Die Zukunft der Schulden
Von Heiner Flassbeck
Als ich letzte Woche durch das sich im Wahlkampf befindende Saarland fuhr, war ichnicht wenig überrascht ob der entscheidenden Slogans der Parteien. Die CDU macht aufmit der Aussage ihrer Spitzenkandidatin „ Ich will Zukunft ohne Schulden“. Die SPD hälthart dagegen, dass sie für einen neuen Politikstil sei, wohlgemerkt, nicht für eine neuePolitik, sondern nur für einen neuen Stil. Offensichtlich haben sich beide Parteien längstauf die Zukunft ohne Schulden geeinigt, was ja auch die explizite Festlegung dersaarländischen SPD auf die konsequente Umsetzung der Schuldenbremse nahelegt, diesie als Abwehrargument gegen eine rot-rote Koalition nutzte.
Also Zukunft ohne Schulden. Man hätte stattdessen auch schreiben können „Zukunftohne Investitionen“. Denn wenn es keine Schulden gibt, gibt es auch keine Ersparnisse,und wenn es keine Ersparnisse gibt, gibt es keine Investitionen, weil ja dann allesaufgegessen und sonst wie verbraucht wird. Das also ist es, was die CDU den Kindernhinterlassen will: Eine Welt, in der nicht investiert werden kann, weil ja niemandSchulden machen will. Weil Schulden tabu sind, heißt das, können wir die Welt nichtmehr für unsere Kinder lebenswerter machen, sondern die Welt muss genauso bleiben,wie sie jetzt ist.
Man fragt sich immer wieder, ob die Menschen, die über einen solchen Sloganentscheiden, es wirklich nicht besser wissen, oder ob sie so infam sind, den Menscheneine solchen Unsinnslogan unterzujubeln, ohne Rücksicht auf Verluste, nur weil siewissen, dass das am Stammtisch gut ankommt. Aber was richtet man damit an? Was istmit den Kindern, die zur Schule fahren, den Slogan lesen und in ihrem kindlichen Urteilsagen, jawohl, das müssen die Politiker jetzt endlich einmal machen, wir wollen eineschuldenfreie Zukunft. Andererseits wird es auch im Saarland Menschen geben, die sehrgut verstehen, welcher Unsinn da als politische Strategie verkauft wird und wie das Volkentweder zugrunde regiert oder zugrunde belogen wird. Wie kann man verantworten,all das für ein paar Stimmen zu riskieren, die Verirrung der einen und die Frustrationder anderen?
Ich frage mich aber auch, warum nicht mehr Ökonomen auf die Barrikaden gehen.Würden die Politiker hinschreiben, wir wollen in Zukunft die Energie, die wir haben soeffizient verbrauchen, dass nichts mehr davon übrig bleibt, weil es dann auch keineLuftverschmutzung gibt, dann würden am nächsten Tag auch im Saarland jede MengeProfessoren und Lehrer der Physik an alle Zeitungen schreiben, die Politiker, die solchesZeug verzapften, seien strohdoof, weil sie immer noch nicht begriffen hätten, dass eseinen zigmal bewiesenen Satz der Thermodynamik gibt, der unbestreitbar zeigt, dassEnergie nur umgewandelt, nicht aber vernichtet werden kann.
Die Ökonomen können – o er wollen – aber offensichtlich nicht wahrhaben, was ebensounbestreitbar ist, nämlich ie Tatsache, dass Menschen nur sparen können, wenn andere sich verschulden. Wer das sagt, nimmt der Verschuldung sofort das Bedrohliche, weil es ja nur noch um die Frage geht, wer sich verschuldet, nicht um die Frage, ob sichüberhaupt einer verschuldet. Auch würde man den Bürgern verdeutlichen, dass es keinen Sinn macht, jeden Tag über die Verschuldung herzuziehen, wenn man selbstgenau dazu über sein Sparen beiträgt. Mit einer konsequenten Kritik der Verschuldungskritik könnten sich die Ökonomen eine große Reputation erwerben alseine Wissenschaft, die immerhin in der Lage ist, primitive Vorurteile zu korrigieren und komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen.
Aber die Ökonomen wollen offenbar keinen wichtigen wissenschaftlichen Satzaufstellen, der öffentliche Vorurteile korrigiert, anders kann man ihr Verhalten nichtdeuten. Sie würden damit ja auch gegen das beliebte Vorurteil argumentieren, dass der Staat und insbesondere seine Verschuldung die Wurzel allen Übels ist. Wenn es aber gegen solche Vorurteile geht, ist der Mut der Ökonomen schnell ganz klein und dieWissenschaftlichkeit wird ruckzuck vergessen. So etwas würde ja wie Keynesianismus klingen, der doch für alle Übel der Welt verantwortlich gemacht werden muss. Oder,noch schlimmer, man müsste die Frage beantworten, wer sich verschulden soll, wenn der Staat sich in Zukunft nicht mehr verschuldet, weil ja die allseits beliebteSchuldenbremse für den öffentlichen Sektor wirkt.
Ja, dann müsste man sagen, man fände es doch ganz schön, wenn sich die Ausländer weiter verschulden würden, weil die Deutschen ja so viel sparen. Dumm ist nur, dass wir den meisten der verschuldeten Ausländer gerade verklickern, sie seien Pleite, weswegen sich das mit der weiteren Verschuldung nicht so gut macht. Oder man müsste sagen, diedeutschen Unternehmen könnten sich mal wieder verschulden und investieren, stattebenso wie die privaten Haushalte zu sparen. Dann müsste man aber auch die Frage beantworten, wie man die in Geld schwimmenden deutschen Unternehmen dazu bringt,sich für mehr Investitionen zu verschulden. Dann könnte man aber der Frage nicht mehrausweichen, ob nicht die Steuern für die Unternehmen wieder erhöht werden sollten oder die Unternehmen endlich mal wieder anständige Löhne bezahlen sollten, dann hätten sie zwar weniger Gewinne, aber wohl viel mehr Anreize zu investieren, weil dieNachfrage ja steigen würde. Oder, aber das ist vollends des Teufels, man müsste sagen,die Deutschen sollten mal weniger sparen, weil man niemanden findet, der diese Ersparnisse investiert. Aber was ist dann mit der Rente, die doch nur gesichert werden kann, wenn die Leute mehr sparen?
Man merkt es schon, das sind alles keine erbaulichen Themen und vor allem keine, mitdenen man sich als kleiner deutscher Ökonom beliebt machen würde. Das lässt man mallieber und beklagt lauthals die hohe Verschuldung und fordert gleichzeitig die Menschen zum Sparen auf, um die Zukunft sicherer zu machen. Darüber kann man schöne Vorträge bei Versicherungen halten, die so schöne Honorare zahlen, dass man sich um seineeigene Zukunft wirklich keine Gedanken machen muss. Soll das dumme Volk doch weiter denken, Schulden seien gefährlich.
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