Her mit dem ganzen Euro! Lohnlücke von Frauen endlich schließen.

Bundestagsrede von Cornelia Möhring

22.03.2015 / linksfraktion.de, 20.03.2015

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute finden mehr als 1 000 Aktionen im ganzen Land statt wie eben am Brandenburger Tor: weil heute der Equal Pay Day ist. Vielleicht sagt er nicht allen, die die Debatte verfolgen, etwas. Ich will deswegen kurz sagen, was er eigentlich bedeutet: Der Equal Pay Day markiert den Tag, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssen, um rechnerisch auf das gleiche Jahresgehalt wie männliche Beschäftigte zu kommen. Das sind auch in diesem Jahr wieder 79 Tage zu viel. Ich finde das völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Um es mal anders zu zeigen: Bei jedem Euro Lohn fehlt Frauen eigentlich eine ganz schöne Ecke.
Dass es diese Lohnungerechtigkeit gibt, ist mittlerweile unstrittig, jedenfalls bei den meisten, auch hier im Haus. Was die Ursachen sind und auf welchem Wege mehr Gerechtigkeit erreicht werden kann, daran scheiden sich die Geister. Dabei geht es nicht um Kleckerbeträge, sondern um reichlich Geld: 7,9 Prozent beträgt der Lohnunterschied bei gleicher Tätigkeit mit völlig vergleichbaren Qualifikationen. 22 Prozent beträgt die Lohnlücke, wenn die Gehälter über alle Branchen und Berufe verglichen werden. Im Finanz- und Versicherungsbereich erhalten Frauen sogar 30 Prozent weniger Lohn. Im Gesundheits- und Sozialwesen sind es immerhin auch 25 Prozent; auch das liegt über dem Durchschnitt.

Die Ursachen - da stimmen Studien und Verbände auch überein - liegen in Folgendem: in der Abwertung bzw. schlechteren Bewertung typisch weiblicher Berufe; in Erwerbsunterbrechungen zum Beispiel wegen Schwangerschaften - das trifft bei dem jetzigen Stand der menschlichen Entwicklung auch nur auf Frauen zu -; und in der zunehmenden Teilzeitbeschäftigung von Frauen und der Minijobfalle. Ich erinnere: Beides ist nicht immer freiwillig. - Oder Frauen erhalten einfach weniger, weil sie Frauen sind; zu so einem Beispiel komme ich später noch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die öffentliche Debatte im Vorfeld des Equal Pay Day hat uns wieder einen Einblick in die unglückliche Ehe der GroKo geliefert: Kaum hat Ministerin Schwesig eine bessere Transparenz gefordert, geht das Geheule - zumindest bei einigen CDU-Männern - los. Ich glaube wirklich, in Gleichstellungsfragen ist diese Ehe auch nicht mehr zu retten und führt vielleicht eher zur Ankurbelung der Papiertaschentücherproduktion.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ha, der war gut!)

Nun halte ich auch die angekündigte Transparenzinitiative für nicht ausreichend; deshalb auch der hier vorliegende Antrag der Linken, der vor allem auf die Durchsetzung von Entgeltgleichheit zielt.
Es ist sicherlich hilfreich, wenn eine Frau in Gehaltsverhandlungen über das Gehaltsgefüge Bescheid weiß. Allerdings kommen gar nicht so viele Frauen überhaupt erst in die Situation, über ihr Gehalt zu verhandeln. Die Information über ungleiche Bezahlung ist aber hilfreich und notwendig, vor allem dann, wenn die einzelne Frau nicht alleine dagegen vorgehen muss, sondern wenn die betriebliche Interessenvertretung und auch Verbände und Gewerkschaften etwas durchsetzen können. Es muss jetzt Schluss sein mit der Vereinzelung. Ich finde, wir brauchen endlich das Recht der Verbände, zu klagen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir brauchen auch Transparenz darüber, wie die sogenannten Entgeltstrukturen aussehen. Jüngst ging ein Fall durch die Presse, der deutlich macht, wie wichtig dieses Wissen ist. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich jetzt auszugsweise aus einem Artikel zum von mir bereits angedeuteten Beispiel:

'Eine Mitarbeiterin' - eines bekannten Schuhherstellers - 'hatte geklagt, nachdem sie auf einer Betriebsversammlung im Herbst 2012 von der schlechteren Bezahlung für Mitarbeiterinnen erfahren hatte'. Immerhin ging es um einen Bruttostundenlohn, der um über einen Euro geringer war. Weiter heißt es dort: 'Auch bei Sonderzahlungen hatten Frauen das Nachsehen: Da Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine Anwesenheitsprämie an den Stundenlohn gekoppelt waren, fielen die Beträge für Mitarbeiterinnen entsprechend niedriger aus.'

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Gericht war unstrittig, dass der geringere Lohn nur mit dem Geschlecht der Frau zusammenhing. Der Klägerin wurden die Nachzahlung und eine Entschädigung zugesprochen. Mittlerweile sind 103 weitere Verfahren gegen dieses Unternehmen auf dem Weg, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Beispiel zeigt Verschiedenes:

Erstens. Transparenz ist wichtig und kann übrigens auch durch die Einsicht von Betriebsräten in Lohn- und Gehaltslisten erreicht werden.


Zweitens. Damit nicht jede einzelne Frau in komplizierten und langwierigen Gerichtsverfahren klagen muss, müssen die Mitbestimmungsrechte ausgebaut und das Verbandsklagerecht eingeführt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Drittens. Solche Vergütungsstrukturen dürfen gar nicht erst entstehen und angewendet werden. Aus diesem Grund sollten alle Betriebe und die Tarifpartner verpflichtet werden, die Vergütungsstrukturen diskriminierungsfrei und gerecht zu gestalten.

Ich will Ihnen dazu noch ein Beispiel anführen: Nach den neuesten Zahlen haben Frauen, die in Betrieben mit Tarifbindung arbeiten, einen deutlichen Gehaltsvorteil. Frauen, die in Betrieben des Einzelhandels arbeiten, in denen es einen Tarifvertrag gibt, erhalten 17,3 Prozent mehr Lohn als diejenigen, die in Betrieben ohne Tarifvertrag arbeiten. Wir sehen also, dass die Organisation in der Gewerkschaft und natürlich auch der Abschluss von Tarifvereinbarungen außerordentlich wichtig sind.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Für mehr Lohngerechtigkeit brauchen wir aber auch eine Aufwertung der Tätigkeiten im Sorgebereich und eine Umverteilung von Arbeit und Zeit. Das ist aber leider noch ein längerer Weg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können das alles jetzt schon mit uns auf den Weg bringen, wenn der Antrag der Linken in das angekündigte Gesetz zur Entgeltgleichheit eingeht.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)