Schreckgespenst der Union fördert Rassismus
Von Jan Korte
Im Mai finden Europawahlen statt. Kein Wunder, dass CDU und CSU einmal mehr auf die antieuropäische Karte setzen und versuchen, am rechten Rand Stimmen einzusammeln. Jüngstes Opfer: EU-Bürgerinnen und EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien. Seit dem 1. Januar 2014 gilt auch für sie die europaweite Arbeitnehmerfreizügigkeit - das Recht der freien Wahl des Arbeitsortes innerhalb der Europäischen Union.
In den Augen der konservativen Regierungsmehrheit sind Rumänen und Bulgaren vor allem eines: EU-Bürger zweiter Klasse. Allzu gern werden Vorurteile bedient, die man bereits 2011 gegenüber Esten, Polen und Ungarn nutzte, als für sie die Arbeitnehmerfreizügigkeit galt. “Armutszuwanderung” lautet die neue alte Parole, und es ist zu befürchten, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlt. Für ihre Klausurtagung in Wildbad Kreuth, die am 7. Januar beginnt, haben die Christsozialen bereits einen passenden Forderungskatalog unter dem Motto »Wer betrügt, der fliegt« parat. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok forderte zuletzt gar Fingerabdrücke zu nehmen, um so genannte Mehrfacheinreisen zu verhindern. “Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden”, so Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlamentes.
Dies alles zeigt, dass CDU und CSU nie ihren Frieden mit dem Thema Zuwanderung gemacht haben. Weil sie für die sozialen Probleme, die sich durch Armutsrenten und Lohndumping auch in Deutschland vertieft haben, keine Lösungen anbieten wollten oder konnten, ziehen sie regelmäßig und je nach politischer Wetterlage die Rassismus-Karte. Sie versuchen zu überdecken, dass gerade ihre Politik die zunehmende Armut in Europa und in Deutschland zu verantworten hat. Koalitionspartner und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sorgt sich indes um das Ansehen Deutschlands und übersieht dabei, das eigentliche Problem: “Armutsmigration” als Schreckgespenst fördert Rassismus und verletzt Menschenrechte, die Verwertungsinteressen geopfert werden.
Keinen Gedanken haben die Koalitionäre in den letzten zwölf Jahren daran verschwendet, ein soziales Europa zu bauen und der europäischen Integration eine grundlegend andere Richtung zu geben. Sie ignorieren, dass soziale Sicherheit und einheitliche Mindeststandards für alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger der entscheidende Schlüssel dafür sind, ob das europäische Projekt auf Dauer Erfolg haben wird. Im Gegenteil: Arbeitnehmerinnen und -nehmer werden mit Zustimmung der deutschen Regierung seit Jahren europaweit gegeneinander ausgespielt, Arbeitskräfte aus anderen EU-Staaten als Lohndrücker in Deutschland missbraucht. Die Abwärtsspirale bei den Arbeits-, Sozial- und Lohnstandards führt zum Anwachsen von Ressentiments, Niedriglöhnen, sozialer Unsicherheit durch Befristungen, Praktika und Leiharbeit und einer Entfremdung von Partnern, Familie und Freunden.
DIE LINKE im Bundestag und im Europäischen Parlament fordert seit Jahren soziale Schutzmechanismen gegen Armut trotz Arbeit, Leiharbeit, unseriöse Werkverträge, Arbeitslosigkeit und sinkende Sozialausgaben der EU-Staaten. Arbeitnehmerrechte und soziale Standards innerhalb der EU müssen harmonisiert und in einer sozialen Fortschrittsklausel verankert werden. Wir setzen uns für einen europaweiten gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnitts-Erwerbseinkommens ein. Wir fordern verbindliche Richtlinien bei Leiharbeit, Dienstleistung und Entsendungen. Wir wollen überall in Europa gute Arbeit und gute Löhne. Wir setzen uns schließlich für ein Verbot der Leiharbeit und den Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort für Mann und Frau« ein - also auch in Deutschland, ganz gleich welchen Pass jemand besitzt. Dort wo DIE LINKE in Verantwortung war und ist, handeln wir. Um europäische, insbesondere osteuropäische Arbeitnehmerinnen und -nehmer vor Ausbeutung und sittenwidrigen Löhnen zu schützen, hatte der damalige Berliner LINKE-Senator Harald Wolf die Idee einer Beratungsstelle für ausländische Arbeitnehmer ins Spiel gebracht, welche vom DGB in Berlin umgesetzt wurde.
Wer dagegen wie die CSU acht Jahre lang alle europa- und arbeitsmarktpolitischen (Nicht)Entscheidungen der Bundesregierung mitgetragen hat und sich sozialer Schutzmechanismen wie einem flächendeckenden Mindestlohn und dem Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« verweigert, stattdessen Ressentiments schürt, hat jede Glaubwürdigkeit verloren.
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