Vermögende am Investitionszukunftsprogramm beteiligen
Rede von Gesine Lötzsch am 24.11.15 im Deutschen Bundestag zum Haushalt 2016/ Einzelplan Finanzen
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den eindringlichen Worten des Präsidenten zu Beginn unserer Sitzung fragt man sich natürlich: Wird diese Bundesregierung ihren Aufgaben gerecht? Wir als Linke müssen diese Frage leider mit Nein beantworten. Diese Bundesregierung wird ihren Aufgaben überhaupt nicht gerecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung und die Koalition aus Union und SPD stellen sich in der Öffentlichkeit als Panikorchester dar.
(Johannes Kahrs (SPD): Na, na!)
Die Dirigentin Merkel wird vom Orchester ignoriert, und der CSU-Vorsitzende Seehofer gibt unaufgefordert ein schräges Solo nach dem anderen. Finanzminister Schäuble hat den Taktstock schon fest in der Hand und gibt den Schattenkanzler. Es vergeht keine Woche, Herr Schäuble, in der Sie nicht mit boshaften Formulierungen die Stimmung gegen die Flüchtlinge anheizen. Sie haben von „Lawinen“ gesprochen, als es um Flüchtlinge, also Menschen, ging. Ich finde, das ist mit einem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie, Herr Schäuble, haben verfassungswidrige Vorschläge unterbreitet; zum Beispiel haben Sie den Einsatz der Bundeswehr im Innern gefordert. Mindestens einmal in der Woche ruft Herr Seehofer den Notstand aus und sieht die Belastungsgrenze erreicht. Ich bitte Sie, ich fordere Sie auf: Reden Sie lieber über die Ursachen der Flucht! Reden Sie über Krieg, über Elend, und lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es in dieser Welt keinen Krieg mehr gibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer nun den Haushalt liest, muss relativ unaufgeregt feststellen, dass im Haushalt von Notstand keine Rede sein kann. Die Unterbringung und die Versorgung von Flüchtlingen führen nicht dazu, dass der Finanzminister neue Schulden aufnehmen muss.
(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Woran liegt das? Gute Politik!)
Er kann das alles aus den laufenden Einnahmen finanzieren.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Super!)
Das sah 2008, in der Finanzkrise, ganz anders aus: Innerhalb einer Woche wurden 480 Milliarden Euro zur Rettung von maroden Banken bereitgestellt. Die Steuerzahler wurden für die Kasinokosten der Banken zur Kasse gebeten, und die Staatsverschuldung schoss in die Höhe. Das war ein echter Notstand;
(Zuruf des Abg. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD))
aber damals haben weder Seehofer noch Schäuble dieses Wort in den Mund genommen, und sie waren nicht der Meinung, dass bei 480 Milliarden Euro eine Belastungsgrenze erreicht sei. Damals hätte man von einem Notstand sprechen müssen!
(Beifall bei der LINKEN)
Die Koalitionsfraktionen sagen nun, dass sie für 2016 circa 7,5 bis 8 Milliarden Euro für die Flüchtlinge bereitgestellt hätten. Ich sage Ihnen: Das ist nicht ganz richtig; denn die neuen Stellen für die Bundespolizei zum Beispiel sind ja nicht in erster Linie für die psychologische Betreuung der Flüchtlinge gedacht. Die Bundespolizisten sollen auch dafür sorgen, dass Flüchtlinge abgeschoben und die Grenzen dichtgemacht werden. Ich finde, das ist nicht die richtige Priorität. Die richtigen Prioritäten für mehr Sicherheit in unserem Land sind Integration und die Beendigung einer nicht friedlichen Außenpolitik.
(Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Geht es eigentlich jetzt um Haushalt?)
Besonders die Auseinandersetzung um die Sprachkurse für Flüchtlinge finde ich sehr bezeichnend. Finanzminister Schäuble meinte, dass die Flüchtlinge nicht nur 1,39 Euro pro Monat für die Sprachkurse zahlen sollen, sondern 36 Euro. Die Begründung, die aus dem Finanzministerium zu hören war, hieß - ich zitiere -: Der Spracherwerb schaffe erst „die elementare Voraussetzung dafür ... im späteren Verlauf auch andere Angebote in Anspruch zu nehmen“. Was ist denn das für eine Begründung?
Herr Schäuble, ich frage Sie: Wie viel Geld haben Sie von den Bankvorständen zurückgefordert, als wir uns die schlimmste Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten? Wenn es um Hartz IV, Kindergeld, Flüchtlinge und Alleinerziehende geht, werden Sie zum Pfennigfuchser. Wenn es aber um Ihre CDU-Klientel geht, die Vermögenden, dann kennt Ihre Großzügigkeit keine Grenzen. Wann wollen wir endlich für eine gerechte Besteuerung der Vermögenden in unserem Land sorgen? Ich finde, das ist die Aufgabe der Stunde.
(Beifall bei der LINKEN)
Die von der SPD eingeführte Abgeltungsteuer war ein Geschenk an die, die hohe Kapitaleinkünfte haben. Allein die Dividendenkönigin des Jahres 2015, Frau Schaeffler und ihre Familie, haben nach Berechnungen der WirtschaftsWoche 549 Millionen Euro an Ausschüttungen eingestrichen.
(Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Ja, aber Dividenden haben damit nichts zu tun! Das muss man aber wissen, Frau Lötzsch! Es geht um Zinsen!)
Es ist doch nicht gerecht, dass Kapitaleinkünfte steuerlich besser behandelt werden als Arbeitseinkünfte. Wir als Linke fordern die sofortige Abschaffung der Abgeltungsteuer. Dann hätten wir wesentlich mehr Geld in der Kasse.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Johannes Kahrs (SPD): Bei den jetzigen Zinssätzen macht das gar nichts!)
Mit dem Bundeshaushalt versucht die Bundesregierung nur die allernötigsten Aufgaben abzusichern. Doch es wäre jetzt an der Zeit, einen Haushalt zu beschließen, der unsere Zukunft absichert. Die Linke hat deshalb ein Investitionsprogramm für die Zukunft vorgeschlagen. Ein solches Programm würde die Erfüllung von zwei Aufgaben gleichzeitig möglich machen: Modernisierung unserer Gesellschaft und Integration von Flüchtlingen.
Sie alle wissen: Wir haben in Deutschland einen riesigen Investitionsstau. Investitionen in Wohnungen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Theater und Schwimmhallen sind für alle gut. Sie schaffen Arbeitsplätze für die Menschen, die schon hier sind, und für die, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Für solch ein Programm - das kann ich nur noch einmal unterstreichen - müsste man keine neuen Schulden aufnehmen, wenn man Vermögen gerecht besteuern würde.
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre Angst, meine Damen und Herren, insbesondere von der Union, vor der Macht der Vermögenden setzt die Zukunft unserer Gesellschaft aufs Spiel. Gerechtigkeit geht anders.
Vielen Dank.
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