Abschaffung des Soli ist Ende der Solidarität!
Von Axel Troost
In den letzten zwei Jahren häufen sich Reformvorschläge und politische Forderungen zur Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs (LFA), bis hin zur Klage von Bayern und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht. In der aktuellen Diskussion wird der Solidaritätszuschlag erneute zur Disposition gestellt oder gegen einen Altschuldenfonds ausgespielt. Richtig ist: Sowohl der Solidaritätszuschlag als auch ein Altschuldenfonds sind entscheidende Bestandteile eines solidarischen und aufgabengerechten Länderfinanzausgleichs.
Die aktuell zu beobachtende Entsolidarisierung zwischen den Bundesländern ist angesichts der aktuellen Lage ein naheliegender Reflex – und sehr besorgniserregend. Massive Steuersenkungen Ende der 90er Jahre erzwangen hohe Verschuldung und Investitionsstau bei allen Bundesländer und den meisten Kommunen. Selbst die wohlhabenden Bundesländer und ihre Kommunen verfügen nicht mehr über ausreichende Steuereinnahmen, um die ihnen übertragenen Aufgaben zuverlässig und nachhaltig zu schultern.
Nur vor diesem Hintergrund ist die Klage von Bayern und Hessen mit dem Ziel einer deutlichen Reduzierung ihrer Ausgleichslasten einzuordnen: die „Geberländer“ verfügen zwar über höhere Finanzmittel als die „Nehmerländer“, aber sie reichen trotzdem nicht. Insofern versuchen die strukturstärkeren Bundesländer, die insgesamt zu kurze Finanzdecke über die eigene Nase zu ziehen und nehmen dabei billigend in Kauf, strukturschwächere Bundesländer ihrem Schicksal zu überlassen.
In dieses Bild passt, dass die große Koalition keine dritte Föderalismuskommission einberufen hat, sondern bis Ende des Jahres 2014 an Parlament und Öffentlichkeit vorbei eine Regelung aushandeln will.
Der jüngste Vorstoß Schäubles den Solidaritätszuschlag abzuschaffen muss in diesem Zusammenhang als ein weiterer Tropfen zur Aushöhlung des solidarischen Länderfinanzausgleichs gesehen werden. Es ist zu befürchten, dass dies auf eine Abwicklung des solidarischen Grundgedankens im föderalen System der Bundesrepublik hinauslaufen wird. Stattdessen soll durch scharfen Wettbewerb zwischen den Ländern eine Ellenbogen-Mentalität geschaffen werden, in der mittelfristig fast alle verlieren dürften.
Aber muss in der Not jeder sich selbst der Nächste sein und eine solidarische Politik ihr Ende finden? Nein, ganz im Gegenteil: Heute ist es wichtiger denn je, für eine gemeinsame und solidarische Lösung einzustehen. Für einen Länderfinanzausgleich, der niemanden im Regen stehen lässt.
Der Solidaritätszuschlag, daran soll erinnert werden, wurde zur Finanzierung des Solidarpaktes eingeführt. Seine Aufgabe war die solidarische Finanzierung des strukturpolitischen Aufbaus der neuen Bundesländer. Angesichts eines drängenden Bedarfes an regionaler Strukturpolitik werden diese Gelder weiterhin dringend gebraucht: Sowohl nach wie vor im Osten, als auch vermehrt im Westen.
Behielte der Bund diese Mittel nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II zur freien Verfügung, wäre dies tatsächlich problematisch. Daraus darf jedoch nicht die Abschaffung des Solis folgen, sondern seine erneute Zweckbindung auf die Finanzierung von Strukturpolitik im Rahmen eines neuen Solidarpaktes: Um einer ökonomischen Spaltung Deutschlands entgegenzuwirken, muss ein Solidarpakt III bundesweit strukturschwache Regionen gezielt unterstützen.
Das Grundlagenpapier der Finanzpolitik-AG zum Länderfinanzausgleich[1] legt dar, warum die Forderung nach (1) einem Altschuldenfonds sowie (2) einem Solidarpakt III wichtige Bestandteile linker und solidarischer Politik bleiben müssen:
Erstens brauchen wir einen Altschuldenfonds, um die Zinslast von Ländern und Kommunen zu senken. Ende 2011 betrugen die gesamten Schulden der Länder und Kommunen rund 745 Mrd. Euro. Die Belastung der einzelnen Bundesländer durch zu leistende Zinszahlungen ist dabei sehr unterschiedlich. Bayern muss für die Zinslasten des Landes und seiner Kommunen 3,4 Prozent der gemeinsamen Einnahmen aufwenden, das Saarland 16,6 Prozent und Bremen ganze 20,7 Prozent. Gegenüber Bayern muss Bremen also den sechsfachen Anteil des Haushalts für den Schuldendienst aufwenden – Geld, das für eine aufgabengerechte Erfüllung der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht mehr verfügbar ist. Es ist kaum vorstellbar, wie die hochverschuldeten Bundesländer bei diesen Belastungen ihre Aufgaben ab 2020 in vergleichbarer, bundesweit einheitlicher Qualität erfüllen sollen. Notwendig ist daher ein gemeinsamer Altschuldenfonds: Alle kommunalen und föderalen Schulden werden in einen bundesweiten Länder-Altschuldenfonds übernommen, der auf den Kapitalmärkten – vergleichbar mit dem Bund – deutlich günstigere Zinskonditionen als einzelne Ländern und Kommunen erzielen kann. Das gibt allen Ländern gleich viel Luft zum Atmen. Für die Tilgung wären die Länder nach wie vor selbst verantwortlich.
Zweitens ist ein Solidarpakt III für ganz Deutschland erforderlich. Auch ein reformierter Länderfinanzausgleich nach 2019 kann die noch bestehenden strukturellen Mängel und ausgezehrte Infrastruktur nicht auffangen. Dies muss über Ländergrenzen hinaus mit einem Solidarpakt III gezielt und koordiniert angegangen werden. Denn auch wirtschaftsstarke Bundesländer sind nur bedingt in der Lage, ihre strukturschwachen Regionen dauerhaft an das Niveau ihrer prosperierenden Wirtschaftszentren heranzuführen. Und wie eine Angleichung zwischen den neuen Bundesländern, Teilen des Ruhrgebietes oder in Bremerhaven ohne Bundesmittel erfolgen soll, ist selbst in den kühnsten Träumen kaum vorstellbar. Deshalb wird auch nach 2019 ein über den Solidaritätszuschlag gespeister Solidarpakt III benötigt.
Durch diesen verpflichtet sich der Bund weiterhin zu strukturausgleichenden Maßnahmen und Förderprogrammen, allerdings nicht mehr ausschließlich im Osten, sondern bundesweit, damit strukturschwache Regionen in Ost wie West sowie Süd und Nord nicht abgehängt werden. Der Tendenz zu uneinheitlichen Lebensverhältnissen in Deutschland muss Einhalt geboten werden.
Der Solidaritätszuschlag muss künftig zur zweckgebundenen Finanzierung dieser notwendigen ausgleichenden Strukturpolitik verwendet werden. Eine Abschaffung des Soli bei gleichzeitiger Erhöhung der Einkommen-, Kapital- und Körperschaftsteuern würde bedeuten, dass Teile des Geldes nicht mehr zentral beim Bund, sondern bei den Ländern und Kommunen landen. Davon aber würden wiederum nicht die bedürftigen, sondern vor allem die finanzstarken Länder und Kommunen profitieren. Bei den besonders verarmten Kommunen käme nur wenig an.
Die Abschaffung des Soli wäre somit das Gegenteil eines Ausgleichs zwischen den Ländern und Regionen, und würde den finanziellen und strukturellen Graben noch vertiefen. Dies würde sogar einen deutlich höheren Länderfinanzausgleich notwendig machen um eine Auseinanderentwicklung der Lebensverhältnisse in Deutschland zu verhindern. Realistischer ist aber, dass sich die aktuell finanzstarken Länder gegen höhere Transfers verwehren und somit die finanzschwachen Ländern und Kommunen verlieren werden.
Die Forderung nach Abschaffung des Soli bedeutet folglich den Anfang vom Ende der Solidarität und hat mit sozialer Politik nichts mehr zu tun.
[1] Das Diskussionsangebot eines Autorenkollektivs der Finanzpolitischen Arbeitsgruppe "Länderfinanzausgleich" der Bundestagsfraktion DIE LINKE ist abrufbar unter: www.dielinke.de und auf www.axel-troost.de. Eine Broschüre und Einladung zu einem Fachgespräch am 20.09.2014 sind zu finden unter: www.linksfraktion.de
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