Weckruf für einen linken Feminismus
Von Cornelia Möhring
Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten war für viele Menschen ein Schlag ins Gesicht, nicht nur in seinem Heimatland. Denn es schien vielen noch lange unmöglich, dass ein solch offen rassistisch und frauenfeindlich auftretender Mann in einer formalen Demokratie so weit kommen konnte. Doch offensichtlich hatte man sich mit dem bereits Erreichten in der Gleichstellung zu sicher gefühlt. Die Wahl von Donald Trump war deshalb für viele, ganz besonders Frauen, auch ein Weckruf: Fortschritt ist kein Automatismus und erkämpfte Rechte können auch wieder weggenommen werden.
Zum Anlass der Amtseinführung gingen daher unzählige Frauen überall auf der Welt zum Global Women’s March auf die Straße und sorgten für große Aufmerksamkeit. Aber in den vielfältigen Themen und Forderungen, die die Frauen mit sich auf die Straße trugen, wurde auch klar, dass es um mehr geht als um Abwehrkämpfe und den Erhalt des Status Quo. Die Wahl Donald Trumps war für viele der Weckruf, wieder feministische Forderungen selbstbewusst zu stellen: Für eine Welt, in der niemand Angst vor Gewalt und Armut haben muss, in der wir unsere Persönlichkeiten ausdrücken und entfalten können, wie wir Lust haben und in der wir über die politischen Angelegenheiten gleichberechtigt und ohne Hass miteinander streiten können.
Um einer solchen Welt näher zu kommen, müssen wir auch Antworten auf die neoliberale Politik der Konkurrenz, der sozialen Spaltung und der Angriffe auf soziale Infrastrukturen finden. Denn sie führt schon lange zur Rücknahme von Frauenrechten, nicht so offensichtlich, aber schleichend und ebenso tiefgreifend, nicht formal vor dem Gesetz, aber hinsichtlich der tatsächlichen Erreichbarkeit. So haben etwa Einsparungen in der öffentlichen Infrastruktur und Privatisierungen dazu geführt, dass ein Großteil der Pflegeleistungen an Angehörige verschoben wurde. Und das bedeutet faktisch in den allermeisten Fällen: an Frauen. Darüber hinaus übernehmen sie auch immer noch die übrigen unbezahlten Tätigkeiten bei der Kindererziehung und im Haushalt und haben dadurch zu wenig Zeit für Erwerbsarbeit, für politische Arbeit und für Muße und Selbstbildung.
Einschränkungen von vielfältigen Lebensweisen finden sich zudem in der aktuellen Familien- und Sozialpolitik nicht als direkte Repression, sondern eher in Form von Regulation. So wird durch das Ehegattensplitting, durch fehlende Unterstützung von Alleinerziehenden, durch den Ausschluss nicht verheirateter und/oder lesbischer Frauen von der assistierten Reproduktionsmedizin noch immer die heterosexuelle Kleinfamilie als Norm reproduziert und protegiert.
Die Widerstände gegen diese Politik sind oftmals punktuell, vereinzelt. Hier in Deutschland sind das etwa die Streiks der Pflegekräfte für mehr Personal, die Kampagne der Sozial- und Erziehungsdienste, die Demonstrationen gegen den Marsch für das Leben von christlichen Fundamentalisten. Doch stehen sie oftmals getrennt nebeneinander.
Das aktuelle Aufbegehren bietet erste Ansatzpunkte, diese verschiedenen Kämpfe miteinander zu verbinden und den notwendigen Zusammenhang von Feminismus und Antikapitalismus sichtbar zu machen. Diese zu nutzen und auszubauen ist die – ja, historische – Aufgabe von uns linken Feminist*innen.
Namhafte Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen wie Angela Davis und Nancy Fraser haben anlässlich des Frauenkampftags am 8. März einen internationalen Streikaufruf verfasst, der zu einer Verbindung der vielfältigen Frauenbewegungen, Kämpfen von Migrant*innen, von Streiks und Auseinandersetzungen um Sorge-Arbeit aufruft. Eine Einladung, einen starken linken Feminismus zu entwickeln. Ich finde, wir sollten diese Einladung annehmen.
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