Griechenland-Wahl: die feinen Risse im Block der Austeritätspolitiker weiter vergrößern
Von Axel Troost
Am Sonntag wählt Griechenland. Die Wahl steht stimmungsmäßig in scharfem Kontrast zur Wahl im Januar. Damals die Euphorie über ein mögliches Ende der Austeritätspolitik in Griechenland und Europa, jetzt die Katerstimmung über das Scheitern des ambitionierten (damaligen) Syriza-Wahlprogramms an der knallharten Machtpolitik der Eurogruppe. Von Aufbruchsstimmung ist nach den Entwicklungen der letzten Monate nur noch wenig zu spüren. Doch es wäre falsch, die Wahl deswegen als unbedeutend abzutun – im Gegenteil.
Nichts wäre fataler als eine Wahlschlappe der griechischen Linken. Dann wäre die Syriza-Regierung eine kurze Episode in der europäischen Geschichte mit der Lehre, dass sich der Einsatz für links-alternative Politik nicht lohnt. Danach sieht es aber zum Glück nicht aus. Alexis Tsipras ist nach wie vor in der Bevölkerung sehr populär, auch weil er der einzige Kandidat mit realistischen Wahlchancen ist, der für die Beseitigung der korrupten Strukturen steht. Syriza liefert sich in den (eher unverlässlichen Umfragen) ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der konservativen Nea Demokratia. Klar scheint dagegen aber auch, dass die von Syriza abgespaltene Partei der Volkseinheit nicht nur mangels Koalitionspartnern keine Chance auf eine Regierungsbeteiligung hat, sondern in der Bevölkerung auch ein großes Akzeptanzproblem – in Umfragen mal unter, mal über der griechische Drei-Prozent-Hürde. Letztlich schafft aber auch der griechische Parlamentsbonus von 50 Sitzen für die stärkste Partei eine solche Unwägbarkeit, dass alle Aussagen über Parlamentsmehrheiten hoch spekulativ sind.
Abgesehen von Koalitionsarithmetik ist aber die viel entscheidendere Frage, welche Chance eine linke Politik in Griechenland nach dem Ultimatum vom Juli überhaupt noch hat. Denn bekanntlich hat Griechenland seitdem eher den Status eines Protektorats als den eines souveränen Staates. Doch bei genauerem Hinsehen bietet das von Griechenland unterzeichnete Memorandum of Understanding an etlichen Stellen die von Varoufakis so bezeichnete „produktive Undeutlichkeit“, wo Vereinbarungen in die eine oder andere Richtung interpretiert werden können – also Spielräume für eine alternativ-linke oder eine neoliberale Politik bieten. Das gilt beispielsweise für das Arbeitsrecht, das „besten europäischen Praktiken“ entsprechen soll und wo sich die Vorschläge der ILO oder das europäische Sozialmodell gegen das neoliberale Modell der Deregulierung stellen lassen. Das gilt aber auch für den griechischen Treuhandfonds, der nach griechischer Lesart mehr ein Fonds sein soll, der griechisches Staatseigentum bündelt und zur Generierung von Einnahmen nutzt, als ein Fonds, der Staatseigentum privatisiert und verschleudert.
Nach Ansicht des früheren griechischen Arbeitsministers Georgios Katrougalos ist Griechenland ein Laboratorium der Zukunft Europas. Was sich in Griechenland durchsetzt, wird deswegen auch nicht in Griechenland stehen bleiben. Auch deswegen ist es wichtig, die feinen Risse im Block der Austeritätspolitiker wahrzunehmen und die griechische Linke (ob in der neuen Regierung oder außerhalb) dabei zu unterstützen, sie weiter zu vergrößern.
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