Eine Bremse als Motor - Verfassungsänderung bringt LINKE und CDU in Sachsen einander näher
Von Hendrik Lasch
In Sachsen wird eine Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben. Dafür machen LINKE und CDU erstmals gemeinsame Sache. Derweil sind Skeptiker bei den Genossen besänftigt.
Am vorigen Freitag um fünf wurde im »Chiaveri«, dem Restaurant im Dresdner Landtag, Geschichte geschrieben. Formal setzten nur die fünf Fraktionschefs von CDU, FDP, Grünen, SPD und LINKE ihre Unterschriften unter ein Papier, das eine Änderung der Verfassung auf den Weg bringt: In Artikel 95 wird eine Schuldenbremse eingefügt.
Besiegelt wurde aber auch eine »Zeitenwende«, sagt jedenfalls Rico Gebhardt, der LINKE-Chef im Landtag. Erstmals machen seine Partei und die seit 1990 in Sachsen regierende CDU gemeinsame Sache. Zwar einigten sich schon 2005 die gleichen fünf Fraktionen zum Umgang mit der NPD, wobei Schwarz und Dunkelrot überhaupt erstmals an einem Strang zogen. Später besiegelten beide hinter den Kulissen die Wahl eines Verfassungsrichters. Bei Gesetzen und Anträgen aber blitzten die Genossen bisher bei der CDU ab; diese lehnte es ab, mit ihnen zu stimmen. Verglichen mit anderen Ländern, schrieb Gebhardt kürzlich an Parteifreunde, »war die Ausgrenzung unserer Fraktion in Sachsen besonders groß«.
Die »Zeitenwende« nun vollzieht sich nicht bei einem unspektakulären Sachantrag, sondern bei einer Ergänzung der Verfassung - der ersten nach 20 Jahren. Dabei macht CDU-Fraktionschef Steffen Flath kein Hehl daraus, dass er diese lieber ohne die Genossen besiegelt hätte. Ein Veto von Grünen und SPD verhinderte das. Flath räumt auch ein, dass er angesichts des heiklen Themas nicht damit gerechnet hatte, dass die LINKE »bis zum Ende dabeibleibt«. Dass sie dem Vernehmen nach sogar sehr konstruktiv verhandelte, nötigt ihm Respekt ab: »Ich erkenne das sehr an.« Gebhardt wiederum verfiel fast in Pathos: Er sah schon ein »neues demokratisches Zeitalter in Sachsen« anbrechen.
Skeptiker in der Partei fürchteten indes, im Bemühen um Anerkennung könnte sich die LINKE zu unklugen Zugeständnissen hinreißen lassen, schließlich ist die Schuldenbremse für die Partei ein rotes Tuch. Finanzpolitiker Axel Troost warnte vor der Teilnahme an Verhandlungen: Womöglich würden Forderungen übernommen - und das Ergebnis sei »kaum mehr glaubwürdig abzulehnen«.
Am Ende trägt die LINKE das Ergebnis mit - und selbst Troost und Enrico Stange, der als einziger in der Sachsen-Fraktion gegen Verhandlungen votiert hatte, sind angetan: Von einem »großen Fortschritt« ist in einem gemeinsamen Papier die Rede. Anlass dafür ist die konkrete Gestaltung der Schuldenbremse. So bleibt die Aufnahme von Krediten in Ausnahmefällen wie Naturkatastrophen oder schweren Einbrüchen der Staatseinnahmen erlaubt. Zudem wurde sichergestellt, dass die finanzielle Lage der Kommunen unter der Schuldenbremse nicht leidet.
Als wichtigste Errungenschaft halten sich die Genossen zugute, den »sozialen Ausgleich« als Prinzip der Etaterstellung verankert zu haben - neben Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zwar müsse dies in der Gesetzesbegründung noch konkret ausformuliert werden, erklären Troost und Stange. Sie loben aber, es sei »offenbar tatsächlich gelungen, dem sozialen Ausgleich ... einen nicht zu unterschätzenden Dienst zu tun«. Peter Porsch, langjähriger LINKE-Spitzenmann in Sachsen, lobt gar, man habe »mehr erreicht, als man sich links in den letzten 22 Jahren jemals träumen lassen konnte«.
Das müssen die Sachsen nun ihren Genossen in anderen Ländern erklären. Die dürften sich schon bald mit ähnlichen Vorstößen konfrontiert sehen. In Sachsen-Anhalt etwa hofft CDU-Fraktionschef André Schröder bereits, dass die Initiative aus Sachsen »auch die Debatte bei uns belebt«.
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