NEIN zu "Merkozys" Fiskal-Pakt!
Von Jürgen Klute (MdEP)
Vorspann
Bereits auf dem EU-Gipfel vom März 2011 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen ersten Anlauf zu einem Fiskal-Pakt genommen. Dieser erste Versuch lief unter dem Stichwort "Euro-Plus-Pakt" und "Stabilitätspakt". Zu einem wirklichen Vertrag zwischen den beteiligten EU-Staaten kam es nach dem März-Gipfel aber noch nicht.
Gleichwohl stand jenes Vorhaben bereits in Konkurrenz zu der seinerzeit noch im Verhandlungsprozess befindlichen Gesetzgebung zur Economic Governance. Im März '11 ging es dem EU-Rat vor allem darum, den Verhandlungsspielraum des Europäischen Parlaments soweit wie möglich zu begrenzen. Denn das Europäische Parlament war nicht bereit, sich im Rahmen der Economic Governance ausschließlich auf Sparmaßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und zur Krisenbewältigung einzulassen. Linke, Sozialdemokraten, Grüne und Teile der Liberalen haben darauf gedrängt, nicht nur die Staatsverschuldung in Blick zu nehmen, sondern auch die Probleme, die sich aus den Exportüberschüssen einiger Nordeuropäischer EU-Länder ergeben. Die genannten Gruppen haben weiterhin auf die Finanzkrise als wesentliche Ursache der hohen Staatsverschuldung hingewiesen. Statistisch ist dieser Zusammenhang belegbar: Erst infolge der Finanzmarktkrise sind die Staatsschulden in Höhe geschossen. Weiterhin wurde an der reinen Sparpolitik kritisiert, dass sie das zum Abbau der Staatsschulden nötige Wachstum zerstört und des weiteren die Möglichkeit von Einnahmesteigerungen ausblendet. Aus dieser Analyse leiten sich dann andere Maßnahmen ab als eine reine und strikte Sparpolitik – u.a. die Forderung nach Eurobonds und nach einem Abbau von Außenhandelsüberschüssen, was insbesondere Deutschland träfe.
Die Bundesregierung stand und steht im heftigsten Widerspruch zu dieser Sicht der Parteien im Europäischen Parlaments, die links der Mitte anzusiedeln sind. Mit dem Euro-Plus-Pakt und dem Stabilitätspakt hat der EU-Rat dem Europäischen Parlament deutlich signalisiert, dass er nicht bereit ist, sich den im Frühjahr '11 seitens des Parlaments abzeichnenden Kurskorrekturen in der Economic-Governace-Gesetzgebung anzuschließen. Dementsprechend schwierig und zäh verliefen die folgenden Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission und dem EU-Rat (der so genannte Trialog) zum Gesetzespaket der Economic Governance. Im Ergebnis musste das Europäische Parlament erhebliche Abstriche bezüglich der von ihm eingebrachten Kurskorrekturen hinnehmen, so dass die Sparpolitik à la "Merkozy" mit Unterstützung der konservativen und rechten Parteien im Europäischen Parlament letztlich doch weitgehend durchgesetzt wurde.
Verabschiedet wurde das Gesetzespaket zur Economic Governance im September '11, in Kraft getreten ist es am 13. Dezember 2011, also wenige Tage nach dem EU-Gipfel vom Dezember '11, auf dem der so genannte Fiskal-Pakt beschlossen und auf den Weg gebracht wurde.
"Merkozys" Fiskal-Pakt
Der vor allem auf Druck der Bundesregierung auf den Weg gebrachte zwischenstaatliche Vertrag hat eine verstärke fiskalpolitische Integration der EU zum Ziel. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes wurde gerade eine inoffizielle vierte Version des Vertragstextes in Umlauf gebracht. Die folgenden Ausführungen beziehen sich jedoch auf die dritte Version, auf die sich auch die weiter unten beschriebene Resolution des Europäischen Parlaments gegen den Fiskal-Pakt bezieht.
Inhaltlich geht es
um die Festschreibung einer strikten Sparpolitik als alleinigem Weg zur Haushaltskonsolidierung,
um die Festschreibung einer Schuldenbremse,
um einen automatischen Sanktitonsmechanismus für den Fall, dass ein Unterzeichnerstaat gegen den Fiskal-Pakt verstößt, auf der Grundlage einer umgekehrten qualifizierten Mehrheit (d.h., Sanktionsmaßnahmen müssen nicht mehr durch eine Mehrheitsentscheidung angenommen werden, sondern sie können innerhalb einer bestimmten Frist nur mit einer qualifizierten Mehrheit zurück gewiesen werden; kommt eine qualifizierte umgekehrte Mehrheit innhalb dieser Frist nicht zustande, gilt die Sanktion als rechtsgültig; das bedeutet in letzter Konsequenz, dass Sanktionsmaßnahmen mit einer Minderheit von 1/3 der Stimmen plus 1 Stimme angenommen werden, denn mit einer solchen Stimmenzahl ist eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit abgewehrt),
um die Ermöglichung von Klagen von Mitgliedsstaaten vor dem EUGH gegen andere Mitgliedsstaaten, wenn diese gegen die Stabilitätskriterien verstoßen,
um die Einrichtung einer sog. Wirtschaftsregierung in Form eines regelmäßig tagenden Euro-Zonengipfels,
und (noch nachträglich von der Bundesregierung durchgesetzt) die Bindung von Unterstützungszahlungen aus dem ESM an die verbindliche Verpflichtung des Empfängerlandes, zuvor festgelegte Strukturanpassungsmaßnahmen durchzuführen.
Eine wirtschaftspolitische, steuerpolitische und sozialpolitische Koordinierung auf EU-Ebene, die für das Funktionieren einer Währungsunion erforderlich ist, ist nicht Bestandteil des Fiskal-Paktes.
Die Haltung des EP zu diesem zwischenstaatlichen Vertrag
Der Fiskal-Pakt ist aufgrund der Weigerung Großbritanniens, einer Änderung des Lissabon-Vertrags zuzustimmen, als zwischenstaatlicher Vertrag angelegt. Dem entsprechend hat das Europäische Parlament weder ein Mitentscheidungsrecht noch kann es beratend Stellung nehmen (wie bei einer Vertragsänderung). Es wurde jedoch ausgehandelt, dass das Europäische Parlament auf Vorschlag der Präsidentenkonferenz (Fraktionsvorsitzende) drei Beobachter zu den Beratungen über den zwischenstaatlichen Vertrag entsenden kann. Die Präsidentenkonferenz hat den deutschen Konservativen Elmar Brok, den italienischen Sozialdemokraten Roberto Gualtieri und belgischen Liberalen Guy Verhofstadt als Beobachter und den französisch-deutschen Grünen Daniel Cohn-Bendit als deren Stellvertreter benannt.
In drei gemeinsamen Sitzungen hat sich sich diese Beobachtergruppe mit den thematisch zuständigen Ausschüssen AFCO (Ausschuss für konstitutionelle Fragen) und ECON (Ausschuss für Wirtschaft und Währung) abgestimmt (20. 12. 2011: gemeinsame Sitzung beider Ausschüsse; 09. 01. 2012: gemeinsame Koordinatorensitzung; 16. 01. 2012: gemeinsame Sitzung beider Ausschüsse in Strasbourg).
Schon zu dem ersten Anlauf des EU-Rates in Richtung eines zwischenstaatlichen Vertrages vom März 2011 hatte sich das Europäische Parlament kritisch positioniert.
Auch das Ansinnen des Rates, die von Angela Merkel betriebene strikte Sparpolitik und ihre bis zur Besessenheit verfolgte Idee einer Schuldenbremse im Lissabon-Vertrag festzuschreiben, fand mehr Kritiker als Unterstützer im Europäischen Parlament.
Der nun vom EU-Rat vorgelegte zwischenstaatliche Vertrag trifft konsequenterweise – bisher jedenfalls – auf eine breite, fraktionsübergreifende Ablehnung im Europäischen Parlament.
Die Gründe für die Ablehnung des Fiskal-Pakts
Aus formaler bzw. konstitutioneller Sicht lehnt das Europäische Parlament den zwischenstaatlichen Vertrag ab, weil mit der Form des zwischenstaatlichen Vertrages die für solche Verfahren in der EU vorgesehene Gemeinschaftsmethode umgangen und das Europäische Parlament als die einzig gewählte und demokratisch legitimierte EU-Institution ignoriert wird. Das gilt in den meisten Fällen auch im Blick die Parlamente der Mitgliedsländer. Diese Art der Entdemokratisierung politischer Entscheidungsfindung in der EU weist das Europäische Parlament entschieden zurück!
Zwar vertritt eine Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments die Position, dass eine größere fiskal- und wirtschaftspolitische Integration nötig ist für ein Funktionieren der Währungsunion, aber diese – so die Sicht der Parlamentsmehrheit – kann nur innerhalb der vertraglichen Reglungen, also mittels der Gemeinschaftsmethode, erfolgen und nicht in Form eines zwischenstaatlichen Vertrags zwischen den EU-Mitgliedsstaaten unter Ausgrenzung der demokratisch legitimierten Institutionen.
Wie sich an den bisherigen Ergebnissen der Gipfel gezeigt hat, ist der EU-Rat als die Institution, in der sich die Regierungen der Mitgliedsstaaten zusammenfinden, denkbar ungeeignet, einen Weg aus der Krise zu finden. Zu stark sind die nationalstaatlichen Interessen, um zu einer wirksamen und auch sozial akzeptablen gemeinsamen europäischen Lösung der Krise zu kommen. Das Europäische Parlament und die EU-Kommission wären die dafür weitaus geeigneteren Institutionen. Eben die will der EU-Rat aber aus der Lösung ausschließen bzw. die Kommission hätte der Rat gerne zum Erfüllungsorgan des Fiskal-Paktes gemacht, was aber im Widerspruch zum Lissabon-Vertrag steht, da die EU-Kommission als "Hüterin der Verträge" ausschließlich auf Grundlage und im Rahmen der EU-Verträge handeln darf.
Ein weiterer Ablehnungsgrund ist die am 13. Dezember 2011 in Kraft getretene Economic-Governance-Gesetzgebung der EU, der die GUE/NGL aufgrund der Überbetonung der Sparpolitik nicht zugestimmt hat.
Der zwischenstaatliche Vertrag und die Economic-Governance-Gesetzgebung stünden nebeneinander, ohne dass ihr Verhältnis zueinander geklärt wäre. Damit käme es zu einer Konkurrenz zwischen dem zwischenstaatlichen Fiskal-Pakt und dem EU-Sekundärrecht. Weiter wird kritisiert, dass, sollte der Fiskal-Pakt doch noch in den Lissabon-Vertrag integriert werden, dann EU-Primärrecht mit EU-Sekundärrecht vermischt wird. Das Interesse des EU-Rates ist klar: EU-Primärrecht kann nur auf Initiative des Rats geändert werden. Das EU-Sekundärrecht hingegen kann auf Initiative der Kommission und indirekt auch auf Initiative des Europäischen Parlaments (es gibt dazu eine entsprechende Absprache zwischen Parlament und Kommission) geändert werden. In den meisten Politikfeldern ist das Europäische Parlament aufgrund des Lissabon-Vertrags Mitentscheider über das EU-Sekundärrecht. Das EU-Primärrecht unterliegt dagegen nicht der Mitentscheidung des EP.
Obgleich es um das gleiche Thema geht, sind der Fiskal-Pakt und die Economic Governance inhaltlich nicht deckungsgleich. Das – so die durchgehende Einschätzung – kann im schlimmeren Fall zu weiteren Verwirrungen und Verunsicherungen und folglich zu einer Verschärfung der Krise führen. Im glimpflicheren Fall für die EU und ihre Mitgliedsstaaten, wird der zwischenstaatliche Vertrag einfach ignoriert.
Aus AFCO-Sicht wird die Verbindlichkeit – und damit die Wirksamkeit – des zwischenstaatlichen Vertrages grundsätzlich in Frage gestellt. Roberto Gualtieri zog sogar die Möglichkeit einer Klage vor dem EUGH gegen den zwischenstaatlichen Vertrag in Betracht – eben weil der Fiskal-Pakt als zwischenstaatlicher Vertrag außerhalb der EU-Verträge und zumindest ein Teil der in ihm vorgeschlagenen Maßnahmen damit auf keiner EU-rechtlichen Grundlage stehen. So ist der Euro-Zonen-Gipfel, den der Fiskal-Pakt vorsieht, aus Sicht der EU-Verträge lediglich ein informelles Gremium ohne rechtsverbindliche Entscheidungskompetenz, denn in den EU-Verträgen ist ein solcher Gipfel nicht vorgesehen.
Politisch ist dieses Vorhaben, so die breite Einschätzung, dazu geeignet, die EU auf Dauer zu demontieren. Insbesondere die im Fiskal-Pakt vorgesehene Möglichkeit, dass Mitgliedsstaaten sich gegenseitig vor dem EUGH verklagen können, wenn sie gegen den Fiskal-Pakt verstoßen, dürfte den Zusammenhalt der EU eher erschüttern als festigen.
Aus ECON-Sicht, also aus wirtschafts- und währungspolitischer Sicht, wird sehr scharf kritisiert, dass der Fiskal-Pakt ausschließlich Maßnahmen der Sparpolitik aus der Economic Governance aufnimmt. Eine antizyklische Konjunkturpolitik wird mit dem Fiskal-Pakt so gut wie unmöglich gemacht. Das Thema Wachstum ist völlig ausgeblendet. In der Economic Governance konnte das Europäische Parlament nach sehr zähen Verhandlungen zumindest durchsetzen, dass die EU sich nun ernsthaft mit dem Thema Euro-Bonds (jetzt: Stabilitäts-Bonds; vgl. das entsprechende Grünbuch der EU-Kommission) befasst. Und es konnte in Form einer Zusatzerklärung von Oli Rehn (EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung) durchgesetzen, dass im Rahmen des so genannten Scoreboards (Bericht von Elisa Ferreira zu den makroökonomischen Ungleichgewichten) nicht allein die Defizite, sondern auch Außenhandelsüberschüsse in den Blick genommen werden.
Der Fiskal-Pakt schließt diese Aspekte vollständig aus. Und genau darum geht es nach Einschätzung der Mehrheit des ECON aus inhaltlicher Sicht im zwischenstaatlichen Vertrag auch: die wenigen Erfolge des Europäischen Parlaments bei der Verhandlung der Economic Governance im Rahmen des Trialogs von Parlament, Kommission und Rat vollständig zu neutralisieren. In diesem Sinne kann der Fiskal-Pakt mit gutem Recht auch als Ausdruck eines Machtkampfs zwischen dem EU-Rat und dem Europäischen Parlament gesehen werden. Der Rat, insbesondere aber Bundeskanzlerin Angela Merkel, scheint die erweiterten Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments infolge des Lissabon-Vertrages vor allem als massiven Störfaktor einzustufen. Jedenfalls scheint der Rat zu versuchen, diesen Fortschritt der Demokratisierung der EU mit allen Mitteln zu unterlaufen.
Zudem wurde sowohl von der GUE/NGL wie auch von der S&D kritisiert, dass z.B. die von dem Chef-Ökonomen der UNCTAD, Heiner Flassbeck, immer wieder betonte Verfehlung des 2-%-Inflationsziels (inflationäre wie deflationäre Abweichung davon) keine Rolle in dem zwischenstaatlichen Vertrag spielt. Flassbeck kritisiert, dass keineswegs nur die Überschreitung des 2-%-Inflationsziels ein Problem darstellt. Das gegenwärtig größere Problem als die Überschreitung dieses Ziels ist nach Flassbeck die Unterschreitung des Inflations-Ziels durch Deutschland. Nur eine flächendeckende Einhaltung des Inflations-Ziels seitens aller Euro-Länder, so Flassbeck, könne unter den gegebenen Bedingungen zu einem Ausgleich der makroökonomischen Ungleichgewichte zwischen den Euro-Ländern führen.
In der gemeinsamen Sitzung von AFCO und ECON am 16. 01. 2012 wurde auch auf die kurz davor erfolgte Herabstufung von neuen EU-Länder durch die Rating-Agentur Standard & Poors verwiesen. Denn S&Ps begründet die Herabstufung vor allem mit der von der Bundesregierung gemeinsam mit dem EU-Rat durchgedrückten Sparpolitik, da diese jedes Wachstum abwürgt. Der Fiskal-Pakt setzt diese desaströse Politik nicht nur fort, er zielt letztlich auf eine primärrechtliche Festschreibung dieser Politik.
Politisch ist die Haltung von AFCO und ECON als Kritik an einer EU nach deutscher Prägung gemeint, als Kritik an einer EU, in der mehr oder weniger allein die Regierungschefs der beiden Länder Deutschland und Frankreich festlegen, in welche Richtung die 27 EU-Mitgliedsstaaten marschieren sollen. Die Haltung der beiden Ausschüsse ist ebenso eine Absage an eine konstitutionelle Festschreibung einer EU mehrerer Geschwindigkeiten bzw. eine Absage an die Aufteilung der EU in eine Nord- und eine Süd-Euro-Zone.
Die Resolution des EP vom 18. 01. 2012 zum zwischenstaatlichen Vertrag
Auf seiner Plenarsitzung in Strasbourg am 18. Januar 2012 hat das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, in dem die oben genannte Kritik zusammen gefasst ist und die den Fiskal-Pakt in seiner zu dem Zeitpunkt vorliegenden Fassung zurückweist. (Titel: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 2012 zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates (8.-9. Dezember 2011) zum Entwurf eines Internationalen Abkommens über eine verstärkte Wirtschaftsunion (2011/2546(RSP) – zu finden unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-0002+0+DOC+XML+V0//DE&;;;;;language=DE.)
Im Zentrum steht die Forderung des Parlaments an den EU-Rat, die Gemeinschaftsmethode zu respektieren und zu dieser Methode zurückzukehren.
Diese Resolution benennt zudem Forderungen, wie eine Ausgewogenheit zwischen Sparpolitik und Wachstum, die Berücksichtigung makroökonomischer Ungleichgewichte ("mehr Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit"), die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die Einnahmeseite der öffentlichen Hand zu erhöhen und steuernd in den Finanzmarkt einzugreifen, die Einführung von Eurobonds bzw. Stabilitätsbonds sowie den Vorschlag der Einrichtung eines Schuldentilgungsfond für die hochverschuldeten Euro-Staaten.
Damit bestätigt die Resolution die von der Beobachtergruppe, die das Europäische Parlament in der Verhandlungsrunde des EU-Rates zum Fiskal-Pakt vertreten, eingenommene kritische Position zu diesem Vertragswerk.
Andererseits hält die Resolution aus Rücksicht auf die konservative Mehrheit im Europäischen Parlament auch eine Tür zu Kompromissmöglichkeiten offen und erklärt eine prinzipielle Bereitschaft, weiterhin "an einer konstruktiven Lösung mitzuarbeiten" und fordert eine Integration des zwischenstaatlichen Vertrags in den Lissabon-Vertrag innerhalb von fünf Jahren. Als formale Anforderung ist das aus AFCO-Sicht nachvollziehbar. Aus inhaltlicher Sicht, ist eine solche Forderung aber nicht tragbar, da das eine Festschreibung der Schuldenbremse im EU-Primärrecht bedeutete.
Die GUE/NGL-Fraktion lehnt den Fiskal-Pakt eindeutig ab. Die Mehrheit der GUE/NGL hat in namentlicher Abstimmung die Parlaments-Resolution, die den Fiskal-Pakt in seiner vorliegenden Form und als außerhalb der Gemeinschaftsmethode zustande gekommenes Vertragswerk zurückweist, dennoch abgelehnt. Der Grund dafür ist die im vorhergehenden Absatz beschriebene Hintertür für einen Kompromiss mit Rücksicht auf den konservativen Parlamentsflügel. Fünf der anwesenden deutschen Mitglieder der GUE/NGL sowie zwei der tschechischen Mitglieder haben sich bei dieser Abstimmung der Stimme enthalten. Denn eine Ablehnung dieser Parlaments-Resolution gegen den Fiskal-Pakt beinhaltet auch die Ablehnung von Forderungen, die von der Linken als wesentliche Elemente zur Krisenüberwindung angesehen werden. Eine Ablehnung der Parlaments-Resolution gegen den Fiskal-Pakt bedeutet in dem gegebenen Kontext letztlich eine Zustimmung zum Fiskal-Pakt – obgleich die GUE/NGL ihn ablehnt – und folglich eine Schwächung der Position des Europäischen Parlaments gegenüber dem EU-Rat. Eine Linke, die programmatisch für die Stärkung der Demokratie eintritt, sollte das Europäische Parlament als einzig demokratisch legitimierte EU-Institution jedoch nicht schwächen.
Die Abstimmung über die Parlaments-Resolution gegen den Fiskal-Pakt ergab: 521 Ja-Stimmen, 124 Nein-Stimmen und 50 Enthaltungen. Mit Nein haben neben der GUE/NGL nahezu vollständig die weit rechts stehende ECR und die rechtsextreme EFD gestimmt sowie der größere Teil der fraktionslosen MdEPs und 10 Mitglieder der EPP (Konservative).
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