei zwar »keine kleine Herausforderung«, aus dieser Vielfalt »eine Richtung für gesellschaftliche Veränderungen« zu bündeln und voranzubringen. Es könne aber daraus »der Kern eines progressiven Lagers entstehen, das um gesellschaftliche Hegemonie für eine sozialökologische Gerechtigkeitswende kämpft«.

Die neue Doppelstrategie, die im Zentrum der Verständigung in der Partei und als Botschaft in die Gesellschaft stehen müsse, kann folgendermaßen skizziert werden: »Einerseits ein alternativ, links-ökologisch orientiertes Milieu anzusprechen, zum anderen auch eine zu gespitzte Ansprache, die mobilisierend wirkt in Schichten, die sich von Politik eigentlich nur noch abwenden.« Die nächsten Schritte sollten nach der Erneuerung der Führungsebene der Partei auf einem Zukunftskongress der Linken entwickelt und konkretisiert werden.

Die Führung der Linkspartei (orchestriert von Katja Kipping, Bernd Riexinger, Matthias Höhn und anderen Mitgliedern des Vorstands) hat sich in den zurückliegenden Monaten nicht in bloßer Mängelverwaltung erschöpft, sondern – neben dem Alltagsgeschäft der Organisation von Wahlkämpfen und politischer Entscheidungsfindung – Ansätze zu einer kontroversen Debatte und damit auch wieder breiteres Interesse weckende Aufmerksamkeit in und außerhalb der Partei angestoßen.

Im November letzten Jahres hatte das Führungsduo ein 25-seitiges Papier zur Parteientwicklung vorgelegt, das einem neuen Anlauf zu einer Diskussion darüber dienen sollte, welchen Weg die Partei künftig beschreiten soll. Als Themen schlugen sie unter anderem eine Initiative »gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, gegen die Kultur von Stress und Angst in Arbeit und Gesellschaft« vor. Über die aufgeworfenen Fragen werde man »im kommenden Jahr einen Zukunftskongress organisieren«.

Ein solcher von den beiden Vorsitzenden vorgeschlagener Zukunftskongress wäre ein wichtiger Schritt, der vor allem dazu dienen sollte, die Partei auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Die diskursiven Defizite der Vergangenheit müssen aufgearbeitet und eine Verständigung über die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen einer modernen Linkspartei eröffnet werden.

Im Ergebnis könnte damit auch das Projekt einer rot-rot-grünen Alternative Konturen gewinnen. Dazu haben sich in jüngster Zeit verschiedene Autorinnen und Autoren zu Wort gemeldet; als ein zentrales Thema wird die Verteilungsgerechtigkeit deutlich, um Wege zu finden, nicht nur die gesellschaftliche Mitte zu stabilisieren, sondern vor allem das benachteiligte untere Drittel der Gesellschaft zu stärken.[1]


Umverteilen ist wichtig, aber nicht alles

Verteilungsgerechtigkeit muss eine tragende Säule linker Wirtschafts- und Sozialpolitik sein. Eine überzeugende Antwort darauf, wie diese erreicht werden kann, gibt es freilich nicht nur in der Linkspartei noch nicht. Der Sozialphilosoph Jürgen Habermas hat dieses Schlüsselthema vor der SPD-Bundestagsfraktion folgendermaßen umrissen: »Das viel beschworene europäische Gesellschaftsmodell beruht auf dem inneren Zusammenhang von Sozialstaat und Demokratie. Dieser Zusammenhang muss reißen, wenn sich der für die Industrieländer empirisch belegte Trend einer seit zwei Jahrzehnten stetigen Zunahme sozialer Ungleichheit nicht umkehren lässt.«[2]

Für ihn ist der »Drift zur Spaltung der Gesellschaft« verbunden »mit dem ... alarmierenden Trend einer zunehmenden politischen Lähmung und Entfremdung von Wählerinnen und Wählern aus überwiegend unterprivilegierten Schichten, das heißt mit dem Abbröckeln der gleichmäßigen Repräsentation der Wahlbevölkerung und ihres unverkürzten Interessenspektrums. Man muss keine marxistischen Hintergrundannahmen teilen, um in der Entfesselung des Finanzmarktkapitalismus eine der entscheidenden Ursachen für diese Entwicklung zu erkennen und um daraus den Schluss zu ziehen, dass wir eine aussichtsreiche Reregulierung des weltweiten Bankensektors zunächst in einem Wirtschaftsgebiet von mindestens dem Gewicht und der Größe der Eurozone durchsetzen müssen.« (ebenda)

Eine wichtige Konsequenz aus dieser Verbindung von sozialer Spaltung und der wachsenden Resignation des unteren gesellschaftlichen Drittels ist der anhaltende Niedergang der europäischen Sozialdemokratie. Dieser hat sich seit über einem Jahrzehnt in kleineren Schwankungen kontinuierlich fortgesetzt. Zum einen sind Sozialdemokraten sowohl in der Regierung als auch in der Opposition kräftig abgestraft worden, und das, obwohl der neoliberale Glaube an das Laisser-faire als Richtlinie für die Organisation der Märkte zusammengebrochen war.

Zum anderen – und das ist noch wichtiger: Der Niedergang kommt nicht aus heiterem Himmel. Seit Jahren gelingt es keiner sozialdemokratischen Partei mehr, überzeugend Wahlen zu gewinnen. Dass Europas Mitte-Links-Parteien tief in der Krise stecken, ist also nicht zu leugnen. Jedoch wird über die Gründe, die Reichweite und die Ernsthaftigkeit dieser ideologisch-organisatorischen Krise viel zu wenig debattiert.

Festzuhalten ist aber auch: Von dem Verlust an gesellschaftlicher Akzeptanz des gewerkschaftlich-sozialdemokratischen Milieus erwächst keine Stärkung einer Linken jenseits der überlieferten Parteien der Arbeit. Ein wesentlicher Grund: Viele der »kleinen Leute« haben sich bei den zurückliegenden Wahlen von der SPD abgewandt, von der Politik überhaupt. 17,6 Millionen Deutsche schlugen ihr Wahlrecht aus. Diese neue soziale Spaltung der Demokratie belegt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Deren Autoren sprechen von einer »sozial prekären« Wahl.

Ein weiterer Aspekt, der für eine alternative Zukunftsperspektive bearbeitet werden müsste, sind die Zukunftsängste und der soziale Abstieg der »gesellschaftlichen Mitte«. Bevor sich der »Mitte« zugewandt werden soll, wie dies Katja Kipping jüngst in der Erwiderung auf die Kanzlerin in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestages ankündigte, müsste allerdings zunächst einmal geklärt werden, was unter »Mitte« zu verstehen ist, und wie eine solche linke Zuwendung zur Mitte mit der Vertretung der Interessen der prekarisierten und politikfrustrierten Schichten verknüpft werden müsste.

Die Politiker der »neuen Mitte« hatten mit der Agenda 2010 Politik akzeptiert, dass aktive Wohlfahrt nicht nur mehr soziale Ungleichheit bedeutet, sondern die Vertiefung sozialer Spaltung und Ausweitung von Ausgrenzung hingenommen. Höhere Akkumulationsraten der Ökonomie waren mit der Einschränkung des sozialen Ausgleichs nicht zu erreichen, stattdessen wurde die weitere Auffächerung der Gesellschaft programmiert. Innerhalb weniger Jahrzehnte ist die soziale Zerklüftung der europäischen Gesellschaften bei anhaltender Wachstumsschwäche Realität geworden.[3]

Da der Sozialdemokratie nicht nur hierzulande strategische Konzepte zur Überwindung der immer gravierender zu Tage tretenden Ungleichheiten und damit zu einem Ausweg aus der Großen Krise fehlen, sollte die Linkspartei dies stärker in den Mittelpunkt ihrer Weiterentwicklung der Strategie rücken.


Gesellschaftspolitisches Reformprojekt

Die Alternative zum finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ist nicht einfach die Verstaatlichung des Banken- oder Finanzsystems, sondern unterstellt einen weitreichenden Prozess gesellschaftlicher Reformen. Die Linke muss dies thematisieren und zugleich Vorschläge zur Reorganisation sozialer Sicherheit sowie eines Übergangs zur Überflussgesellschaft entwickeln. Dies könnte dazu beitragen, die Grünen und die Sozialdemokratie zu fordern, ihrerseits programmatisch sich den Zukunftsherausforderungen zu stellen. So könnte DIE LINKE der Forderung nach einem Politikwechsel Kontur geben und den BürgerInnen die Notwendigkeit eines linken Korrektivs plausibel machen.

Die große Mehrheit der Bevölkerung hält nicht nur den aktuellen Stand der Verteilungsgerechtigkeit für unbefriedigend, sondern ist auch überzeugt, dass soziale Gerechtigkeit in Deutschland eher auf dem Rückzug ist. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung sind der Auffassung, dass die soziale Gerechtigkeit in den letzten drei, vier Jahren abgenommen hat, lediglich 7% sehen eine positive Entwicklung, so die Diagnose einer Studie des rheingold instituts.

Die Option eines reaktionär-populistischen Auswegs hat schon jetzt in vielen Ländern großen Zulauf – auch aus der gesellschaftlichen Mitte. Nicht nur in den skandinavischen Ländern, den Niederlanden, Belgien oder Frankreich wächst der Einfluss rechtspopulistischer Parteien. Das Gebräu aus Europa-Skeptizismus und nationalistischer Rückbesinnung ist in Italien, Ungarn und Österreich Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten längst hoffähig geworden.

Mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) hat auch hierzulande der Rechtspopulismus an Zustimmung gewonnen und ist nur knapp mit 4,7% (über zwei Mio. WählerInnen) am Einzug in den Bundestag gescheitert. Die AfD stellt die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ins Zentrum und nimmt den Übergang in das nationalstaatliche Gehäuse (vom Geld bis zur Staatsbürgerschaft) in Kauf – gleichgültig wie die europäischen Nachbarstaaten ihre massive Krise bewältigen. Einwanderung ja, aber nur ohne Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen und einem sozialen Ausgleich – so sieht rechtspopulistische Programmatik in diesem Land aus.

Eine brisante Neuformierung des bürgerlichen Lagers zeichnet sich damit auch in Deutschland ab: Zertrümmerung der FDP, Formierung einer national orientierten rechtspopulistischen Partei gefährden die »sozialdemokratisierte« christliche Volkspartei mit ihrer Zielsetzung, ggf. mit einer zwischen Widerborstigkeit und Lähmung schwankenden Sozialdemokratie auch künftig stabile Regierungsverhältnisse zu sichern.

Um dagegen einen Politikwechsel einzuleiten und in Gegenwart und Zukunft glaubwürdig vertreten zu können, muss eine moderne sozialistische Partei – zumal in Deutschland – allerdings auch die Niederlagen im 20. Jahrhundert und insbesondere den gescheiterten Sozialismus-Versuch verarbeiten. Die zentralen Konstruktionsfehler des staatssozialistischen Entwicklungsweges im 20. Jahrhundert müssen verstanden werden, um eine verantwortliche Diskussion um einen Sozialismus für das 21. Jahrhundert führen zu können.


Zukunftsorientierungen

Das europäische Projekt einer krisengeschüttelten und tief sozial gespaltenen Währungsunion führt zur fortschreitenden Zerstörung und in Südeuropa direkt zur Aushöhlung von schon einmal erreichten demokratischen und sozialen Bürgerrechte, wenn sie nicht durch das Projekt einer demokratisch legitimierten Wirtschaftsregierung und eine Sozialunion abgelöst wird. Soziale Sicherheit und Teilhabe Aller sind Voraussetzungen von aktiver politischer Beteiligung. Umgekehrt sind diese Ziele nur durch aktive politische Intervention zu erreichen. Aus dieser Einschätzung schlagen wir vor, folgende Punkte in den geplanten Zukunftskongress aufzunehmen.

Linke Alternativen einer strategischen Ausrichtung müssen differenziert auf die gesellschaftlichen Konflikte eingehen. Damit verbunden ist die Frage, wie DIE LINKE ihre systemkritische Sicht auf die anhaltende Große Krise des Kapitalismus in einen größeren politischen Einfluss umsetzen kann. Dabei müssten zwei Problemen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden:

  • erstens: die durch den Finanzmarktkapitalismus ökonomisch produzierte Prekarität und die damit einhergehenden vielfältigen Formen sozialer Ausgrenzung, die dauerhaft die Einkommens- und Vermögenspositionen der gesellschaftlichen »Mitte« bedrohen und damit das von SPD und Grünen derzeit bevorzugte Wählerklientel; und
  • zweitens: die damit einhergehende Erosion politischer Willensbildung und Repräsentation, die zu einem hohen und sozial verfestigten Nichtwählerniveau gerade bei Menschen in prekären Lebensverhältnissen führt.

Wir brauchen eine progressive Besteuerung aller Kapital- und Vermögenseinkommen und wir müssen neben der Kontrolle von Finanztransaktionen auch eine entsprechende Besteuerung durchsetzen. Vor allem müssen wir einen neuen Modus der Investitionen und der gesellschaftlichen Steuerung der Ökonomie erreichen. Die Privatisierung der sozialen Sicherheit muss rückgängig gemacht und alle Einkommensarten zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden.

Dabei werden wir auch nicht um die Überprüfung der Frage herumkommen, warum die Delegitimierung von Elementen sozialer Sicherheit (Rente, Krankenversicherung) so stark werden konnte. Ein einfaches Zurück wird es auch hier nicht geben können. Deshalb muss die Dialog- und Kooperationsfähigkeit zwischen der politischen Linken, zivilgesellschaftlichen Gruppen und den Gewerkschaften verstärkt werden.

Für Viele ist die chronische finanzielle Unterfinanzierung der Kommunen und immer weniger bezahlbarer Wohnraum eine zentrale Erfahrung von Verlust von Lebensqualität. Seit Jahren hat der Haushaltskonsolidierungskurs unter dem selbst gesetzten Diktat der »Schuldenbremse« zu einer finanziellen Ausblutung der Kommunen geführt, so dass ein aktives Gestalten der Lebensbedingungen in den Kommunen kaum mehr möglich ist. Deshalb sind Angebote der LINKEN zum Ausweg aus diesen Mangelsituationen besonders gefragt.

Die politischen Konkurrenten von der SPD – so deren Chef Sigmar Gabriel – wollen mit einer Reformstrategie für Deutschland die Sozialdemokratie über die Kommunen und Bundesländer wieder mehrheitsfähig auf Bundesebene machen. Straßen und Brücken müssten modernisiert werden, ebenso das Bildungssystem und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Allerdings sieht die Alltagspraxis anders aus, nicht nur dort wo Sozialdemokraten Regierungsverantwortung tragen, verweigern sie Eingriffe in die Verteilungsverhältnisse.

Diese muss die LINKE fordern und sie zudem mit einem umfassenden Investitionsprogramm verknüpfen, dessen Finanzierung über den Umbau des Steuersystems sichergestellt werden müsste. Höhere Steuern auf hohe Einkommen, rentable Unternehmen, Kapitaleinkünfte und große Vermögen sind dringend geboten, dies generiert höhere staatliche Einnahmen und schafft zudem mehr Steuergerechtigkeit.

Ergänzt werden müsste dies weiterhin durch eine linke Alternative zum Länderfinanzausgleich, dessen Kern ein sozialer und solidarischer Föderalismus sein sollte. Den Bundesländern soll es hierdurch ermöglicht werden, ihre Ausgaben an den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung auszurichten, ohne gleichzeitig einem permanenten Druck zu unterliegen, Leistungen abzubauen oder auszudünnen.

Schließung von Einrichtungen, Kürzungen der Öffnungszeiten oder Streichung von Zuschüssen zur Vereinsarbeit der BürgerInnen heißt das Rezept, mit dem kommunale Finanzpolitiker mit der katastrophalen Lage der öffentlichen Kassen umzugehen. Dagegen müsste DIE LINKE die Forderung nach Rekommunalisierung von öffentlichen Unternehmen noch stärker machen – sie knüpft damit nicht nur an erfolgreiche bürgerschaftliche Initiativen an, sondern macht auch deutlich, in welche Richtung eine tragfähige Strategie der Popularisierung von Alternativen und nichtkapitalistischen Eigentumsformen gehen sollte: Wohnen, Energie, Wasser, Abwasser, überhaupt Ver- und Entsorgung, aber auch öffentlicher Personennahverkehr und die Erzeugung, Erhaltung und Ausbau öffentlicher Infrastruktur können und müssen anders als über reine Marktstrukturen organisiert werden.

Und wir treten dafür ein, Wirtschaftsdemokratie als Alternative zu debattieren und stark zu machen. Dabei geht es um weitreichende Veränderungen in den Unternehmen und der Organisation der Arbeit: Zurückdrängung von Shareholder Value-Steuerung, Outsourcing und Konzentration auf das profitabelste Kerngeschäft. »Neue Wirtschaftsdemokratie« müsste als komplexes Programm ausgestaltet werden: von demokratischer Partizipation im Betrieb bis zu makroökonomischer Wirtschaftssteuerung.

Die arbeitspolitische Dimension der aktuellen Krise macht die Verschränkung deutlich: Die Einebnung der großen realökonomischen Entwicklungsunterschiede – die den Gläubiger-Schuldner-Verhältnissen zugrunde liegen – erfordert andere Produktions- und Arbeitsregime. Und das Scheitern finanzmarktgetriebener Akkumulation in der Krise erfordert eine neue Auseinandersetzung über nachhaltige Unternehmenssteuerung. Eine entscheidende Frage sollte bei der Ausarbeitung des Konzepts sein, wie ambitionierte Anforderungen von Wirtschaftssteuerung mit einem Aktivierungskonzept von »unten« gekoppelt werden können.

Wenn der kommende Parteitag für die genannten Problemfelder das Signal senden könnte, dass sie stärker ins Zentrum der innerparteilichen Debatte gerückt werden sollten, wäre das schon ein Gewinn. Und ein Zeichen für einen Zukunftskongress, der nicht nur innerhalb der Partei seine wichtige Funktion hätte, sondern darüber hinaus die Debatten der gesamten politischen Linken, der zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Kräften befördern würde.

[1] Siehe zum Beispiel tom strohschneider, linke mehrheit? über rot-rot-grün, politische bündnisse und hegemonie. eine flugschrift (Hamburg 2014) sowie Beiträge in der Printausgabe bzw. im Blog der sozialistischen Tageszeitung neues deutschland von Horst Kahrs, Benjamin-Immanuel Hoff, Horst Arenz, Michael Brie und Dieter Klein u.a.
[2] Jürgen Habermas, »›Für ein starkes Europa‹ – aber was heißt das?«, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 3-2014, S. 86.
[3] Hier ordnen wir auch die aktuelle Debatte um das Buch des französischen Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty »Capital in the 21st Century« ein.