Faktencheck: Fakt ist...! Servus Euro! Geht unser Geld den Bach runter?
Aufzeichnung der Sendung im MDR & Faktencheck
Moderatorin Uta Georgi diskutierte in "Fakt ist...!", ab 22.05 Uhr im MDR mit:
Heinz-Peter Haustein, FDP, Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages und Unternehmer, Prof. Wolfgang Gerke, Finanzexperte, Stefan Wolff, ARD-Börsenexperte,
Axel Troost, Die Linke, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und Mitglied des Vorstandes des Institutes Solidarische Moderne (ISM)
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Hier der Faktencheck zur Sendung:
Woran krankt die Euro-Debatte?
Die Eurokrise hat mehrere Ursachen. Geredet wird vor allem über die Haushaltsführung in den Krisenstaaten. Tatsächlich hat erst die Finanzkrise dafür gesorgt, dass die Staatsschulden abrupt in die Höhe geschossen sind. Das gilt auch für Deutschland: Bei der Abwicklungsanstalt der HRE liegen 173 Milliarden Euro, für die komplett der Staat haftet und über die heute fast niemand mehr redet. Insgesamt sind es mehr als 250 Milliarden Euro, für die der Bund durch die Bankenrettung haftet. Während die Bevölkerung in den Krisenstaaten nun herbe Einschnitte verordnet bekommt, wurde in der Finanzbranche noch niemand für Misswirtschaft zur Rechenschaft gezogen und die Finanzmarktregulierung kommt nicht voran.
Ein weiterer wenig beachteter Grund für die Krise ist das Durcheinander in der Wirtschaftspolitik. Jeder Eurostaat versucht, für sich das vermeintlich Beste herauszuschlagen und kümmert sich nicht um die Folgen in den anderen Staaten. In einer Währungsunion ist so etwas besonders fatal, denn es fehlen die Wechselkurse als Stoßdämpfer für unterschiedliche Entwicklungen. Weil sich die Regierungen auch gerne von Interessenverbänden einspannen lassen oder von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen oder von Vermögenden gegeneinander ausspielen lassen, erleben wir seit Jahren einen ruinösen Wettlauf um niedrige Steuern und niedrige Löhne. Dies rächt sich gerade.
Was bedeutet das für Europa?
Die Währungsunion steht vor einer Zerreißprobe. Entweder lässt man die Währungsunion zerbrechen (und lebt mit den sehr ungemütlichen Folgen) oder man setzt sich konsequent für ihren Erhalt ein. Die Bundesregierung hat versucht, sich durchzuwursteln. Der Hickhack über die Rettungsmaßnahmen hat aber dazu geführt, dass die Krise auf immer mehr Staaten übergesprungen ist und ständig nachgelegt werden muss.
- Positionspapier: Wege aus der Krise, Positionspapier, Fraktion DIE LINKE.
Was bedeutet das für die Währungsunion?
Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik funktioniert nicht. Das haben alle Regierungen der Eurostaaten missachtet, lässt sich aber an Deutschland gut belegen: Alle deutschen Regierungen haben seit Einführung des Euros die Löhne gedrückt (Agenda 2010, Leiharbeit, Mini-Jobs und Hartz IV). Die inflationsbereinigten Löhne (Reallöhne) sind darum von 2000 bis 2010 in Deutschland um 4,5 Prozent gesunken. In allen anderen Euro-Staaten sind sie dagegen gestiegen. Das Lohndumping hat der deutschen Exportwirtschaft genutzt, aber auch dazu geführt, dass die anderen Staaten weniger wettbewerbsfähig sind. Die Eurostaaten konnten sich nämlich nicht mehr – wie vor Einführung des Euros – durch eine Abwertung ihrer Landeswährung wehren.
Ein anderes Beispiel für ruinöse Standortkonkurrenz ist die Steuerpolitik. Seit 1995 ist der durchschnittliche Körperschaftssteuersatz in der EU um mehr als ein Drittel gesunken. Auch Steuern auf Erbschaften und Vermögen wurden deutlich gesenkt. Deswegen ist es falsch, wirtschaftliche Anpassungen allein von den Krisenstaaten zu fordern. Es müssen sich alle Staaten um eine Koordinierung kümmern. Dazu braucht es noch nicht einmal ein europäisches Finanzministerium oder eine Zentralregierung. Es reichen klare und verbindliche Regeln. Dazu gehört, dass ein Staat nicht langfristig deutlich unter oder über seinen Verhältnissen leben darf. So etwas wollen wir durch unsere Forderung nach einer Ausgleichsunion erreichen.
- Axel Troost & Lisa Paus, Eine Europäische Ausgleichsunion – Die Währungsunion 2.0, SCHRIFTENREIHE DENKANSTÖßE
Der deutsche Staat verdient auch an der Eurokrise
Wegen der Panik an den Finanzmärkten sind die Anleger ratlos, wie sie ihr Geldvermögen anlegen sollen. Anleger, die früher in Aktien oder andere Staatsanleihen investiert haben, haben Angst um ihr Geld und stecken es lieber in sicher geltende Staatsanleihen. Deutschland gilt als sicherer Hafen. Weil es einen regelrechten Ansturm auf deutsche Anleihen gibt, notieren die Renditen auf deutsche Staatsanleihen derzeit bei unter drei Prozent. Daher muss der deutsche Staat nur extrem niedrige Zinsen zahlen. „Der Zinsvorteil für das Jahr 2011 beträgt bei einem Unterschied von einem Prozentpunkt knapp drei Milliarden Euro“, sagt der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel
Den Krisenstaaten wurde das Geld nicht geschenkt, sondern unter harten Auflagen verliehen. Solange sie ihre Schulden bedienen können, wird Deutschland an diesen Nothilfen weiter verdienen. Irland, Portugal und Griechenland haben das Geld zunächst zu Strafzinsen verliehen bekommen. Weil inzwischen aber klar ist, dass mit Strafzinsen die ohnehin hoch verschuldeten Staaten langfristig nicht in der Lage sind, ihre Schulden zurückzuzahlen, wurden die Zinsen nun auf ein Niveau von etwas über drei Prozent gesenkt. Auch damit handelt es sich aber immer noch nicht um Geschenke.
Kommt nun eine große Inflation?
Die Zentralbanken sind weltweit seit Ausbruch der Krise damit beschäftigt, Geld in die Finanzmärkte zu pumpen, um eine Rezession zu verhindern. Die Europäische Zentralbank etwa bietet Banken Geld zu extrem niedrigen Zinsen an. Deswegen befürchten viele Bürger nun eine Geldentwertung durch Inflation. Dennoch liegt die Inflationsrate hierzulande derzeit in der Nähe des Inflationsziel von zwei Prozent. Ökonomen haben in den letzten Jahrzehnten festgestellt, dass die Geldmenge zwar deutlich stärker gestiegen ist als die reale Produktion an Waren und Dienstleistungen, die Inflation dafür aber vergleichsweise niedrig gewesen ist. Dies liegt daran, dass das zusätzliche Geld eben nicht für Waren und Dienstleistungen verwendet wurde, sondern vor allem in Finanzanlagen und Vermögensbestände investiert wurde. Dies führte zu steigenden Preisen etwa für Aktien oder Immobilien und ist immer wieder Ursachen für Finanzkrisen. Deswegen ist es sinnvoll, dass überschüssige Geld auf anderem Weg wieder abzusaugen – etwa durch eine Finanztransaktionssteuer oder durch Vermögenssteuern. Beide Steuern treffen vor allem diejenigen, die ihr Geld nicht mehr konsumieren (können), sondern an den Finanzmärkten anlegen. Einige Ökonomen warnen wegen Inflationsgefahr auch vor Lohnsteigerungen. Solange aber die Verbraucher keine positive Erwartung über ihr zukünftiges Einkommen haben, was derzeit in allen großen Wirtschaftsräumen der Fall ist, wird es auch keine Belebung der Konjunktur geben. Ein wichtiger Beitrag Deutschlands gegen die drohende Rezession wäre dafür eine staatlich koordinierte Lohnpolitik mit dem Ziel höhere Löhne.Ist das Schuldenproblem überhaupt noch lösbar?
Die Staatsschulden sind mit der Finanzkrise weltweit deutlich gestiegen. Deswegen fordern viele Politiker nun ein striktes Neuverschuldungsverbot. Die Maastricht-Kriterien, denen alle Staaten der Währungsunion eigentlich verpflichtet sind, sehen bereits eine Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Eine Lehre aus der Krise ist, dass dieses Kriterium nicht ausreicht, um eine Krise zu verhindern: Irland und Spanien hatten sehr geringe Schuldenquoten, die erst mit der Finanz- und Wirtschaftskrise explodierten und die Länder in den Strudel der Eurokrise zogen. Japan hat seit Jahren eine Staatsschuldenquote von über 150 Prozent, mehr als Griechenland hat. Trotzdem erhält es laufend neue Kredite. Wenn man also Kriterien für eine solide Wirtschaftspolitik definieren will, bei deren Nichterfüllung Sanktionen drohen, reichen Schuldenobergrenzen nicht aus. Schuldenobergrenzen sind sogar die falsche Wahl: In Krisensituationen, wo Unternehmen und Privatpersonen aus Unsicherheit oder Angst vor der Zukunft den Gürtel enger schnallen, muss der Staat durch Konjunkturprogramme oder andere Maßnahmen verhindern, dass die Wirtschaft in einen Teufelskreis gerät. Diese Politik würde durch starre Defizitgrenzen verhindert. Wenn durch Schuldenobergrenzen Investitionen in Bildung, Infrastruktur oder Gesundheit verhindert werden, hat die Gesellschaft davon langfristig auch mehr Schaden als nutzen. Die Kürzungsprogramme für Griechenland, Irland und Portugal haben im Übrigen durch die schrumpfende Wirtschaft und die wegbrechenden Steuereinnahmen auch wenig gefruchtet. Es gibt laut Grundgesetz auch keinen Sozialstaat nach Kassenlage. Sondern es ist umgekehrt die Kassenlage, die zum Erhalt des Sozialstaates zwingend zu verbessern ist. Abgesehen von der Bankenrettung liegt der Anstieg der deutschen Staatschulden nicht an steigenden Ausgaben, sondern an fehlenden Einnahmen: Insgesamt sind in den Jahren 2000 bis 2010 durch Steuersenkungsmaßnahmen dem Bundeshaushalt etwa 136 Mrd. Euro und den Länderhaushalten etwa 160 Mrd. Euro entgangen.
Axel Troost, Wolfgang Ne¨ković: Schuldenbremse nicht zur Zukunftsbremse werden lassen!
Wäre der Rückkehr zur DM besser?
Aus einer Währungsunion kann man nicht einfach austreten wie aus einem Sportverein. Neben rechtlichen Problemen gibt es aber vor allem gravierende ökonomische Probleme: Mit dem Rausschmiss Griechenlands würden Banken in die Pleite getrieben, die Spekulation über Austritte weiterer Krisenstaaten und damit verbundene Staats- und Bankenpleiten würden weitere teure Rettungsmaßnahmen und eine neue Finanz- und Wirtschaftskrise zur Folge haben. Davon abgesehen wäre die Rückkehr zur D-Mark ein historischer Rückschritt. Durch den Euro entfallen in Europa Wechselkursrisiken und Wechselgebühren. Die Rückkehr zur D-Mark würde der deutschen Wirtschaft Probleme bereiten, weil sie zu den meisten anderen Währungen massiv aufwerten und damit die Waren im Ausland teurer machen würde. Die Schweiz etwa hat deswegen schon massive Probleme.
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