»Wir sehen uns in Gorleben vorm Castor!«
Von Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages und umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINE
Der letzte Donnerstag war ein schwarzer Tag für die Bundesrepublik. Mit der beschlossenen Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke treten Union und FDP nun eine energiepolitische Reise in die Vergangenheit an. Eine Reise, die den Ausbau erneuerbarer Energien behindern und verteuern wird. Eine Reise, mit der Atomkonzerne dutzende Milliarden verdienen werden. Und eine Reise, die die unverantwortlichen Risiken der Atomwirtschaft für die Bevölkerung in die Zukunft verlängert. Schwarz-Gelb wird dafür eine Rechnung bekommen - als nächstes beim Widerstand gegen die Castor-Transporte im Wendland ab dem Wochenende. Und hoffentlich auch bei den nächsten Wahlen.
Der Verabschiedung der zwei Novellen des Atomgesetzes vorausgegangen war eine beispiellose Missachtung des Parlaments. Für Anhörungen im Bundestag und für die eigentlichen Beratungen in den Ausschüssen waren insgesamt nur wenige Stunden vorgesehen. Gleiches gilt für das gesamte Energiekonzept der Bundesregierung und dem Teil des Gesetzespakets, der sich Steuer- und Finanzierungsfragen der Laufzeitverlängerung widmet. Und dies alles bei einem Vorhaben, welches unzählige Probleme hinsichtlich der Sicherheit, energiewirtschaftlichen Wirkungen und finanziellen Konsequenzen aufwirft. Das Ganze ist eine parlamentarische Farce. Schwarz-Gelb hat offensichtlich ihr Händeschütteln mit den Bossen der Energiekonzerne mit einer parlamentarischen Beratung verwechselt.
Entsprechend kämpfte die Opposition mit Zähnen und Krallen. Im Umweltausschuss kam es auf Sondersitzungen am Montag - und noch turbulenter am Dienstag - zum Eklat. Denn die Koalition missbrauchte ihre Mehrheit einmal mehr im Verfahren dafür, Minderheitenrechte auf's Unerträgliche einzuengen. SPD, LINKE und Grüne hielten dagegen. Unzählige Geschäftsordnungsanträge, permanente Zwischenrufe bis hin zu deftigen Brüllereien waren die Folge. Im Verlaufe der chaotischen Dienstag-Sitzung wurden im Gebäudeflügel des Umweltausschusses sogar sämtliche Stromkabel für Kopierer geklaut. Das erschwerte dem Sekretariat, Anträge zu vervielfältigen.
Nur mit Mühe und Macht ihrer Überzahl konnten Union und FDP am Ende fristgemäß die Beschlussempfehlung für die Atomgesetz-Novellen durchpeitschen. Beratungen von Änderungsanträgen der Opposition hingegen wurden verhindert. Das waren Sitzungen, die ich in meinem Abgeordnetendasein seit 1994 noch nicht erlebt habe.
Am Donnerstag dauerten Plenardebatte und Endabstimmung der Gesetze Stunden, u.a. weil über dutzende Änderungsanträge der Grünen namentlich votiert werden musste. Die Opposition hatte zuvor erfolglos versucht, die Abstimmung über die Laufzeitverlängerungen abzusetzen. Begleitet wurden die erneut deftigen Debatten im Saal durch Proteste der Anti-AKW-Bewegung am Brandenburger Tor. Dort konnten die Leute über Public Viewing parallel den Redeschlachten im Bundestag folgen.
Nunmehr wird das Bundesverfassungsgericht gefragt sein. Insbesondere darüber, ob die Koalition die Atomgesetznovellen ohne eine Zustimmung des Bundesrates verabschieden konnte. DIE LINKE wird sich den Verfassungsbeschwerden mehrerer Bundesländer anschließen. So wollen etwa Berlin und Brandenburg - beide mit SPD/LINKE-Regierungskoalitionen - nach Karlsruhe ziehen. Auch eine eigene Organklage des Bundestages wird DIE LINKE unterstützen. Dafür müssen ein Viertel aller Abgeordneten des Bundestages votieren - Union und FDP können die Opposition hier einmal nicht ausbremsen. Vertreter der Stadtwerke wiederum haben eine Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission ankündigt. Kein Wunder, denn von längeren Laufzeiten profitieren ausschließlich die vier Energieriesen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW. Investitionen der Städte in eine zukunftsfähige Energieinfrastruktur hingegen werden entwertet. Denn sie wurden in der Vergangenheit im Vertrauen getätigt, dass die letzten Atommeiler spätestens 2022 vom Netz gehen, und nicht erst 14 Jahre später.
Der Widerstand gegen den Atomwahn von Energiekonzernen sowie Merkel, Westerwelle und Co. ist breit. Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine zukunftsfähige Energieversorgung aus Sonne, Wind, Geothermie, Biomasse und Wasser. Das wird sich u.a. im Wendland zeigen. Auch DIE LINKE und ihre Bundestagsfraktion werden dort ab Samstag Widerstand gegen den Atommülltransporte leisten. Wir sehen uns in Gorleben vorm Castor!
Ähnliche Artikel
- 02.10.2010
- 06.10.2009
Den Mut zu sozialen Protesten mit alternativen Konzepten kombinieren
- 27.09.2009
DIE LINKE.: Gemeinsam mit den Menschen diese Gesellschaft gestalten.
- 31.10.2010
Dossier zur Offenlegung der Privatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe
- 31.10.2010