Die Verabschiedung des Fiskalvertrags und die „Erfolge“ von SPD und Bündnis90/Die Grünen
Von Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE
Für ihr Prestigeprojekt, den Fiskalvertrag, musste die Bundesregierung das Grundgesetz ändern und war deswegen auf Stimmen aus den Reihen der Opposition angewiesen. Bis zum 13. Juni liefen dazu Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen, an denen auch DIE LINKE teilnahm.
DIE LINKE hat den Fiskalvertrag grundsätzlich abgelehnt und im Parlament als einzige Fraktion geschlossen dagegengestimmt. Mangels Verhandlungsmasse – die Bundesregierung ist auf unsere Zustimmung nicht angewiesen - konnten wir das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition wenig beeinflussen. Wir sind unseren Wählerinnen und Wählern, aber auch den anderen Parteien, jedoch eine Antwort schuldig, wie wir uns zu den gemeinsamen Vorschlägen von SPD und Bündnis90/Die Grünen verhalten.
Warum wir dem Fiskalvertrag nicht zustimmen können
Der Fiskalvertrag sieht insbesondere vor, dass alle teilnehmenden Staaten eine unumkehrbare, auf ewig gültige Schuldenbremse einführen, möglichst mit Verfassungsrang. Dies lehnen wir aus folgenden Gründen ab:
- Zum ersten sprechen ökonomische Argumente gegen den Fiskalvertrag: Eine aktive Konjunkturpolitik wird künftig ebenso schwer möglich sein, wie eine gestaltende Finanzpolitik, etwa zur Einleitung der sozial-ökologischen Wende.
- Zum zweiten ist der Fiskalvertrag ein Angriff auf die Demokratie, weil die nationalen Parlamente ihr Haushaltsrecht abtreten müssen, sofern sie gegen die ökonomisch ungerechtfertigten Vorgaben des Fiskalpakts verstoßen.
- Zum dritten lehnen wir den Fiskalvertrag aus sozialpolitischen Gründen ab: Das Prinzip der Staatenkonkurrenz wird dazu führen, dass Haushaltskonsolidierung nicht etwa über höhere Steuern auf Vermögen oder Unternehmensgewinne erfolgen wird, sondern primär über Ausgabenkürzungen zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Empfängerinnen und Empfängern staatlicher Leistungen.
- Der Fiskalvertrag ist eine Gefahr für den europäischen Integrationsprozess. Er wird in vielen Staaten dazu führen, dass die EU nur noch mit Sozialabbau und Entdemokratisierung in Verbindung gebracht wird.
Angesichts dessen halten wir einen Kompromiss mit der Koalition, wie ihn SPD und Grüne eingegangen sind, nicht für vertretbar.
Zudem haben die Forderungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einige erhebliche Schwächen.
Wachstumspakt
Auf Druck von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, vor allem aber aufgrund der Forderungen des französischen Präsidenten Hollande, hat die Bundesregierung zugestimmt, den Fiskalpakt um einen Wachstums- und Beschäftigungspakt zu ergänzen. Die in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachten Einzelmaßnahmen sind jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein . Das gilt sowohl für das Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit als auch für die zusätzlichen zehn Milliarden Euro für eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank. Die angeblichen Impulse des Wachstumspakts im Volumen von 130 Mrd. bestehen zu 55 Mrd. Euro aus Mitteln der europäischen Strukturfonds, die ohnehin schon längst für 2013 geplant waren und daher gerade keinen zusätzlichen Impuls bringen. Weitere 60 Mrd. Euro sind ebenfalls Augenwischerei, weil sie aus Krediten an die Privatwirtschaft bestehen, die die Europäische Investitionsbank auf Grundlage ihres erhöhten Eigenkapitals vergeben soll. Ob diese Kredite jemals und zusätzlich fließen, ist mehr als fraglich.Der Wachstumspakt ist daher nur ein Feigenblatt, dass der SPD und den französischen Sozialisten hilft, vordergründig ihr Gesicht zu wahren.
Finanztransaktionssteuer
Tatsächlich ist es uns Oppositionsparteien aufgrund der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit gelungen , die Blockade der widerborstigen FDP gegen die Finanztransaktionssteuer endlich aufzubrechen und entschlossen für eine teileuropäische Einführung einzutreten. Insofern ziehen hier SPD, Bündnis 90/Die Grünen und LINKE mit ihren Forderungen an einem Strang. Sinnig ist es auch, gemeinsam gegen verschiedene Aufweichungsversuche einzutreten.
Trotz allem: Die Finanztransaktionssteuer wurde traditionell als Instrument zur Finanzierung globaler Angelegenheiten gefordert, sprich zur Armutsbekämpfung und für den weltweitem Umwelt- und Klimaschutz. Darin sind sich Attac, die Kampagne "Steuer gegen Armut" und DIE LINKE einig. Von dieser Verwendung ist im Kompromiss mit der der Bundesregierung leider nichts enthalten. Der Bundestag darf sich nicht aus seiner Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt stehlen, nur weil die Gelder aus der Steuer nun für die Eurokrise gebraucht werden. Entsprechend sind weitere Einnahmequellen notwendig. Umso befremdlicher ist, dass sich die Forderung von Bündnis 90/ Die Grünen nach einer Vermögensabgabe nicht mehr im gemeinsamen Papier mit der SPD wiederfindet. In Fragen der Vermögensbesteuerung könnte der Bundestag sehr viel mehr in Eigenregie erreichen als bei der Finanztransaktionssteuer, wo es wegen widerspenstiger europäischer Regierungen nur schleppend voran geht.
Mit ihrer Forderung nach einem Schuldentilgungsfonds konnten sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht durchsetzen, er ist aber ohnehin nur eine begrenzt sinnvolle Idee. Er ist eine nette Idee, wenn man die Bundesregierung mit der Vergemeinschaftung von Schulden ärgern will, aber völlig impraktikabel, wenn die Krise überwunden werden soll.
Auch wir finden es wünschenswert, dass der Staat zur Deckung seiner Ausgaben nicht auf die Aufnahme von Schulden angewiesen ist. Die zwei letzten großen Wellen gestiegener Staatsverschuldung in Deutschland sind auf die Steuergeschenke der Schröder-Regierung an Reiche und große Unternehmen und auf die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Beide Wellen waren unnötig bzw. vermeidbar, wenn man die Banken früher an die Kandare genommen hätte und den Reichen und den unfähigen Großbankern nicht noch Geld hinterherwerfen würde. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Kreditaufnahme des Staates begrenzt wird, dann holt der sich das fehlende Geld nicht bei den Reichen, sondern spart es sich bei den Armen. Deswegen ist jede Schuldenbremse, die die finanziellen Einschränkungen nicht durch Steuererhöhungen für die Reichen ausgleicht, asozial.
Ausblick
Auch wenn die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein Lichtblick ist: Keiner kann genau sagen, was von unseren Vorstellungen einer Finanztransaktionssteuer nach Abschluss der internationalen Verhandlungen noch übrig sein wird. Und auch wenn diese Verhandlungen gut verlaufen: Eine noch so gut ausgestaltete Finanztransaktionssteuer kann bei weitem nicht soviel Gutes bringen, wie der Fiskalpakt an Schlechtem bringt. Es ist daher eine politische Bankrotterklärung von Bündnis90/Die Grünen und SPD, dass die dem Fiskalpakt zugestimmt haben.
Angesichts der Dimension der Eurokrise, die das europäische Projekt grundsätzlich in Frage stellt, ist eine Steuer auf Finanzgeschäfte im Promillebereich kein wirklicher Durchbruch. Auch ein paar Milliarden für einzelne Projekte sind eine unzureichende Antwort auf die gravierenden Probleme der Währungsunion und die falsche Rettungsstrategie der Bundesregierung. Wer einen Kurswechsel in der Krisenpolitik erreichen will, muss auf DIE LINKE setzen.
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