Großbritannien vor den Wahlen - Scottish National Party als Königsmacher?
Von Ulrich Bochum
Die Wahlumfragen in Großbritannien weisen weiterhin auf ein politisches Patt bei den Wahlen hin. In den letzten Vorhersagen über die Sitzverteilung im britischen Unterhaus würden die Konservativen um David Cameron 276 Sitze erreichen und damit zwar die stärkste Fraktion stellen, aber dies reichte nicht für eine Mehrheit (326 Sitze). Labour käme auf 267 Sitze erreichen, beide große Parteien sind also auf Koalitionäre angewiesen.
Selbst eine Fortsetzung der aktuellen Koalition mit den Liberaldemokraten würde für die Tories keine Mehrheit bringen, da die Liberaldemokraten mit starken Verlusten rechnen müssen. Gleichzeitig gibt es von Meinungsinstitut zu Meinungsinstitut sehr stark schwankende Projektionen. Montags kommt es z.B. immer zu starken Zunahmen bei den Konservativen, am Ende der Woche profitiert Labour.
Mittlerweile wird immer deutlicher, dass von den 59 Sitzen, die für Schottland im britischen Unterhaus reserviert sind, 55 an die Scottish National Party (SNP) fallen werden, es also dort weder für Labour noch für die Tories etwas zu gewinnen gibt. Die große Unbekannte bei den Umfragen ist das Abschneiden der Anti-EU und Anti-Immigrations Partei Ukip. Ukip schwankt in den Umfragen zwischen 10 und 18%. Sicher ist aber, dass die Zustimmung für Nigel Farage Partei seit Beginn des Jahres ständig zurückgeht auf jetzt unter 13%.
Es geht aber hier weniger um die nationalen Stimmenanteile, sondern es kommt auf die so genannten Marginals an, also die Wahlkreise, in denen eine knappe Entscheidung zwischen den großen Parteien erwartet wird. Wenn es also tatsächlich eine Entwicklung weg von Ukip gibt, dann kommt es in diesen Wahlkreisen darauf an, wer davon profitieren kann. Die Wahlarithmetik deutet im Moment darauf hin, dass Labour und Ed Milliband im Koalitionsgeschehen besser aufgestellt sind als die Konservativen.
Die ökonomische Entwicklung hat bisher David Cameron in die Hände gespielt und es ermöglicht, die aktuelle Regierung als ordnende Kraft im Gefolge der großen Rezession darzustellen. Paul Krugman hat in einem Artikel im Guardian allerdings darauf hingewiesen, dass das britische Austeritätsprogramm zu Beginn der Legislaturperiode die größten Einschnitte beim Zurückfahren des Sozialstaates gesetzt und ab 2013 keine größeren Grausamkeiten mehr begangen wurden.
Quelle:http://www.theguardian.com/business/ng-interactive/2015/apr/29/the-austerity-delusion
Es sei daher logisch, dass seitdem die Austeritätsmaßnahmen nicht mehr rezessionsverstärkend wirkten und so eine Belebung des wirtschaftlichen Wachstums eingeleitet werden konnte. Es kann daher keine Rede davon sein, dass gerade die britische Austeritätspolitik ein Beispiel für eine gelungene Anwendung fiskalischer Rigidität sei, erst als diese Rigidität gelockert wurde, ging es wieder bergauf.
Die britische Öffentlichkeit ist jedoch weitgehend davon überzeugt, dass die Austeritätsmaßnahmen letztlich positiv gewirkt haben, obwohl der Aufschwung vergleichsweise »freudlos« verlief und bereits erste Risse zeigt. Die letzten Daten des Office for National Statistics deuten an, dass sich die Wachstumsphase bereits wieder abschwächt. Insbesondere der Bausektor sackte im ersten Quartal 2015 in sich zusammen. Es könnte sehr wohl sein, dass mit dem Abkühlen des Immobilienmarktes der gesamten britischen Ökonomie der Wind aus den Segeln genommen wird.
In dieses Bild passen auch die nun vom liberalen Koalitionspartner veröffentlichen »geheimen« Pläne der Konservativen von 2012, nach der ersten Runde weitere Kürzungen in Höhe von 8 Mrd. Pfund umzusetzen, von denen vor allem Kindergeld-Bezieher und Familien durch den Wegfall von Steuervergünstigungen betroffen gewesen wären. Diese Pläne wurden letztlich gestoppt, sie zeigen aber, dass sie bei einem neuerlichen Wahlsieg der Konservativen durchaus auf der Tagesordnung stehen könnten. Der liberaldemokratische Koalitionspartner hat erst jetzt auf diese Pläne hingewiesen, weil er offenlegen will, dass die Konservativen das britische Volk täuschen, indem geplante Kürzungen erst nach der Wahl auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Mit den vergleichsweisen hohen Wachstumsraten in den vergangenen beiden Jahren dürfte es daher vorbei sein. Der Aufschwung hat zwar zu mehr Beschäftigung geführt, aber ebenso wie in Deutschland haben die prekären Beschäftigungsverhältnisse stark zugenommen. Die so genannten Null-Stunden-Verträge, nichts anderes als Arbeit auf Abruf, sind geradezu endemisch gewachsen. Im vergangenen Jahr haben diese Arbeitsverträge um 29% zugenommen auf insgesamt 1,8 Mio. Viele müssen daher mehrere solcher Jobs annehmen, um über die Runden zu kommen.
Die Labour-Party kann nur darauf hoffen, dass in den letzten Tagen vor der Wahl die Themen eine Rolle spielen, in denen ihr am meisten vertraut wird, und das ist vor allem die Zukunft des nationalen Gesundheitsdienstes. Als Anti-Austeritätspartei taugt Labour wenig, sie hat sich ebenfalls auf eine »verantwortungsvolle Budget-Politik« verständigt und unterscheidet sich diesbezüglich wenig von den Konservativen. Die einzige Anti-Austeritätspartei in diesem Wahlkampf ist die Scottish National Party und wir werden sehen, ob sich Labour zu einer Kooperation im Rahmen eines »anti-Tory-bloc« durchringen kann.
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