Der griechische 50 Milliarden-Fonds – eine vorläufige Einschätzung

Von Axel Troost

15.07.2015 / 15.07.2015

Ein Teil der unsäglichen Erklärung der Eurogruppe zu Griechenland ist die Gründung eines 50 Mrd. Euro schweren Fonds aus griechischem Staatsvermögen. Die Assoziation mit der ostdeutschen Treuhand und der Verschleuderung von griechischem Staatsbesitz liegt nahe. Angesichts der mickrigen Privatisierungserlöse der letzten Jahre ist völlig schleierhaft, woher die neuen 50 Mrd. Euro kommen sollen. Dieser Fonds ist (neben der Streichung der Passage zum Grexit) der einzige Punkt, an dem Tsipras das Papier der Eurofinanzminister in nennenswertem Umfang umschreiben lassen konnte. Insgesamt zeigt sich: Bei der Interpretierung des Beschlusses gibt es Spielräume, die so oder so genutzt werden können.

Ursprünglich hatte Schäuble gefordert, den Fonds an die „Institution for Growth“ in Luxemburg anzukoppeln. Bei dieser ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein entscheidender Spieler, die wiederum der Kontrolle durch das deutsche Finanzministerium unterliegt. Das wäre einer deutsche Enteignung gleichgekommen. Doch dazu ist es nicht gekommen.

Der Fonds wird nun von Griechenland aufgebaut und von griechischen Behörden geführt werden – allerdings unter Aufsicht der relevanten europäischen Institutionen. Das operative Geschäft wird also zunächst einmal von griechischer Seite organisiert, was positiv ist. Wie groß ihre Handlungsspielräume tatsächlich sein werden, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Für die griechische Regierung ist das Vorbild für den Fonds jedenfalls nicht die deutsche Treuhand, sondern der norwegische Staatsfonds.

Der Beschluss der Eurogruppe besagt, dass griechische Vermögenswerte in einen Fonds transferiert werden, die durch Privatisierungen oder auf anderem Wege monetarisiert werden. In einigen Fällen könnte die Privatisierung inzwischen so fest vereinbart sein, dass sie nicht mehr umgekehrt werden kann.[1] In diesen Fällen kann die griechische Seite (mit Bezug auf die in der Erklärung genannten internationalen Grundsätze) hoffentlich verhindern, dass Vermögen in bisher bewährter Manier zu Niedrigstpreisen verramscht werden. Aber schon bei den Regionalflughäfen, deren Privatisierung Bestandteil des letzten griechischen Kompromissvorschlags waren, ist auch der Weg über ein Konzessionsmodell denkbar, mit dem Einnahmen erzielt werden. Ansonsten ist aber klar festgehalten, dass es jenseits von Privatisierungen Alternativen geben kann (z.B. aus dem Betrieb archäologischer Stätten, aus Gewinnen öffentlicher Unternehmen, aus Dividendenzahlungen etc.), die dann auch zu Zahlungen aus den Fondsvermögen führen können.

Hinsichtlich der utopisch erscheinenden 50 Mrd. Euro steht jetzt schon relativ fest, dass ein großer Beitrag über die Überführung der Banken in den Fonds stammen könnte. Diese müssen wohl in Kürze umfangreich rekapitalisiert werden (im Gegenzug gegen Bankanteile). Dafür sind derzeit 25 Mrd. Euro vorgesehen. Bereits jetzt ist der griechische Staat der Haupteigentümer der großen griechischen Banken. Da staatlich gestützte Banken laut der bis zum 22. Juli 2015 von Griechenland umzusetzenden Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD) mittelfristig wieder verkauft werden müssen, liegt es erst recht nahe, die Banken in den neuen Fonds zu übertragen. Dies könnte bei dem derzeit angesetzten Rekapitalisierungsbedarf schon die Hälfte des Fonds ausmachen. Allerdings werden im Gegenzug die Hälfte der Fondserträge dazu verwendet werden müssen, die Kredite für die Bankenrekapitalisierung zurückzuzahlen.

Ein weiteres Viertel der Fondserträge soll für die Verringerung der Schuldenquote verwendet werden (wobei nicht klar ist, ob das unbedingt Schuldenrückzahlung bedeuten muss, weil auch wachstumsfördernde Maßnahmen über den Zuwachs an BIP zu einem Abbau der Schuldenquote führen würden). Ein weiteres Viertel (also bis zu 12,5 Mrd. Euro) soll für Investitionen zur Verfügung stehen. Damit bekommt die griechische Regierung aber in begrenztem Ausmaß auch die klare Freigabe, Geld für die dringend benötigten Wachstumsimpulse investieren zu können.

Vor diesem Hintergrund ist der 50 Milliarden-Fonds nicht mehr ganz so negativ. Richtig gewendet würde der Fonds an frühere Überlegungen von Yanis Varoufakis zu „einem Entwurf für die Erholung Griechenlands“ anknüpfen.[2] Es hängt aber davon ab, was die griechische Regierung daraus macht und inwiefern die üblichen Verdächtigen ihr in die Parade fahren. Mit bösen Überraschungen muss man rechnen. Allerdings besteht die Welt zum Glück nicht nur aus Schwarz und Weiß.

Wortlaut der Erklärung vom 12./13. Juli 2015

Darüber hinaus ergreift die griechische Regierung die folgenden Maßnahmen: Ausarbeitung eines deutlich nachgebesserten Programms für die Privatisierung mit verbesserter Steuerung; Transfer von hohen griechischen Vermögenswerten an einen unabhängigen Fonds, der die Vermögenswerte durch Privatisierungen und andere Wege monetarisiert. Die Monetarisierung der Vermögenswerte wird eine Quelle für die vereinbarte Rückzahlung des neuen ESM-Darlehen sein und soll während der Laufzeit des neuen Darlehens einen angestrebten Gesamtwert in Höhe von 50 Mrd. EUR erzielen, wovon 25 Mrd. EUR für die Rückzahlung der Rekapitalisierung von Banken und anderen Vermögenswerten verwendet werden und 50% jedes verbleibenden Euro (d.h. 50% von 25 Mrd. EUR) für die Verringerung der Schuldenquote und die übrigen 50% für Investitionen genutzt werden. Dieser Fonds würde in Griechenland eingerichtet und von den griechischen Behörden unter Aufsicht der maßgeblichen europäischen Organe und Einrichtungen verwaltet werden. In Abstimmung mit den Institutionen und aufbauend auf bewährten internationalen Verfahren sollte ein Rechtsrahmen angenommen werden, um gemäß den Grundsätzen und Standards der OECD in Bezug auf die Verwaltung staatseigener Unternehmen transparente Verfahren und eine angemessene Preisbildung für die Veräußerung von Vermögenswerten sicherzustellen“.

[1] Aus Reihen der griechischen Regierung wurden Privatisierungen schon vor Monaten nicht pauschal abgelehnt, wenn sie nicht zu Schleuderpreisen passieren. Angesichts der jahrelangen Klientelwirtschaft liegt es nahe, dass etliche Staatsbetriebe u.a. von Günstlingen der Neo Demokratie und Pasok durchsetzt worden sind und nicht im Sinne von Syriza oder der griechischen Bevölkerung geführt werden.

[2] www.project-syndicate.org

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