Freital kam nicht über Nacht
Von Michael Leutert, MdB aus Chemnitz in Sachsen, und Juliane Nagel, MdL Sachsen und Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik
Seit Tagen gibt es im sächsischen Freital rassistische Proteste gegen die Unterbringung weiterer Flüchtlinge. Die Stimmung vor dem Flüchtlingsheim ist aggressiv. Auch Pegida-Gründer Lutz Bachmann ist vor Ort und stachelt die Leute an. Was ist geschehen? Der unmittelbare Anlass ist das Versagen des CDU-Innenministers bei der Erstaufnahme, das in Freital besonders schlimme Folgen hat. Obwohl seit März jeden Freitag rassistische Aufmärsche in Freital gegen die Asylunterkunft stattfinden, bei denen es auch zu Gewalt kam, obwohl laut der Opferberatung RAA Sachsen in den letzten beiden Monaten zehn Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen attackiert wurden, sollen nun weitere 280 Menschen in Freital untergebracht werden. Dies zeigt, wie wenig sensibel das Innenministerium vorgeht. Doch das eigentliche Problem liegt tiefer. Freital kam nicht über Nacht, und es betrifft auch nicht nur Freital. Freital ist Ausdruck eines jahrelangen Versagens der sächsischen CDU in der Flüchtlings- und Integrationspolitik.
Sachsen nimmt einen traurigen Spitzenplatz bei Kundgebungen und Angriffen gegen Flüchtlinge ein. Diese haben sich in den letzten beiden Jahren verdreifacht. 2014 waren es 44 Angriffe und rund 50 Demonstrationen. Im ersten Quartal 2015 sind es sogar schon 19 Übergriffe und 29 Demonstrationen gewesen. Hinzu kommen Pegida und Co., die zwischenzeitlich Zehntausende mobilisieren konnten und die breite Akzeptanz fremdenfeindlicher Positionen zeigen. Doch ist die Entwicklung keinesfalls an die aktuelle Zunahme der Flüchtlingszahlen gebunden. Bereits seit 2012 wachsen Proteste und Gewalttaten gegen Asylsuchende oder muslimische Gebetshäuser.
Rassistische Stimmungsmache
Wirksame Gegenstrategien und Parteinahme für die Betroffenen bleiben seitens der CDU-dominierten Landespolitik aus. Flüchtlingspolitik in Sachsen heißt klares Diktum der Heimunterbringung, kein Geld für soziale Betreuung und Integrationsangebote wie Sprachkurse. Verbindliche Qualitätsstandards für Unterkünfte existieren nicht. Darin zeigt sich die politische Linie der CDU, nach der Asylsuchende keine Zielgruppe für Integration sind. Sie bietet Anknüpfungspunkte für rassistische Stimmungsmache, die durch entsprechende Aktionen von CDU-Landespolitikern vermehrt werden. So traf sich CDU-Innenminister Ulbig Anfang des Jahres mit dem Pegida-Organisationsteam und Ministerpräsident Tillich ( betonte, dass der Islam nicht zu Sachsen gehöre. Aktuell bringt die sächsische CDU-Fraktion ein „Pilotprojekt“ zur schnelleren Abschiebung von abgelehnten Asylsuchenden ins Gespräch. Auf der anderen Seite wird zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Rechts in Sachsen traditionell gering geschätzt und sogar kriminalisiert.
Ein Asylgipfel Ende November 2014 bei Ministerpräsident Tillich, auf den die mehrheitlich CDU-dominierten Kommunen gedrungen hatten, brachte nur unverbindliche Ergebnisse. Die Weigerung der Landesregierung, sich dem Thema Flüchtlinge ernsthaft zu widmen, manifestierte sich Anfang des Jahres schließlich in den völlig überfüllten Erstaufnahmeinrichtungen in Chemnitz und Schneeberg. Die Folge war die eilige Errichtung von über das Land verteilten unzulänglichen Interimsunterkünften, so mit 220 Menschen in einer einzigen Turnhalle in Schneeberg ohne angemessene hygienische Versorgung. Dies geschah – und geschieht – ohne Kommunikation mit den BürgermeisterInnen und LandrätInnen. In der Folge stellten sich in diesem Jahr selbst die CDU-Landräte geschlossen gegen Innenminister Ulbig. Wirkliche Veränderungen sind dennoch nicht in Sicht. Insgesamt ist der CDU-geführten Landesregierung ein völliges Versagen beim Thema Flüchtlinge und Integration zu attestieren.
Für menschenwürdige Flüchtlingspolitik
DIE LINKE setzt sich für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik in Sachsen ein und steht für eine andere, positive Ansprache zum Thema in der Gesellschaft. Dazu macht sie konkrete Vorschläge. Im Landtag hat die Linksfraktion bereits im Dezember 2014 mit dem „Ganzheitlichen Handlungs- und Kommunikationskonzept für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und eine bedarfsgerechte Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen“ einen praxisorientierten Antrag vorgelegt. Er beinhaltet unter anderem eine Stabsstelle Asyl zur Koordinierung der Kommunikation mit den Kommunen, eine stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure, eine verbesserte Teilhabe der Flüchtlinge selbst, sowie Maßnahmen zur Integration vom ersten Tag. Er wurde von der CDU-SPD-Koalition abgelehnt. Weitere Anträge der Fraktion forderten beispielsweise einen Winterabschiebestopp, eine Krankenversicherungskarte für Flüchtlinge – beides wurde übrigens im rotrotgrün regierten Thüringen beschlossen – und eine höhere Asylpauschale für die Kommunen. In Arbeit ist eine Initiative zur Novellierung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes, konkret dessen Ergänzung um qualitative Standards für Aufnahme, Unterbringung, Versorgung sowie Teilhabe.
Selbstverständlich misst DIE LINKE den zivilgesellschaftlichen Akteuren zur Unterstützung von Flüchtlingen einen ganz anderen Stellenwert bei als die sächsische Landesregierung. Auch am gesellschaftlichen Widerstand gegen Pegida und Co. sowie gegen rassistische Aufläufe vor Flüchtlingsunterkünften war und ist DIE LINKE auf allen Ebenen beteiligt: kommunal, durch die Landtagsabgeordneten und natürlich durch uns acht sächsische Bundestagsabgeordnete. Ein gutes Beispiel ist die ‚Asyltour’ der Landesgruppe Sachsen der LINKEN im Bundestag und der Landtagsfraktion, die durch alle sächsischen Landkreise geht und im September auch bei mir in Chemnitz haltmacht. In ihrem Rahmen besichtigen wir Flüchtlingsunterkünfte, sprechen mit Verwaltungen, Willkommensbündnissen, Flüchtlingsselbstorganisationen und anderen Aktiven, bieten Informationen rund um das Thema Asyl und stehen selbstverständlich als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Ergebnisse sollen wieder in unser parlamentarisches Handeln einfließen.
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